Konzeptzeichner Iain McCaig gehörte zu den ersten Künstlern, die in Doug Chiangs Team aufgenommen wurden. Als einer der älteren, erfahreneren Künstler in der künstlerischen Abteilung von Episode I schöpfte McCaig aus seiner jahrelangen Arbeit als Animator und freiberuflicher Illustrator, der Arbeiten für Buch- und Plattencover geschaffen hatte. Sein Portfolio umfasste alles von Jethro Tulls Album „Broadsword and the Beast“ über Ian Livingstones Fighting-Fantasy-Spielbücher bis hin zu Illustrationen für Fantasy-Klassiker wie Der kleine Hobbit und Peter Pan. Er stellte seine Arbeiten zu Peter Pan als Ehrengast bei einer Veranstaltung im kalifornischen San José aus, als Lucasfilm ihn anwarb. Am Ende arbeitete für Industrial Light & Magic und zeichnete 2.500 Storyboards für Steven Spielbergs Hook (1991).
Bevor er bei ILM anfing, hatte McCaig kurzzeitig für Lucasfilm Games gearbeitet und die Nahaufnahmen der Zwischensequenzen von The Secret of Monkey Island (1990) neu gezeichnet. „In der ersten Version standen nur eine Handvoll Farben zur Verfügung, aber nun gab es plötzlich – ein echter Wow-Moment – volle 256“, erinnert er sich. „Es war das erste Mal, dass ich einen Computer benutzte, und das war lange vor Wacom-Tabletts und digitalen Stiften. Am Ende habe ich die Bilder auf dem Bildschirm mit einer Maus zusammengeklickt.“

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McCaigs erstes Projekt bei ILM war Terminator 2: Tag der Abrechnung (1991), bei dem er mit einem talentierten jungen Künstlerischen Leiter namens Doug Chiang zusammenarbeitete. Als Chiang ILM verließ, um die Leitung der neuen künstlerischen Abteilung von George Lucas‘ neuem Star-Wars-Film zu übernehmen, schlug er McCaig – inzwischen ein erfahrener Freiberufler in der Filmindustrie – vor, sein Portfolio einzureichen. „Ich schickte Doug mein Portfolio wie alle anderen auch”, erinnert er sich, „und war begeistert, als er mich einlud, mich ihm und Terryl Whitlatch in Georges persönlicher Künstlerischer Abteilung bei JAK Films anzuschließen. JAK steht übrigens für Jett, Amanda und Katie, Georges Kinder, und nicht, wie einige Witzbolde behaupten, für das, was er uns bezahlt hat [also „jack”, mit anderen Worten nichts, Anm. d. Red.].“
„Doug und Terryl arbeiteten bereits seit einem Jahr dort“, so McCaig weiter, „und sie hatten die Wände bereits mit Kreaturen, Raumschiffen, Droiden und außerirdischen Landschaften aller Art bedeckt. Ich dachte nur: Na schön, und was soll ich hier noch machen? Dann fiel mir auf, dass es nicht viele Zeichnungen von Personen gab, und für mich sind Leute die besten Fantasiewesen überhaupt. Also übernahm ich schließlich die meisten Hauptfiguren: Obi-Wan, Padmé, Qui-Gon und Anakin sowie Yoda und den Rat der Jedi, die Senatoren und verschiedene Schurken und Bösewichte. Ich nahm auch einen ersten Anlauf, wie ihre Kostüme aussehen könnten.“ Das Team wuchs schließlich um Jay Shuster, Kurt Kaufman und eine ganze Gruppe von Storyboard-Zeichnern, für die Chiang und McCaig als Chefs agierten.
Während George Lucas am ersten Entwurf seines Drehbuchs arbeitete, besuchte er die Künstler jede Woche und erzählte ihnen eine neue Episode der sich entwickelnden Saga. „George lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schloss halb die Augen und erzählte uns den nächsten Teil, als wäre es eine Gutenachtgeschichte“, erzählt McCaig. „Er hörte immer dann auf, wenn wir unbedingt wissen wollten, was als Nächstes passiert, stand dann auf und ging wieder nach unten, sodass wir mit diesem neuen Stück der Geschichte zurückblieben.“

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Die erste Figur, mit der sich McCaig befasste, war die junge Königin von Naboo, Padmé Amidala. „Sie war die Macht der Natur, die versuchte, eine Flut des Bösen aufzuhalten. Deshalb wollte ich, dass sie die erste Figur ist, die wir visuell definieren, um alle anderen Entwürfe später an ihr zu messen.“ Um dies zu erreichen, musste er die Philosophie hinter ihrem Aussehen und die tieferen Beweggründe verstehen, die sie antreiben. „Wenn es ein Krieg der Sterne ist“, so McCaig, „wofür kämpfen die Figuren dann? Was ist das Gute, das sie zu schützen versuchen, und warum wollen wir, dass sie Erfolg haben?
George sagte oft, dass es ein Kampf zwischen organischen Lebensformen und Maschinen sei“, erklärt er weiter. „Nicht, dass die Maschinen schlecht wären, aber sie neigen dazu, über die weichen, zerbrechlichen organischen Dinge hinwegzufegen. Außerdem benehmen sich die zerbrechlichen Dinge oft daneben und verursachen Konflikte. Im Mittelpunkt steht eine Königin, die versucht, alles zusammenzuhalten, ohne Krieg zu führen, und die Jedi, die ihr Bestes tun, um ihr zu helfen.“
Lucas erwähnte, dass er von Prinzessin Ozma aus L. Frank Baums Der Zauberer von Oz inspiriert worden sei. „Gleichzeitig“, so McCaig, „stellte er uns mit der Frage ‚Was macht Star Wars zu Star Wars?‘ auf die Probe. Als er seine erste Trilogie drehte, sagte er, dass es nicht viele andere Filme wie diesen gegeben habe. Jetzt aber gab es Star Trek und Blade Runner und Alien und eine Vielzahl anderer. Was ist also ein Star-Wars-Film? Und wie können wir das Star Wars, das alle kennen, in eine ganz neue Zeitperiode versetzen?
Die Lösung ergab sich durch einen Blick in die Geschichte“, fährt McCaig fort. „Wenn man in unserer Zeit etwa hundert Jahre zurückgeht, gelangt man in die viktorianische Ära, die Zeit direkt an der Schwelle zur Industrialisierung, als die meisten Dinge noch handgefertigt waren. Ein Erfinder war damals stolz auf seine Arbeit; wie ein Künstler brachte er oft eine kleine Plakette mit seinem Namen an der Maschine an, als wollte er sagen: Ich habe das gemacht. Wenn man hundert Jahre zurückgeht, bedeutet das also nicht unbedingt, dass die Dinge einfacher wären. Stattdessen sind sie vielleicht kunstvoller und künstlerischer, weil sie von Hand gefertigt wurden. Man kauft ein Kostüm nicht einfach von der Stange. Es wird für einen angefertigt.“

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Mit der Hilfe von Jo Donaldson und ihrem Team in der Lucasfilm-Forschungsbibliothek sowie dem „freiberuflichen Forscher der Extraklasse“ David Craig analysierte McCaig den Jugendstil des frühen 20. Jahrhunderts und entwickelte einen Ansatz für die Kultur der Königin und der Naboo im Allgemeinen, den er in Anlehnung an den Jugendstil „Weltraumstil“ nannte. Er konnte auch auf die historische Forschungsbibliothek der Paramount Studios zurückgreifen, die George Lucas ein Jahrzehnt zuvor erworben hatte. Zudem nutzte McCaig die grüne Umgebung der Skywalker Ranch und zeichnete Pflanzen, Bäume, ganze Wälder. Alles, was organisch war, nahm er in sich auf.
„George liebt Illustratoren“, so McCaig. „Bildende Künstler schaffen, um sich selbst zu befriedigen, aber Illustratoren schaffen, um Geschichten zu erzählen, und diese Geschichten spiegeln die Zeit wider, in der sie leben, und fassen ein Stück Geschichte zusammen.“
Um ein historisches Feingefühl zu schaffen, das sich eindeutig nach Star Wars anfühlte, versuchte McCaig sicherzustellen, dass jedes Design von Elementen an drei verschiedenen Orten auf der Welt, aus drei verschiedenen Zeitperioden oder einer Kombination aus beidem inspiriert wurde. „Wenn es an diesen verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten wieder auftaucht, ist es wahrscheinlich ein ikonischer Archetyp – etwas, das Teil unseres kollektiven Unbewussten ist.“ Die weiße Gesichtsfarbe von Königin Amidala beispielsweise findet sich bei japanischen Geishas, dem traditionellen Aussehen verheirateter Frauen in der Mongolei sowie bei der englischen Königin Elisabeth I.
Nach der Königin wandte sich McCaig den Jedi, Qui-Gon Jinn und Obi-Wan Kenobi zu, die zusammen eine ziemlich bedeutende Änderung der Geschichte erlebten. „Es ist interessant, wie sich die Dinge entwickeln“, bemerkt McCaig. „Eine Zeit lang hieß der ältere Jedi Obi-Wan und der jüngere Qui-Gon. Es war sehr ergreifend, dass Obi-Wan am Ende stirbt und Qui-Gon Darth Maul besiegt und bei seinem Meister bleibt, als dieser stirbt. Er übernimmt nicht nur die Aufgabe seines Meisters, sondern auch dessen Namen. Qui-Gon wird zu Obi-Wan. Deshalb nimmt Alec Guinness in Eine neue Hoffnung seine Kapuze ab und sagt: Obi-Wan? Diesen Namen habe ich seit Ewigkeiten nicht gehört… Denn er ist nicht Obi-Wan, sondern Qui-Gon. Erst ganz zum Schluss hat George das geändert.”

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Wenn er heute zurückblickt, überkommt McCaig eine ungewöhnliche Mischung von Gefühlen hinsichtlich seines Erlebnisses, zum Star-Wars-Mythos beigetragen zu haben. „Als ich sieben, acht, neun Jahre alt war, habe ich Bücher wie Dune und Das Böse kommt auf leisen Sohlen gelesen“, erklärt er. „Als Star Wars herauskam, war ich bereits auf der Kunsthochschule und viel mehr daran interessiert, Kunst zu machen und mich zu verlieben, als mir eine familienfreundliche Weltraumoper anzusehen. Star Wars hat mich erst lange nach Beginn meiner Arbeit daran wirklich angesprochen. American Graffiti hingegen – das war mein Film!“
Als er anfing, zu Star-Wars-Ausstellungen zu reisen, um dort Vorträge zu halten, erlebte McCaig aus erster Hand, wie sehr Star Wars das Publikum auf der ganzen Welt berührt. „Ich bringe den Menschen gerne das Zeichnen und Geschichtenerzählen bei, und im Gespräch sind viele Barrieren verschwunden, sobald die Leute wissen, dass ich an Star Wars gearbeitet habe.“ Doch obwohl sein Respekt für Star Wars wuchs, verband ihn persönlich immer noch nichts damit.
„Es war Andor, wodurch mein Herz und meine Seele erobert wurde. Die Superhelden waren verschwunden und zum ersten Mal spürte ich, wie zerbrechlich und schrecklich es war, in der Zeit des Imperiums zu leben, und wie manche Menschen trotz allem durchhielten, koste es, was es wolle. Das verband Star Wars für mich mit der realen Welt, und ich verliebte mich in die Saga. Jetzt sehe ich unendlich viele unberührte Möglichkeiten für diese Saga und würde gerne daran mitwirken, sie Wirklichkeit werden zu lassen.“
Dieser Tage ist McCaig Geschichtenerzähler, der sich vieler verschiedener Medien bedient. „Als ich bei Lucasfilm anfing, begann auch meine 30-jährige Karriere als Drehbuchautor. Jetzt schreibe ich Romane und Kurzgeschichten“, erzählt er, „und ein Musical, ob man es glaubt oder nicht. Ich liebe es, ein Publikum zu haben, das ich tatsächlich sehen und hören kann. Ich denke, das ist das Gegenmittel zu 40 Jahren an Geheimhaltungsvereinbarungen.“
Und würde er jemals in Betracht ziehen, wieder mit Lucas zusammenzuarbeiten? „Ich glaube, George ist in Rente gegangen, und wenn er seinen alten Traum wahr macht, dann macht er glücklich Filme nur für sich selbst“, lacht McCaig. „Aber ja, absolut. Er müsste nur zweimal in die Hände klatschen und ich wäre da. Ich glaube, wir alle wären es.“
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