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BDFC // Artikel

Bernd Dötzers Final Cuts: Star Wars Episode IV – Eine neue Hoffnung

Der aufwendige BDFC-Fan-Edit von Bernd Dötzer erweitert Star Wars: Eine neue Hoffnung um geschnittene und brandneue Szenen und Verknüpfungen zur übrigen Saga.
Han Solo und Chewbacca in Star Wars: Episode IV - Eine neue Hoffnung (Krieg der Sterne)Quelle: Lucasfilm

Star Wars – Detail #10 – Unauffällig aber vorhanden: Zahlreiche Änderungen in der Müllpresse

Vor allem die erste Veröffentlichung von KRIEG DER STERNE auf Video – Anfang der Achtziger Jahre – hat mir schon damals manch kleine optische Ungereimtheit der originalen Müllpressen-Version vor Augen geführt.

Mit meiner Arbeit am BDFC konnte ich diese persönliche Erfahrung „Müllpresse“ angehen und Änderungen, die mir einfach wichtig waren, vornehmen. Änderungen, die nun vorhanden aber bis auf wenige Ausnahmen großteils unauffällig sind.

In Sachen Bildschnitt betrifft dies drei Anschlußfehler, die im BDFC behoben bzw. abgemildert wurden. Unter „Anschluß“ versteht man den logischen Schnitt bzw. Übergang von einer Szene zur nächsten.

Im Folgenden werden die drei im Original enthaltenen Anschlußfehler betrachtet:

Übergang #1: „Wasseroberfläche“

Luke wird vom Fangarm der Dia Noga unter Wasser gezogen. Die Wasseroberfläche ist anfangs stark aufgewühlt, beruhigt sich aber zusehends:

Der nächste Schnitt zeigt Chewie. Während dieser Szene hat das Wasser logischerweise noch mehr Zeit, sich zu beruhigen und die Oberfläche zu glätten:

FEHLER – Im Anschluß folgt der Blick wieder auf das Wasser. Dort aber schäumt die Wasseroberfläche, obwohl sie sich schon beruhigt haben müßte und Luke zwischenzeitlich nicht aufgetaucht ist:

Übergang #2: „Leias Körperhaltung“

Leia steht erschrocken mit einer nach hinten geneigten Körperhaltung zwischen dem Müll (hier das letzte Einzelbild dieser Szene):

FEHLER – Im Anschluß (hier das erste Einzelbild dieser Szene) wird Leia mit nach vorne geneigtem Oberkörper gezeigt, obwohl sie eigentlich nach hinten geneigt sein müßte:

Übergang #3: „Han & Leias Umarmung“

Vor Freude fallen sich Han und Leia in die Arme (hier das letzte Einzelbild dieser Szene):

FEHLER – Im Anschluß (hier das erste Einzelbild dieser Szene) haben die Beiden schon ihre Umarmung aufgelöst und sind im Begriff, sich in entgegengesetzte Richtungen zu bewegen. Es wird nicht gezeigt, wie die Umarmung beendet wird:

Die ersten zwei Anschluß-Fehler („Wasseroberfläche“ und „Leias Körperhaltung“) für den BDFC abzumindern bzw. auszugleichen war ganz einfach:

Ich nahm die Aufnahme mit Chewie (Bild #3) heraus und setzte sie zwischen die beiden „Leias Körperhaltung“-Szenen.

Somit schäumt nun das Wasser weiter, ohne vom Gefühl her genügend Zeit gehabt zu haben, sich ganz zu beruhigen, die Wasseroberfläche glättet sich letztendlich erst gänzlich im Nachhinein. Ebenso wird die Änderung von Leias Körperhaltung logisch erklärt, da in der Zeit, in der Chewie zu sehen ist, Leia von der in den Rücken gelehnten Stellung zu einer nach vorne gebeugten Oberkörperhaltung gelangen kann.

Die Reihenfolge der Szenen im BDFC verläuft nun folgendermaßen:

  • BDFC-Übergang „Wasseroberfläche“: Bild #1 – Bild #2 – Bild #4
  • BDFC-Übergang „Leias Körperhaltung“: Bild #5 – Bild #3 – Bild #6

Die Überarbeitung von „Han & Leias Umarmung“ stellte mich vor ein weitaus schwierigeres Problem: Ich hatte kein Bildmaterial, in welchem die Beiden ihre Umarmung lösen. Da ich im Verlauf meiner Arbeit am BDFC so manchen Trick gelernt hatte, stellte ich mir die Frage, ob ich nicht doch mit dem vorhandenen Original-Material die Loslöse-Bewegung rekonstruieren konnte. Wenn ich ab einem gewissen Punkt die Umarmung rückwärts laufen ließe, könnte ich zumindest einen Teil der Loslöse-Bewegung imitieren, da beide wieder loslassen und die Arme öffnen würden. Mit etwas Geduld gelang mir diese Rekonstruktion der Bewegung. Eine zusätzliche Verlangsamung der Geschwindigkeit (Zeitlupe) gab der neuen Bewegung mehr Geschmeidigkeit. Es fehlt zwar noch ein wenig, um die Bewegungslücke komplett zu füllen, doch der Schnitt von der Umarmung hin zum Auseinandergehen wirkt im BDFC nun flüssiger, nicht mehr so abgehackt.

Die auffälligste Änderung im BDFC betrifft sicherlich die Musik. Dazu muß man aber die verschiedenen englischen und deutschen Versionen von EPISODE 4 betrachten. Wie bereits im Making-Of-Bericht zu STAR WARS – BDFC beschrieben, habe ich John Williams hervorragende Musik, die er zur Dia-Noga-Szene in der Müllpressanlage des Todessterns komponiert und aufgenommen hatte, wieder verwendet. In englischen Versionen fehlt diese Musik vollständig, in der deutschen Version war sie von der ersten Kino- bis zur THX-Video-Ausgabe 1995 enthalten, wurde dennoch in die Special Edition 1997 nicht mehr mit aufgenommen. John Williams aber kreierte ein geniales Dia-Noga-Thema, das anfangs gespenstisch die noch nicht greifbare aber vorhandene Gefahr des suchenden Fangarms und die wachsende Unsicherheit der Helden in dieser Situation widerspiegelt, sich musikalisch dem Verlauf der Szene entsprechend dramatisch weiter entwickelt, bis zum letztendlich symphonischen Höhepunkt, dem vermeintlichen Verlust Lukes und dessen überraschendes, von der Tentakel befreites Auftauchen kurz vor der Inbetriebnahme der Presse.

Natürlich wollte ich dieses Musikstück, das übrigens vollständig auf dem original Soundtrack enthalten ist, nicht missen. So paßte ich es der alten deutschen Version entsprechend in die englische BDFC-Version ein. Sicherlich ist es interessant, die Dia-Noga-Sequenz mal nur mit Geräuschen zu hören, doch was ist der märchenhafte STAR WARS ohne seine Musik? Nur der halbe Film. Beide Versionen kennend, gibt es für mich nur eine Wahl: Die ursprünglich geplante Dia-Noga-Sequenz mit der dazu komponierten Musik von John Williams. Das ist STAR WARS in Vollendung. Nun ist dieses Musikstück wieder da, wo es hingehört: Im Film.

Es gab weitere Änderungen der Tonspur, die aber weniger oder gar nicht auffällig ausfallen. Die von mir verwendete englische VHS-Version von STAR WARS, die Widescreen-Fassung von Fox-Video (England) aus dem Jahre 1991, bildet die Grundlage des STAR WARS – BDFC. Es handelt sich hierbei um eine Version, die eine relativ alte, besser gesagt frühe Variante der STAR-WARS-Tonmischung enthält. In späteren Versionen wurde die Tonspur zu STAR WARS immer wieder überarbeitet. Diese Tatsache ist z.B. auch in der Müllpresse erfahrbar. Chewies verzweifeltes Fäustetrommeln gegen das Müllpressen-Schott während der Dia-Noga-Attacke ist in dieser Originalversion kaum zu hören. Für die BDFC-Fassung habe ich diese Geräusche stellenweise lauter eingefügt.

Die Erleichterung und Freude der Helden am Ende der Müllpressen-Sequenz, aus dieser schier aussichtslosen Situation noch einmal unzerquetscht herausgekommen zu sein, wollte ich noch intensiver darstellen. So mischte ich Lukes Freudenschrei aus dem englischen Original ein weiteres Mal mit hinzu.

Um der von mir durch die Rückwärtslauf-Zeitlupe erweiterten Umarmung zwischen Han und Leia mehr Freude und Energie zu geben, habe ich ein intensives, laut freudiges Lachen Leias hinzugemischt. Dieser zusätzliche Ton stammt aus dem deutschen fontana-Hörspiel von 1978. Dort wurden neben einem typischen Hörspiel-Sprecher auch die originalen Tonspuren des Films mitverwendet. Öfters sind dabei auch Dialoge getrennt von der Musik eingespielt. Das bedeutet für schnittfreudige Enthusiasten praktisch freien Zugriff auf den reinen Dialog und damit problemloses Einfügen in beliebige Tonspuren, da keine Nebengeräusche herausgefiltert oder kaschiert werden müssen.

Im Falle Leias nutzte ich das Lachen der deutschen Synchronsprecherin Susanna Bonaséwicz, das sie Leia mitgab, als sie nach der Zerstörung des Todessterns dem gerade gelandeten Luke stürmisch um den Hals fällt.

Somit wirkt die Umarmung zwischen Han und Leia durch die Kombination Rückwärtslauf-Zeitlupe und lautem Lachen etwas intensiver als gewohnt. Dieser kleine Effekt ist meines Erachtens nach gewinnbringend, schließlich haben sie sich alle schon am Ende geglaubt und dürfen sich durchaus etwas mehr am Überleben freuen. Zusätzlich stärkt es Leias ungläubige Reaktion auf Hans „Ohne weitere weibliche Ratschläge müßten wir’s jetzt eigentlich schaffen, hier wieder lebend rauszukommen“. Zuerst freut man sich gemeinsam mit einer innigen Umarmung und wenige Minuten später hat dieser Weltraumschmuggler schon wieder alles verdrängt und spielt den Ober-Macho! „Unglaublich“ kann man in ihrem Gesicht jetzt noch verständlicher herauslesen. Dies läßt auch ein wenig deutlicher Han Solos ungefestigten Charakter erahnen, der in kontrollierbaren Situationen den coolen Macker gibt, darunter aber ein „netter Mann“ – um es mit den Worten aus EPISODE 5 auszudrücken – zu sein scheint. Im Grunde weiß er nicht, wo er hin gehört. Doch bald darauf ändert er sein Leben, entscheidet sich und schließt sich der Rebellion an.

Stellt sich die Frage, warum diese Anschlußfehler, dazu noch so gehäuft, überhaupt im Müllpressen-Original enthalten sind. Schließlich weist STAR WARS exzellente, OSCAR-prämierte Schnittarbeit auf. „Wasseroberfläche“ und „Leias Körperhaltung“ wären wie beschrieben auf einfachste Art und Weise zu vermeiden gewesen.

Ich spekuliere jetzt einfach einmal:

Bei der Fertigstellung von STAR WARS standen alle beteiligten, so auch die Schnittmeister, unter einem enormen Termindruck. Vielleicht war die Müllpressen-Sequenz eine, die gerade noch so fertig geschnitten wurde, gerade noch pünktlich, um das Negativ ins Kopierwerk zu geben, damit alle Rollen in letzter Sekunde dem Vorführer zur Verfügung standen. Und siehe da, niemanden fiel es bei den ersten Vorführungen auf. Die schnellen Schnitte, die dramatische Musik, die ganze bis dahin nie gesehene Weltraum-Märchenwelt: Es funktionierte, den Menschen gefiel es, Änderungen waren unnötig. Das Budget war sowieso erschöpft, 20th Century Fox wollte den Film endlich im Kino wissen und der stetig wachsende Andrang der Massen ließ sowieso keine Zeit für Überarbeitungen des Bildschnitts zu. Wichtiger war, Kopien für die Lichtspielhäuser zu ziehen.

Ein Spielfilm ist nun mal ein zusammengeflickter Streifen hunderter Kameraeinstellungen. Ein Anschlußfehler ist auch nur dann ein Fehler, wenn er entdeckt wird und beim Betrachten störend wirkt. In so fern kann man nach fast 30 Jahren STAR WARS sagen, es ist kaum jemanden aufgefallen und wirkt sich sicher nicht störend aus. Es sind also doch keine Fehler, eher in Kauf genommene, filmemacherische Kompromisse.

So hätte ich auch nicht die BDFC-Schere ansetzen müssen, das Original funktioniert ja. Wäre da aber nicht „Han & Leias Umarmung“. Dieser Übergang störte mich schon immer und im Gegensatz zu „Wasseroberfläche“ und „Leias Körperhaltung“ ist dieser Anschluß doch auffällig. Da fehlt mir einfach zu viel. Nur was fehlt?

Ich spekuliere hier mal ganz mutig weiter:

George Lucas hat doch sehr in seinem Film körperliche Nähe ausgegrenzt, obwohl im Buch ursprünglich einiges anders geplant war. Angefangen von Han Solos Schmuserei in der Cantina, die ja ganz gestrichen wurde, bis zum eigentlichen Mundkuß zwischen Leia und Luke, bevor sie am Seil den Abgrund überqueren. Im Film war dann aber an dieser Stelle ein Wangenkuß das Höchste der Gefühle.

Ich vermute, daß beim Drehen die Umarmung zwischen Han und Leia entweder von der Dauer her länger ausgefallen ist und somit radikal gekürzt wurde, obwohl – und das macht die Sache unwahrscheinlicher – dem Cutter bestimmt verschiedene Takes zur Verfügung standen, oder daß beim Drehen ein Kuß mit im Spiel war. Vielleicht gab es ja schon hier einen Kuß zwischen Han und Leia. Ich tippe auf einen Wangenkuß, der Situation angemessen. In seiner Euphorie kann man einem Han Solo aber auch einen deftigen Mundkuß zutrauen. Betrachtet man die Final-Cut-Philosophie von George Lucas damals, so kam ein Kuß nur zwischen Luke und Leia in Frage.

Das ist für mich der einzige Grund, warum an dieser Stelle ein solch harter Anschluß begangen wurde, der eine an sich einzige, flüssige Bewegung, nämlich das sich Lösen aus der Umarmung, auseinander reißt. Scheinbar gab es kein Bildmaterial, das dazwischen geschnitten werden konnte, was die einfachste Lösung gewesen wäre, um diesen auffallenden Bewegungssprung zu kaschieren: Die Wände müßten stillstehen, die Freude und Bewegungen der Helden müßten übereinstimmen. Vielleicht ist der Anschluß zu „Han & Leias Umarmung“ aber ebenfalls auch nur ein Indiz für die Termindruck-Theorie.

Im BDFC jedenfalls ist dies alles geändert. Nicht geändert hat sich der Inhalt der Sequenz und die Tatsache, daß es wohl kaum einen Betrachter auffallen wird.


Christoph

Als SWUler der 2. Generation ist Christoph seit Sommer 2001 auf Star Wars Union aktiv und übernimmt inzwischen eher Aufgaben hinter den Kulissen. Seine Liebe gehört der Lucas-Saga, dem Dunklen Imperium, der New-Jedi-Order-Buchreihe, der Entstehungsgeschichte des Kriegs der Sterne sowie Jyn Erso.

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