Detail #3: Morgengrauen vor dem Pod-Rennen: Die verstümmelte Version der geschnittenen Szene
Die auf der offiziellen DVD-Veröffentlichung im Bonusmaterial enthaltene „Morgengrauen vor dem Pod-Rennen“-Szene ist weder im Kinofilm noch in der DVD-Spielfilmversion enthalten. Diese nicht verwendete Szene ist, wie schon in meinem Making-Of-Bericht zu THE PHANTOM MENACE – BDFC zu lesen war, in meine Version von EPISODE 1 aufgenommen worden. Doch irgend etwas daran war sonderbar.
Zuerst aber der Szenenverlauf, wie er sich nun im BDFC abspielt:
…nach Darth Mauls nächtlicher Ankunft auf Tatooine und der Entsendung seiner Suchdroiden wird abgeblendet.
Aufblende.
Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, doch der Tag kündigt sich farblich sehr eindrucksvoll an. Der kleine Kitster reitet auf einem Eopie, ein zweites Lasttier befindet sich im Schlepptau, auf R2-D2 und C-3PO zu. Beide Roboter arbeiten diskutierend am fertig aufgestellten Pod-Renner, der sich am Rande der Sklavenunterkünfte befindet. Nur wenige Meter weiter beginnt die endlose Wüste. Rechts, unter einem schmalen Zeltvorbau, sitzt Anakin schlafend an einige Ersatzteile gelehnt. Scheinbar hat er die Nacht mit den Robotern durchgearbeitet.
Padmé kommt hinzu, wechselt ein paar Wörter mit den Droiden und nähert sich Anakin. Behutsam berührt sie ihn am Arm. Anakin erwacht, schüttelt sich kurz.
Padmé: „Deine Mutter möchte, dass du rein gehst und aufräumst. Wir müssen bald aufbrechen.“
Anakin steht auf, geht in Richtung der Triebwerke des Pod-Renners. Sein Freund Kitster begrüßt ihn vom Rücken des Lasttiers aus: „Hallo, Ani.“
Anakin: „Sattel sie auf, Kitster. Ich bin gleich wieder da.“
Anakin wendet sich Padmé zu: „Wo ist Qui-Gon?“
Padmé: „Er und Jar-Jar sind schon aufgebrochen. Sie sind mit Jar-Jar auf der Rennbahn.“
Anakin, schon im Aufbruch nach Hause begriffen, dankt Padmé und verschwindet durch einen Torbogen. Padmé schaut ihm kurz nach, wendet sich dann aus dem Bild.
C-3PO und R2-D2 bleiben im Bild, sie polieren, bzw. lackieren den Pod-Renner.
C-3PO: „R2, bitte sei vorsichtig. Schließlich soll das hier heute der glänzendste Pod-Renner auf der Bahn sein.“
Harter Schnitt zur Rennbahn…
Diese Sequenz enthält keine wesentlichen Aspekte, die die Geschichte vorantreiben. Eher fasziniert sie durch ihre reizvollen Nebensächlichkeiten:
Das romantische Morgengrauen läßt die erste Episode von KRIEG DER STERNE zum Leben erwecken, es ist ja auch der anbrechende Morgen des Schicksalstages von Anakin Skywalker. Ein ganz besonderer Tag für die Galaxis. Mit dem Sieg im Pod-Rennen an Boonta Eve erhebt sich Licht und Schatten Anakin Skywalkers über die Galaxis.
Ganz nebenbei wird die freundschaftliche Beziehung zwischen Anakin und dem wohl gleichaltrigen Kitster weiter ausgebaut.
Ebenso werden hier erstmals R2-D2 und C-3PO so richtig als Gespann gezeigt.
Was mir aber schon immer beim Betrachten dieser Sequenz auffiel, war der sehr steif klingende und gespielte Dialog zwischen Padmé und Anakin. Dazu kam die auf mich leicht verwirrt wirkende Mimik Padmés, ihre verkrampfte Gangart, zum Ende der Szene hin, als Anakin nach Hause läuft und sie den Schauplatz verläßt.
Auf mich wirkte es, als ob Padmé irgend etwas an Anakins Verhalten sonderbar fand. Doch in der Szene war nichts dergleichen zu finden.
Nervte sie der Bengel etwa, mochte sie keine Kinder?
Oder war es nur noch einmal ein Zeichen, wie sehr ihr das dem Jungen entgegengebrachte Vertrauen Qui-Gons mißviel?
Egal wie ich es betrachtete, entweder hatten Darstellerin und Regisseur einen unkonzentrierten Moment oder die gesamte Szene war unausgegoren ins Drehbuch übernommen, gedreht und verworfen worden.
ODER….es fehlte etwas!
Ja, es fehlte womöglich etwas in dieser jetzt veröffentlichten, aber nicht verwendeten Sequenz.
Und tatsächlich, im original Drehbuch zu EPISODE 1 („THE PHANTOM MENACE – Illustrated Screenplay“, Del Rey Books, 1999) ist noch der Teil erhalten, der nicht in der veröffentlichten Version dieser Sequenz enthalten ist:
Padmé geht zu Anakin hinüber. Im Schlaf schaut er sehr verwundbar aus. Sie betrachtet ihn, dann berührt sie ihn an der Wange.
Anakin wacht auf, gähnt, schaut sie leicht verwirrt an.
Anakin: „Du warst in meinem Traum…du hast eine riesige Armee in die Schlacht geführt.“
Padmé: „Ich hoffe nicht; ich hasse kämpfen. Deine Mutter möchte, dass du rein gehst und aufräumst. Wir müssen bald aufbrechen.“
Jetzt erklärt sich, zumindest für mich, Padmés steife Art und ihr verwirrter Ausdruck im Gesicht, nachdem Anakin sich aufgemacht hat, nach Hause zu laufen:
Sie hat Anakins Bemerkungen über seinen Traum noch einmal Revue passieren lassen und sieht sich mit wenigstens zwei befremdlichen Aussagen konfrontiert.
Erstens, wie kommt der Junge darauf, sie – so friedlich und unschuldig wie sie ist – in der Rolle einer Schlachtenlenkerin zu sehen? Gewalt ist ihr doch fremd.
Zweitens, bis zu diesem Zeitpunkt und noch viel später weiß niemand, weder Anakin noch die Jedi, daß sie in Wirklichkeit die Königin von Naboo ist, eben kein Dienstmädchen. Daß sie also wirklich in der Position und in der Lage wäre, eine Armee in die Schlacht zu führen.
Diese paar fehlenden Worte lassen die Morgengrauen-Szene in einem anderen Licht erscheinen. Der nebensächlich wirkende Charakter der Szene wandelt sich schlagartig zu einer visionären Aussage.
Der kleine Anakin Skywalker läßt spüren, daß er wirklich der Auserwählte ist, nicht nur, weil er Pod-Renner erfolgreich steuern kann oder verdeckte Bilder errät (Test im Jedi-Tempel). Spätestens zum Showdown hin wird klar, daß Anakins Vision richtig wahr. Er ist mehr, als nur ein guter Pilot oder Glückspilz.
Das Spekulieren macht natürlich besonders viel Spaß:
Wir wissen, daß Padmé bzw. Königin Amidala strikt gegen Gewaltanwendung ist. Und am Ende führt sie doch eine Armee in den Krieg…
Könnte nicht diese Vision Anakins sie dermaßen beschäftigt haben, daß, nachdem Anakins Fähigkeiten und Qui-Gons Vertrauen in den Jungen sich bestätigten und sich die Ereignisse ungeheuer dramatisch zuspitzten, sie in ihrer verzweifeltsten Stunde der Vision dieses Jungen Vertrauen schenkte?
Hat also erst dieser – uns vorenthaltener – Dialog Padmé bzw. Königin Amidala zu einer Heerführerin gemacht?
Wenn dem so wäre: War nicht Krieg der Schlüssel zur alleinigen Macht für Palpatine und hat somit Anakin passiv schon zu diesem frühen Zeitpunkt das Leichentuch der Dunklen Seite der Macht über die Galaxis gelegt?
Wäre Palpatine jemals Imperator geworden, hätten sich je die Dinge so für ihn entwickelt, wenn sich Padmé bzw. Königin Amidala ihrer ursprünglichen Maxime, nämlich niemals Krieg zu führen, treu geblieben wäre?
Ist Padmé die eigentlich Schuldige am KRIEG DER STERNE, hat sie sich nicht für Krieg entschieden, hat sie sich nicht von Senator Palpatine zu einem Mißtrauensvotum gegen Kanzler Valorum bewegen lassen, hat sie nicht den Jedi-Padawan Anakin Skywalker „vom rechten Weg abgebracht“, mit ihm ein Verhältnis angefangen und ihn heimlich geheiratet? Bei all diesen Fragen haben Padmé anfänglich schwere Zweifel daran gehindert, gegen ihre Überzeugung zu handeln, bis sie sich schließlich bewußt gegen ihre Zweifel entschieden hat.
Padmé bzw. Königin Amidala, die immer ehrenvoll handelt, das Gute verkörpert, sich aufopfert, sie ist nach Außen hin im Vergleich zu Anakin, der im Verlauf der Episoden I bis III offenkundig zur Dunklen Seite der Macht wechselt, die Jedi und den Frieden zerstört, die Unschuldige.
Doch könnte es sein, daß nicht Anakin sondern Padmé die wirklich tragische Figur in den Prequels ist?
Eine restaurierte, komplette Morgengrauen-vor-dem-Podrennen-Sequenz wäre ein Kleinod, das die Tragik und den Handlungskomplex zwischen dem alles entscheidenden Schicksals-Trio Anakin – Padmé – Palpatine versteckt vorantreiben würde.




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