Detail #5: „Die uns ausrauben und verhauen!“: Die etwas andere Fassung im BDFC
In Detail #4 wurde schon die Szene mit Jar Jars Äußerung „Die uns ausrauben und verhauen!“ beschrieben. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, daß auch hier im BDFC etwas entfernt und umgeschnitten wurde. Hier noch einmal die BDFC-Version:
Ein belebter Straßenzug in Mos Espa. Der Sandsturm ist vorüber, alles geht seinen gewohnten Gang.
In einem seitlich versteckt gelegenen Gewölbegang unterbricht Jar Jar Qui-Gons, Padmés und R2s Tatendrang.
Jar Jar: „Nicht wieder! Nicht wieder. Die uns ausrauben und verhauen!“
Qui-Gon: „Unwahrscheinlich. Wir besitzen nichts von Wert. Das ist unser Problem.“
Daraufhin verlassen die vier Helden die dunkle Seitenstraße und überqueren den hellen, belebten Platz in Richtung Wattos Werkstatt. Vor dem Eingang bremst Padmé Qui-Gon.
Padmé: „Seid Ihr sicher, daß das richtig ist? Unser Schicksal einem Jungen anzuvertrauen, den wir kaum kennen? Das wird der Königin nicht gefallen.“
Qui-Gon: „Die Königin muß es nicht erfahren.“
Padmé (trotzig): „Mir gefällt es nicht!“
Qui-Gon betritt Wattos Werkstatt, um diesen dazu zu bringen, sich auf die Wette mit dem Pod-Rennen einzulassen, obwohl er zuvor schon bei Watto mit seinen Macht-Manipulationen abgeblitzt war, dieser zu keinem Geschäft bereit war. Nun versucht Qui-Gon, ohne Macht-Trick Wattos Gier so zu leiten, daß dieser sich doch auf ein Geschäft – in diesem Fall die Wette – einläßt, damit die Helden der Republik ihre Chance haben, die nötigen Ersatzteile in ihren Besitz zu bringen, um endlich Tatooine verlassen zu können.
(…)
Da im BDFC etliche Sequenzen entfernt bzw. in ihrer chronologischen Abfolge umgestellt wurden, wollte ich in dieser Szene auch den Dialog zwischen Jar Jar und Qui-Gon anpassen.
Die optische, chronologische Veränderung im BDFC besteht u.a. darin, daß nach Jar Jars Unterhaltung mit Qui-Gon im versteckt gelegenem Gewölbegang nicht mehr wie im Original der Besuch auf dem Markt und die daraus resultierende Prügelei Jar Jars mit Sebulba folgt. Diese komplette Markt-Szene – inklusive Prügelei und Anakins Einschreiten, um Jar Jar vor Schlimmerem zu bewahren – wurde vollständig herausgeschnitten und erscheint nicht im BDFC. Stattdessen folgt der oben erwähnte zweite Besuch Qui-Gons in Wattos Werkstatt.
Im Original spricht Jar Jar folgende Sätze:
Jar Jar: „Nicht wieder! Nicht wieder. Die Wesen, die hier wohnen, durchgeknallert! Die uns ausrauben und verhauen!“
Die hervorgehobene Äußerung Jar Jars wirkt wirr und ungerechtfertigt. Im Original liegt chronologisch vor dieser Äußerung nur der erste Besuch in Wattos Laden. Hierbei hat sich nichts ereignet, das aus Jar Jars Sicht die Bewohner Mos Espas als verrückt oder durchgeknallt gelten lassen würde.
Läge die Prügelei mit Sebulba zeitlich vor dieser Äußerung, wäre es nachvollziehbar: Jar Jars Erfahrung mit der von ihm ungewollten Prügelei und für ihn unverständlichen Aggressivität Sebulbas könnte durchaus von seinem Standpunkt gesehen die Bewohner Mos Espas als durchgeknallt erscheinen lassen. Man sollte sich daher lieber nicht in ihre Mitte begeben oder in zwielichtigen Stadtteilen arglos umherwandern. Somit würde Jar Jar mit seiner Aussage Qui-Gon raten, sich nicht noch einmal in dieser Gegend sehen zu lassen.
Egal, wie viel man auch spekulieren mag, im Original hat Jar Jar zu diesem Zeitpunkt keinen Grund, so voreingenommen über die Einheimischen zu denken. Die Äußerung ist aus erzählerischer Sicht wirr und nicht nachvollziehbar.
Im BDFC liegt vor dieser Äußerung u.a. das Essen bei Skywalkers. Dort wird über die auf Tatooine praktizierte Sklaverei, über die Gier der Bewohner, deren Faszination für gnadenlose Pod-Rennen und die Gleichgültigkeit gegenüber der Republik gesprochen. Aus diesem Kontext heraus könnte Jar Jar schließen: „Die Wesen, die hier wohnen, durchgeknallert!“
Doch nach allem, was er bereits mit den Jedi und der aggressiven Handelsförderation durchgemacht hat, dürften ihn die bisherigen Vorkommnisse auf Tatooine auch nicht so außergewöhnlich verrückt erscheinen.
Daher hatte ich zuerst im Sinn, den Dialog zwischen Jar Jar und Qui-Gon im versteckten Gewölbegang vollständig zu entfernen, die Szene komplett entfallen zu lassen. Einige Zeit hatte ich sogar diese Lösung im BDFC so umgesetzt. Doch während der Arbeit an weiteren Änderungen zu EPISODE 1 kam mir immer wieder diese kurze Gewölbe-Szene mit ihrer, wie ich finde, tollen Mos-Espa-Atmosphäre in die Finger. Da im BDFC Jar Jar auch einen ernsteren, mit den anderen Figuren verglichen auch gleichwertigeren Charakter bekommen sollte, gefiel mir Jar Jars kritische Äußerung Qui-Gons Vorhaben gegenüber immer mehr.
So kam der Tag, an dem ich die Gewölbe-Szene wieder einsetzte und mir klar wurde, daß ein Schnitt das Problem mit Jar Jars wirren Kommentar lösen konnte. Ich entfernte den Satz „Die Wesen, die hier wohnen, durchgeknallert!“
Jar Jar sagt also nun im BDFC: „Nicht wieder! Nicht wieder. Die uns ausrauben und verhauen!“
Die Aussage Jar Jars – im BDFC vom ungerechtfertigten Vorwurf der Durchgeknalltheit der ansässigen Bewohner befreit – zielt meiner Einschätzung nach nun auf Folgendes ab:
Da Qui-Gon schon einmal und dazu noch mit einem hinterhältigen Macht-Trick bei Watto gescheitert ist (Watto sollte gezwungen werden, Republikanische Kredits als Währung für den Kauf eines Hyperantrieb-Motivators zu akteptieren), fürchtet Jar Jar, daß sie als Fremde in dieser Welt nicht sehr freundlich von den Einheimischen behandelt würden, wenn zum zweiten Mal ein ähnlich manipulativer Versuch – die Wette mit dem Pod-Renner Anakins – scheitern und ans Tageslicht kommen sollte: Der Pod-Renner gehört nicht Qui-Gon, sondern Anakin. Da dieser ein Sklave Wattos ist, gehört auch Anakins Habe und somit der Pod-Renner von vorne herein Watto. Wenn Qui-Gon also behauptet, er habe einen Pod-Renner, den Anakin fahren könnte, bei einem Glücksspiel gewonnen, so lügt er und betrügt wissentlich Watto. Betrug beim Glücksspiel wurde schon im Wilden Westen auf der Erde gnadenlos bestraft, wie würde das dann erst auf Tatooine unter der Herrschaft der Hutts geahndet werden? Jar Jars Befürchtungen „ausgeraubt und verhauen“ zu werden sind mehr als berechtigt, wahrscheinlich sogar untertrieben. Es würde wohl viel schlimmer kommen. Qui-Gon sieht das natürlich alles gelassener: „Unwahrscheinlich.“ Zum einen hat er, das Thema „Ausrauben“ betreffend, recht: Sie besitzen nichts, was jemanden reich machen könnte. Zum anderen, was das „Verhauen“ angeht: Nun, er ist ein Jedi…
So beinhaltet der BDFC an dieser Stelle eine etwas andere Fassung, eingebettet in massive chronologische Änderungen der Handlungsabläufe dieses STAR-WARS-Abenteuers. Im Grunde wird aber die gleiche Geschichte erzählt.
Und Sebulba? Verliert er nicht durch die fehlende Prügelszene an negativer Ausstrahlung? Im BDFC-Podrennen bleibt genügend Bösartigkeit für ihn übrig. Dort wird ihm auch sein endgültiges Schicksal treffen…




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