DIE ENTSCHEIDUNG
Aber das macht ja gerade meine Beschäftigung mit der Materie aus: Daß ich den Film so gestalte, wie ich ihn gerne hätte. Darum heißt meine Version eben BERND DÖTZERs FINAL CUT. Es ist meine Sicht der Dinge, niemand anderem als mir muß es gefallen. Andererseits sollen auch meine Versionen theoretisch den Geschmack des durchschnittlichen STAR-WARS-Fans treffen, sonst würde es ja bedeuten, ich hätte mich zu weit von der STAR-WARS-Magie entfernt.
Was sollte ich tun?
In vielen Wettkämpfen, die ich als Spieler und Trainer beim Volleyball und Gewehr-Schießen absolviert habe, hat sich eine mentale Einstellung oftmals als entscheidend für Sieg oder Niederlage gezeigt: Die Fähigkeit, in wettkampfentscheidenden Momenten einen gesunden Egoismus zu entwickeln. Dann bin ich niemandem anders als mir selbst verantwortlich. Das entbindet mich von Zweifeln und hilft Dinge zu tun, von denen ich überzeugt bin, dass sie zum Ergebnis führen, wenn sie konsequent durchgeführt werden. Das „gesund“ bedeutet: Der Egoismus ist nur in der Wettkampfsituation anzuwenden, eingebunden in das gemeinsame Ziel einer Mannschaft. Er soll keinem anderen Schaden, vielmehr allen beteiligten Gewinn bringen.
Beim Schneiden – genau zu diesem Zeitpunkt – stand ich auch vor einer solchen Situation, in der ein gesunder Egoismus vielleicht zum besten Ergebnis führen würde.
Somit fällte ich meine Entscheidung – und die lautete:
Ich schneide die Tauch-Szene und die gesamte Sequenz, die in der Unterwasser-Stadt spielt, aus dem Film heraus. Das gefällt mir so und gibt den Weg frei für eine wirklich ernste und kompakte Version von THE PHANTOM MENACE, was ja hypothetisch auch ein Herzenswunsch für so manchen Fan sein könnte. Eine gesund-egoistische Entscheidung eben.
Die Folge dieser Entscheidung war, dass natürlich die zwei Sequenzen mit den Unterwasser-Monstern überflüssig wurden, da die Helden ja nichts mehr mit dem Schauplatz unter Wasser in der BDFC-Version zu tun hatten. So fielen auch diese dem Schnitt zum Opfer. Da mir bei meinen Kinobesuchen diese Sequenzen so wie so nicht recht ins Bild eines STAR-WARS-Films passten, weinte ich ihnen auch keine Träne nach. Es gab ja noch die offizielle Version, die ich mir in den Momenten ansehen konnte, wenn ich Lust darauf hätte.
DIE ÜBERPRÜFUNG
Doch wie stand es mit den fünf Punkten, die diese im BDFC nun fehlende Unterwasser-Sequenz vorbereiten sollte? War es dramaturgisch machbar, die Geschichte auch ohne diese Sequenz logisch zu einem guten Ende zu bringen?
Zu Punkt 1, dem Wasserfahrzeug für unsere Helden:
Nachdem ich die auf der DVD vorhandene und im Originalfilm geschnittene Wasserfall-Sequenz in den BDFC einsetzte, fehlt auf den ersten Blick der Zusammenhang, da unsere drei Helden ja nichts mehr mit der Unterwasser-Stadt zu tun haben und nun aber mit einem Unterwasser-Vehikel vor der Stadt auftauchen und vom Sog des Wasserfalls erfasst werden.
In der fertigen BDFC-Version schwört dies aber keine Erklärungsnot herauf. Die Szenen-Abfolge stellt sich darin so dar:
Im Wald auf Naboo, nach dem Angriff der zwei Kampf-Droiden auf ihren fliegenden STAPS, versetzt Qui-Gon Jar Jar mit der Äußerung in Schrecken, dass noch mehr Droiden auftauchen könnten und sie besser von hier verschwinden sollten. Der erschreckte Jar Jar wiederholt: „Mehr? Mehr Ihr gesagt haben?“ und verlässt wie die beiden Jedi das Bild.
– Schnitt –
Eine Szene auf dem Schiff der Handelsförderation und der Einmarsch der Droiden-Armee in die Hauptstadt auf Naboo folgen.
– Schnitt –
Nun spielt sich die beschriebene Wasserfall-Sequenz ab.
Es wird also gar nicht angesprochen, dass es eine Unterwasser-Stadt gibt und dass die Helden diese ansteuern wollen. Dadurch läßt sich aus meiner Sicht eine ganz einfache Erklärung für das nun auftauchende Unterwasser-Fahrzeug und die Begleitung durch Jar Jar finden: Jar Jar besitzt als Einheimischer natürlich ein planetentaugliches Vehikel und bringt damit die beiden flüchtenden Jedi, bei einem steht er ja in seiner Schuld, an ihr Reiseziel. Daß es von Obi-Wan gesteuert wird, mag an Jar Jars noch andauerndem Schock ob der Ereignisse liegen, oder weil Obi-Wan einfach scharf darauf war, dieses ungewohnte Fortbewegungsmittel selbst zu lenken.
Punkt 1 ist also kein Problem. Die fehlende Unterwasser-Stadt bedeutet für den BDFC keinen Abriß der Verständlichkeit und die Funktion der Geschichte bleibt erhalten, da die Helden nun ihr Ziel, die Hauptstadt, dank Jar Jar erreichen.
Zu Punkt 2, Jar Jars Beweggründe:
Wie gerade erwähnt, steht er in einer Schuld. Daß er es ernst meint mit der Lebensschuld, sieht man daran, dass er die beiden Jedi in die Hauptstadt bringt. Die nun folgende Wasserfall-Sequenz stärkt gleich die Bindung des Trios, denn es gilt einen gefährlichen Moment gemeinsam zu überstehen.
Im BDFC erscheint Jar Jar nicht als der Tollpatsch. Ich habe die Szene gekürzt, in der er zum ersten Mal Qui-Gon begegnet und mit ihm spricht. Nun fehlt Qui-Gons Äußerung Jar Jar gegenüber, dass er ihn für Schwachsinnig hält. Dadurch wird die Figur Jar Jars viel ernstzunehmender gezeichnet. Dies unterstützt der BDFC auch im weiteren Verlauf, da fast sämtliche Missgeschicke Jar Jars entfallen. Selbst wenn Jar Jar seine Lebensschuld nicht zu ernst nehmen würde – Qui-Gon sagt ihm auch im BDFC, dass er auf Jar Jars Lebensschuld nicht zurückgreifen möchte, dieser also frei sei – hätte er ja keine andere Möglichkeit gehabt, als den Jedi-Rittern ab der Hauptstadt zu folgen, denn sein Unterwasser-Fahrzeug wurde ja durch den Wasserfall zerstört und er konnte sich nur knapp ans Ufer zu den Jedi retten. Auch die folgenden Umstände zwangen im Prinzip Jar Jar dazu, sein Glück zusammen mit den Jedi zu suchen. In einem Gespräch mit Padmé legt er später dar, dass er eigentlich wie die Jungfrau zum Kind und ohne großes eigenes Zutun in diese Situation gekommen sei.
Jar Jars Teilnahme am großen Abenteuer EPISODE 1 – BDFC ist also logisch abgesichert.
Zu Punkt 3, der „Macht“-Unempfindlichkeit von Boss Nass:
In der Unterwasser-Stadt wendet Qui-Gon dreimal die „Macht“ an Boss Nass an, was ganz unscheinbar durch eine Handbewegung des Jedi zum Ausdruck gebracht wird. Das erste Mal möchte Qui-Gon Boss Nass dazu bringen, ihn und Obi-Wan rasch aufbrechen zu lassen. Boss Nass gewährt sofort. Sogleich folgt der zweite Streich und Qui-Gon möchte Boss Nass ein Transportmittel entlocken. Der Unterwasser-Boss willigt sofort ein, ein „Bongo“ soll es nach Boss Nass Aussage sein und der schnellste Weg wäre der durch den Planetenkern. Qui-Gon setzt noch eins nach und befreit mit der „Macht“ scheinbar Jar Jar, da Boss Nass auch diesen an Qui-Gon übergibt. Jedoch hat sich Jar Jar schon sehr über die Äußerungen von Boss Nass gewundert und gleich erkannt, dass Boss Nass die Jedi hereinlegen möchte. Nach dem die Fahrt mit dem „Bongo“ durch den Planetenkern alles andere als sicher verläuft, wird klar, dass der Unterwasser-Boss nicht von der „Macht“ geistig beeinflusst werden kann.
Diese Erfahrung fehlt natürlich im BDFC. Wichtig wird dies eigentlich, als die Verhandlung zwischen Königin Amidala und Boss Nass über ein gemeinsames Bündnis ansteht. In einem Gespräch mit Obi-Wan, das auch im BDFC enthalten ist, erwähnt Qui-Gon, daß es nicht leicht sein wird, die Gungans zu überzeugen und daß sie mit ihrer „Macht“ der Königin dabei nicht helfen können. Im Original ist klar, warum sie ihr nicht helfen können, weil eben Boss Nass nicht beeinflusst werden kann.
Im BDFC kann dagegen eine ganz einfache und naheliegende Erklärung aus Qui-Gons Worten „…und wir können ihr mit unserer Macht nicht helfen“ abgeleitet werden:
Qui-Gon kann doch nicht eine Spezies in den Krieg treiben, wenn diese es nicht will. Das wäre dem verantwortungsvollen Charakter eines Qui-Gon nicht würdig und vielleicht verbietet es ja auch der Jedi-Kodex…
Diese einleuchtende Erklärung liegt für mich auf der Hand. Ein Wegfall der Unterwasser-Sequenzen würde daher keine Erklärungslücke bezüglich Punkt 3 erzeugen.
Zu Punkt 4, der Kampf mit den obligatorischen Monstern:
Im BDFC fehlt dieser Kampf mit den Monstern. Doch deswegen ist EPISODE 1 – BDFC durchaus eine würdige STAR-WARS-Version, da die ganze Atmosphäre den klassischen Filmen (EPISODE 4-6) nahe kommt und z.B. in EPISODE 4 auch nicht viel von Monstern zu sehen war, das größte der bösen Monster, gegen das die Helden kämpfen mussten, war die Dia Noga in der Müllpresse, von der man nur ein Auge und einen Greifarm zu sehen bekam.
Wie in jedem STAR WARS, haben die Monster mit dem Leitfaden der Geschichte nichts zu tun und durch das Pod-Rennen und den abschließenden Endkampf ist die Action gut auf den Film verteilt und die dunklen Sith-Lords lassen genug Grusel aufkommen, so dass es auch ohne echte Monster geht.
So fehlt dem BDFC ohne Unterwasser-Monster kein wirklich alles entscheidender Faktor, der einen KRIEG DER STERNE ausmacht.
Zu Punkt 5, die Rivalität zwischen den Menschen von Naboo und den Gungans:
Das Rivalitäts-Thema wird in der Originalfassung, die Unterwasser-Sequenz geht ja deutlich darauf ein, zu breit getreten und wirkt übertrieben, da bei der Versöhnungs-Szene Boss Nass doch recht schnell davon zu überzeugen ist, mit den Naboo gemeinsame Sache zu machen – auch wenn eine Geste der Demut von Naboos Königin ein starkes Argument sein mag.
Diesen Kniefall der Königin finde ich übrigens Klasse. Es ist eine tolle Anspielung auf den Kniefall Willy Brandts, der damals als Bundeskanzler sinnbildlich für alle seine Landsleute um Vergebung bat. Es gibt diesen mutigen Kniefall also wirklich, ein geschichtliches Vorbild.
Im BDFC ist genügend Material geblieben, das den Konflikt beider Völker verdeutlicht:
Die Tatsache, dass Gungans und Naboo nichts voneinander halten, spricht der Chef der Unterwasserwelt zu Beginn der Verhandlung mit der Königin selbst an. Schon vorher, als sich Jar Jar und Padmé gegenseitig auf dem Naboo-Schiff vorstellen, schimmert durch, daß beide Naboo-Bewohner über die jeweils andere Spezies nicht viel wissen. Auf Coruscant erwähnt sogar Jar Jar gegenüber Königin Amidala, dass seiner Meinung nach die Menschen auf Naboo die Gungans nicht mögen, weil die Gungans Kämpfer sind und eine große Armee unterhalten.
Auch im BDFC wird also auf die bestehenden Ressentiments zu genüge eingegangen, so daß die gestörte Interaktion beider Parteien nachvollziehbar erscheint.
Die Überprüfung der fünf fraglichen Punkte hält der BDFC nach meiner Meinung eindeutig stand. Somit war für mich klar, dass das Entfernen aller Unterwasser-Sequenzen keine inhaltlichen Probleme nach sich zog und eine richtige Entscheidung war.
Doch keine Bange, die Unterwasser-Stadt lebt auch im BDFC:
Die Vertreter der Handelsförderation und Darth Sidious fangen ja Gerüchte bezüglich ominöser Unterwasser-Städte der „Primitiven“ auf. Im späteren Filmverlauf, vor der abschließenden Schlacht, sucht Jar Jar die Unterwasser-Stadt nochmals auf, der Zuschauer bleibt aber wie Qui-Gon, Padmé und die anderen Naboo wartend am Ufer zurück.
So existiert die Unterwasser-Stadt dennoch im BDFC, als geheimnisvoller Ort der Phantasie.




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