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Dark Empire: Das dunkle Imperium

Ein beispielloser Verkaufserfolg, ein Werk mit einer einzigartigen Bildgewalt, und eine Sequelgeschichte, die das Szenario der Klassischen Trilogie tatsächlich weiterentwickelte: All das und mehr war Tom Veitchs Dark Empire. Wir blicken zurück auf ein Meisterwerk des Erweiterten Universums.
Dave Dormans Titelbild zu Dark Empire© Lucasfilm

Kein bloßes Sequel, sondern eine epische Vertiefung der Saga

Die Geschichte von Dark Empire begann in einer für Fans leblosen, hinter den Kulissen aber äußerst lebhaften Phase der Star-Wars-Geschichte: Ende der 1980er Jahre, über 5 Jahre nach dem Kinostart von Die Rückkehr der Jedi-Ritter, war das öffentliche Interesse an der Saga im Schwinden begriffen. Ohne neuen Kinofilm stagnierten die Einnahmen aus Ablegerprodukten wie Comics und Actionfiguren, und die TV-Produktionen der 80er – die Zeichentrickserien um die Droiden C-3PO und R2-D2 sowie die Ewoks-Serie und die beiden Ewok-Realfilme – hatten die epischen Aspekte der Saga eher in den Hintergrund treten lassen, um die Kinderfreundlichkeit des Kriegs der Sterne hervorzuheben.

Bei Lucasfilm hatte man zu diesem Zeitpunkt offenbar erkannt, dass in naher Zukunft nicht mit den von George Lucas während der 80er immer wieder erwähnten Filmen zur Vorgeschichte der Star-Wars-Trilogie zu rechnen war. Lucas selbst hatte sich nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter weitestgehend aus dem aktiven Geschäft zurückgezogen, sich auf seine Familie konzentriert und neue Projekte, darunter zwei Fortsetzungen zu Indiana Jones, nur angestoßen, aber nicht mehr sonderlich aktiv selbst umgesetzt. Die Spezialeffekttechnik der 80er Jahre hielt er zudem nicht für ausreichend, um seine Vorstellungen für eine zweite – und je nach Tageslaune auch eine dritte – Star-Wars-Trilogie umzusetzen.

Doch bei Marvel-Comics glaubte Herausgeber Archie Goodwin nach wie vor an Star Wars: Zusammen mit dem Comic-Autor Tom Veitch und Zeichner Cam Kennedy schrieb Goodwin einen Brief an George Lucas, in dem sie einen neuen, bahnbrechenden Star-Wars-Comic vorschlugen. Lucas reagierte mit einer Bitte um Arbeitsproben und gab danach grünes Licht für den Neustart von Star Wars in Comicform.

Doch bis die Verhandlungen zu den genauen Konditionen der Zusammenarbeit abgeschlossen und ein endgültiges inhaltliches Konzept entwickelt war, verging fast ein Jahr, in dem Marvel die Star-Wars-Lizenz verlor, und ein neuer Comicverlag, Dark Horse, die Bühne betrat. Dieser wiederum ging mit Star Wars ein hohes Risiko ein, wie sich Tom Veitch später erinnerte:

„Ich weiß noch, wie damals einer aus der Comicbranche zu mir sagte: Warum willst du Star Wars machen? Star Wars ist tot!’“ Und das war keine Einzelmeinung, wie sich auch der spätere Titelbild-Illustrator von Dark Empire, Dave Dorman, erinnerte: „Es gab damals ein riesiges Vakuum an Produkten für die Star-Wars-Fangemeinde, denn seit den frühen 80er Jahren bis 1990 hatte [Kenner] die Produktion neuer Star-Wars-Spielzeuge eingestellt, Marvel brachte keine Comics mehr heraus, und es gab auch keine Romane in den Buchhandlungen“.

Das alles endete am 25. September 1989, als Tom Veitch sein 50seitiges Konzept für eine 144 Seiten lange Comic-Geschichte einreichte, die von Cam Kennedy illustriert und in 3, jeweils 48 Seiten langen Ausgaben veröffentlicht werden sollte.

Eine frühe Vorab-Ankündigung von Dark Empire stellte die neue Lage in der Galaxis vor: Die Rebellenallianz hat sich neu aufgestellt und ist ins Herz der Galaxis vorgestoßen, Leia und Han haben geheiratet, Luke ist ein vollwertiger Jedi-Ritter, der neue Jedi ausbildet, und die Anhänger des Imperators und die Mächte der Finsternis sind nach wie vor stark in der Galaxis vertreten.

Veitch interessierte sich in seinem Konzept vor allem für die mythologischen und moralischen Aspekte von Star Wars. Wie in allen großen Geschichten sind Schauplatz und Charaktere eng miteinander verbunden – und im Fall von Star Wars schien es Veitch, als hätte George Lucas sein fiktives Universum geschaffen, um die spirituelle Entwicklung eines Individuums zu erforschen.

Da es in der klassischen Trilogie darum ging, dass Luke Skywalker seine Verbindung zur guten (oder hellen) Seite der Macht annimmt und dadurch seinen bösen Vater erlöst, war Veitch der Meinung, dass der nächste logische Schritt darin bestehen würde, dass Luke durch den korrumpierenden Einfluss der ultimativen Macht des Bösen in Versuchung geführt wird. Dies erinnert an viele der großen Mythen und an biblische Geschichten, in denen sich ein Held in die tiefsten Regionen der Dunkelheit wagen muss, um das Licht vollständig zu begreifen und sich ihm anzuschließen.

„Die Hauptinspiration stammt von C.G. Jung, der rät, den Schatten zu integrieren, da dies für das persönliche Wachstum notwendig ist. Die heroische Position einzunehmen, die Bösen endlos zu bekämpfen, führt nur zu Stillstand … und sogar zur Niederlage. Meiner Meinung nach besaßen sowohl Obi-Wan als auch Yoda geheimes Wissen über die dunkle Seite”, beschrieb Veitch seinen Ansatz.

„Die Geheimnisse der dunklen Seite”, so schrieb Veitch damals an Lucasfilm, „müssen assimiliert werden, damit die dunkle Seite endgültig besiegt werden kann. Andernfalls gibt es nur endlose Kämpfe, endlose Kriege und zahllose Tote. Hier arbeiten wir mit dem Prinzip, das in der Jungschen Psychologie als Integration des Schattens beschrieben wird.”

Schaue in Deinen Feind hinein und lerne endlich, dass er einen Aspekt von Dir selbst in sich trägt.

„Diese einfache Idee ist der Schlüssel zu dem, was ich zu erreichen versuche. Sie ist in den Filmen und in der Beziehung zwischen Luke und seinem Vater enthalten. Letztendlich muss sie sich in Lukes Beziehung zum Imperator – und zur dunklen Seite – als wahr erweisen.”

Dieses Ziel einer spirituellen Vertiefung von Luke steckt überall in Dark Empire, und das nicht nur in der Person Luke Skywalkers, sondern tatsächlich in allen zurückkehrenden Figuren, Organisationen und Schauplätzen aus der klassischen Trilogie. Alles hat sich verglichen mit Die Rückkehr der Jedi-Ritter weiterentwickelt. Luke ist am Anfang von Dark Empire entsprechend ein vollwertiger Jedi, männlich und kampferprobt, Han und Leia sind verheiratet, doch der endlose Krieg hat ihnen wenig Zeit gelassen, ihre Beziehung zu genießen, oder wie Veitch es beschrieb:

Es vergehen für sie immer wieder Monate, in denen sie sich überhaupt nicht sehen, und die kurzen Wiedersehen sind dann intensiv und leidenschaftlich. Sie lieben einander sehr.

Eine besondere Weiterentwicklung schuf Veitch für Leia: Ihre Kräfte haben sich unter Lukes Anleitung deutlich weiterentwickelt, auch wenn sie nach wie vor kein Lichtschwert führt. „Mein Plan war es, Leia mehr intuitive und mentale oder übersinnliche Kräfte zu geben, als die sportlichen Fähigkeiten, die Luke gezeigt hat”, so Veitch später.

Und: Von vornherein wollte Veitch, dass Leia in Dark Empire ein Kind zur Welt bringt, das Anakin heißen sollte.

Meine Idee war, ihn Anakin zu nennen, weil er sowohl die hellen als auch die dunklen Aspekte des Skywalker-Geschlechts verkörpert und in seinem Leben unter großen inneren Konflikten leidet. Wie sich später herausstellte, hatten Lawrence Kasdan und J. J. Abrams ähnliche Vorstellungen für den Sohn von Han und Leia in Star Wars: Das Erwachen der Macht. Meine Idee war, dass die helle Seite in Anakin nach inneren Kämpfen zwischen den beiden Seiten seines Wesens die Oberhand gewinnen würde.

Gegen diese reifer gewordenen Helden sollten die überlebenden oder möglicherweise überlebenden Schurken der klassischen Star-Wars-Trilogie ins Feld ziehen:

Unsere Idee war es, auf der enormen Präsenz aufzubauen, die der Imperator, Jabba der Hutte und Boba Fett bereits in der Vorstellungswelt der Leser hattet. Anstatt dass eine neue Figur versucht, Luke zur Dunklen Seite zu bekehren, wollten wir zeigen, dass die Essenz der Dunklen Seite – der Imperator – immer noch lebt und mächtiger ist als je zuvor.


Christoph

Als SWUler der 2. Generation ist Christoph seit Sommer 2001 auf Star Wars Union aktiv und übernimmt inzwischen eher Aufgaben hinter den Kulissen. Seine Liebe gehört der Lucas-Saga, dem Dunklen Imperium, der New-Jedi-Order-Buchreihe, der Entstehungsgeschichte des Kriegs der Sterne sowie Jyn Erso.

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