
In der künstlerischen Abteilung von JAK Films [der Produktionsabteilung von Lucasfilm, die nach George Lucas‘ Kindern Jett, Amanda und Katie benannt war, Anm. d. Red.] beginnt die Magie von Star Wars Wirklichkeit zu werden, nachdem sie der Phantasie von George Lucas entsprungen ist. In der Vorproduktionsphase eines Star-Wars-Films herrscht hier reges, kreatives Treiben unter den Mitarbeitern, die Designchef Doug Chiang persönlich ausgesucht hat, um die Drehbücher der neuen Star-Wars-Trilogie zum Leben zu erwecken. Hier holen die exotischen Kreaturen zum ersten Mal Luft, hier zeigen die erstaunlichen Fahrzeuge und Raumschiffe erstmals, was in ihnen steckt, wenn sie von der Ideenskizze zum Modell oder zur Skulptur und oft sogar vorzeitig in Form von Animatics auf die Leinwand gezaubert werden. Die künstlerische Abteilung ist das eigentliche Herz des Star-Wars-Universums.
Die Arbeitsweise der Abteilung ist ziemlich unkompliziert. „Wir sind hier, um George Lucas‘ Ideen Wirklichkeit werden zu lassen“, erklärt Chiang seinen Auftrag. „George gibt uns seine Ideen und wir beginnen dann mit dem Zeichnen und Malen. Sobald ein Entwurf grünes Licht erhalten hat, versuchen wir, ihn in irgendeiner Form dreidimensional umzusetzen: Als Modell, Skulptur, Schaumstoff- oder Pappstudie, auf jede Weise eben, die den Entwurf der Realität einen Schritt näher bringen kann. Das ist wichtig, weil wir so viele Fragen zu dem zu entwerfenden Element beantworten können, aber auch auf völlig neue Fragen stoßen“, meint Chiang lachend. „Danach arbeiten wir mit George zusammen, um den Entwurf zu verfeinern, bis er genau seinen Vorstellungen entspricht. Und dann fangen wir mit einem anderen Element wieder von vorne an.“

So wie die Grafikabteilung an mehreren Entwürfen gleichzeitig arbeitete, waren auch die verschiedenen Unterabteilungen innerhalb der Künstlerischen Abteilung in einer Art kreativem Multitasking tätig. „In der Hitze des Gefechts entwerfen die einen etwas, die anderen bauen Modelle und wieder andere erstellen grobe Versionen davon, wie das Endergebnis auf dem Bildschirm aussehen wird”, erzählt Chiang. Auch wenn die Zeichnungen notwendigerweise vor den Modellen und die Modelle vor den Animatics kommen, holen die verschiedenen Schritte des kreativen Prozesses einander bald ein und existieren im selben Zeitrahmen nebeneinander. „Jeder ist autark“, so Chiang und erklärt, dass seine Rolle darin besteht, die anderen Künstler anzuleiten, anstatt ihnen bei jedem Schritt zuzusehen. „Jeder weiß, was er zu tun hat, und das macht er dann auch“, fügt Chiang hinzu.
Das Animatics-Team arbeitet nicht bei ILM, sondern direkt in der Künstlerischen Abteilung. „Die Animatics wurden bei uns hier erstellt“, erklärt Blake Tucker, Koordinator der Abteilung, „zusammen mit den letzten Aufnahmen, an denen das Animatics-Team gegen Ende der Postproduktion gearbeitet hat. Diese Leute arbeiten in unserem Rechenzentrum: Hier haben wir, abgesehen von Industrial Light & Magic drüben, die meiste Rechenleistung.“

„Ich habe sehr eng mit dem Animatics-Team zusammengearbeitet“, sagt Doug Chiang. „Ich habe ihnen nicht einfach nur einen Entwurf gegeben und bin dann weggegangen, denn sie müssen im Laufe ihres Prozesses viel Interpretationsarbeit leisten. Deshalb verfolge ich ihre Arbeit gerne genau und leite zusammen mit ihrem direkten Chef David Dozoretz die Entwicklung der Animatics.“
Für die Animatics, andere Vorvisualisierungsprozesse wie das Compositing mit niedriger Auflösung, gelegentliche Vervollständigungen von Aufnahmen sowie Titel und Untertitel werden Computer verwendet. Mehr Technik aber findet sich hier nicht: Die gesamte Designarbeit wird von Hand am traditionellen Zeichenbrett erledigt.
Bevor neue Designelemente den Sprung in die digitale Welt des Animatics-Teams schaffen, müssen sie zu physischen Formen verarbeitet werden, die zu Referenzzwecken manipuliert und zueinander positioniert werden können. Robert Barnes und Ellen Lee waren zwei der dafür verantwortlichen Künstler. „Robert war unser Maler und Bildhauer“, erklärt Tucker. „Nachdem ein Entwurf auf einem flachen Medium visualisiert worden war, versuchte Robert, ihn in dreidimensional zum Leben zu erwecken.“

Ton, Plastik, Styropor – Barnes verwendete alles, was ihm die gewünschten Ergebnisse lieferte. Ellen Lee tat dasselbe mit Kulissen, wobei sie leichte, stabile Materialien wie Schaumstoff und Pappe verwendete, um Miniaturversionen mehrerer der im Drehbuch geforderten Umgebungen zu konstruieren. Lee half auch bei der Gestaltung des Teaser-Posters und des Banners für Episode I. Barnes und Lee teilten ihre Werkstatt zudem mit John Goodson und John Duncan, die hauptsächlich für den Bau aller Hartoberflächenmodelle der Raumschiffe, Droiden und anderer Designelemente verantwortlich waren. „Ihr Arbeitsbereich war buchstäblich eine Miniatur-Modellwerkstatt mit Rundum-Serviceangebot“, so Chiang.
Die Arbeitsplätze aller Designer befinden sich in einem großen Raum, der so als Geburtsstätte aller neuen Elemente im Star-Wars-Universum bezeichnet werden darf. Hier verwandeln sich Worte auf Papier in farbenfrohe Welten, die vor Leben und Technik nur so strotzen. Zwischen Bücherregalen, die mit Referenzmaterialien gefüllt sind, stehen die Zeichenbretter der Konzeptkünstler Iain McCaig und Terryl Whitlatch, die hauptsächlich für das Design der Kostüme und Kreaturen von Episode I verantwortlich waren. Nach der ersten Phase der Vorproduktion schlossen sich ihnen andere Konzeptkünstler wie Jay Shuster und Ed Natividad an, die ihre eigenen Talente in den großen Talentpool der Abteilung einbrachten.
„Dies war normalerweise der ruhigste Raum in der Kunstabteilung“, sagt Tucker, “in dem alle eifrig zeichneten, in einer sehr kontemplativen Stille.“ In der Mitte des Raums befinden sich ein großer Tisch und eine hohe Pinnwand, die beide dazu dienten, Lucas und dem Produzenten Rick McCallum neue Entwürfe zu präsentieren. Einzelne Elemente werden auf diese Weise näher begutachtet und dann bewilligt oder abgelehnt. Viele Konzepte sind hier an ihr vorläufiges Ende gelangt, doch dieses Opfer ist nie umsonst, sondern Teil des fortlaufenden Prozesses, in dem Ideen so lange verfeinert werden, bis sie genau richtig sind.

Das Büro von Designchef Doug Chiang wirkt wie mehrere Universen, die in einem kleinen Raum zusammengefasst sind. Ein Potpourri aus Musen und Einflüssen befindet sich dort und koexistiert mit Chiangs eigenen Ideen und Kreationen. Die Atmosphäre ist die eines Heiligtums, in dem sehr ernsthafte Arbeit geleistet wird, wenn auch mit einer sehr entspannten Einstellung.
Chiang hat eine der Wände seines Arbeitszimmers scherzhaft die „Wall of Shame“ getauft, an der er zwecks abschreckender Wirkung Kopien jedes seiner Entwürfe aufgehängt hat, die abgelehnt wurden. Da Chiang seit Beginn der Vorproduktion von Episode I dabei ist, als die Abteilung noch eine Geisterstadt war, die darauf wartete, dass neue Mitarbeiter die leeren Räume füllen, ist die „Wall of Shame“ voll von Kunstwerken und Erinnerungen an die bisher geleistete Arbeit und Inspirationsquelle für die beiden noch kommenden Kapitel der Star-Wars-Geschichte. Zur körperlichen und geistigen Entspannung hängt an einer der Wände die unverzichtbare Dartscheibe. „Ich habe sie allerdings noch nie berührt, seit ich sie aufgehängt habe!“, lacht Chiang. „Ich war einfach zu sehr in die Arbeit vertieft, um damit herumzuspielen.“
Unterscheidet sich das Kreativzentrum von Lucasfilm von dem anderer Produktionen? „Unsere Künstlerische Abteilung ist ziemlich typisch für jede Filmproduktionsfirma“, sagt Chiang. „Der einzige wirkliche Unterschied besteht darin, dass in unserem Fall das Design während der gesamten Produktion des Films fortgeführt wird, hauptsächlich weil so viel kreative Arbeit während der Nachbearbeitung geleistet wird.“
Viele der Kreaturen, Raumschiffe und Kulissen wurden nie als tatsächliche, physische Objekte umgesetzt, sondern existieren nur in den Speicherbänken eines Computers, der sich wahlweise in der Künstlerischen Abteilung oder bei ILM befindet.
Und wie sieht ein typischer Tag hier aus? „So etwas wie einen typischen Tag gibt es bei uns nicht“, meint Blake Tucker mit einem Grinsen. „Da wir an allen Phasen der Produktion beteiligt sind, ändert sich hier ständig viel. Jeder Tag ist anders. Im Moment bereiten wir uns gerade auf Episode II vor, daher ist es hier sehr ruhig.“
Doch bald schon, sehr bald sogar, wird die Abteilung wieder zum Leben erwachen und ein neues Kapitel der ständig wachsenden Star-Wars-Saga hervorbringen.
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