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Die Rache der Sith // Artikel

Dialoge für Darth: Dialogtrainer Chris Neil

Nicht nur Berufssportler profitieren von den Ratschlägen und dem zusätzlichen Ansporn, den ihnen ein engagierter Trainer geben kann, um ihr Potential voll auszuschöpfen. Von erfahrenen Schauspielern wie Hayden Christensen und Natalie Portman bis hin zu unbekannten Komparsen, gab Episode-III-Dialogtrainer Chris Neil jedem die persönliche Aufmerksamkeit, die man braucht, um seine eigenen Erwartungen zu übertreffen.
Making of: Episode III - Die Rache der Sith© Lucasfilm

In den Tiefen der Macht des Mythos

Nicht nur Berufssportler profitieren von den Ratschlägen und dem zusätzlichen Ansporn, den ihnen ein engagierter Trainer geben kann, um ihr Potential voll auszuschöpfen. Von erfahrenen Schauspielern wie Hayden Christensen und Natalie Portman bis hin zu unbekannten Komparsen, gab Episode-III-Dialogtrainer Chris Neil jedem die persönliche Aufmerksamkeit, die man braucht, um seine eigenen Erwartungen zu übertreffen.

Neil hat nach seiner Arbeit an Filmen wie The Virgin SuicidesDer Regenmacher und Jack eine besondere Gabe dafür, Schauspieler in den herausfordernsten Rollen dazu zu bringen, ihre beste Vorstellung zu geben. Er machte auf die Coppola-Familie nach seinem Engagement bei den Dreharbeiten von Der Regenmacher und The Virgin Suicides sogar solchen Eindruck, dass sie ihn Filmemacher George Lucas als perfekten Kandidat für die Rolle des Dialogtrainers von Die Rache der Sith empfahlen.

„Ganz ohne Vorwarnung rief mich Francis Ford Coppola an und sagte mir, ‚Rick McCallum wird Dich gleich anrufen, um Dir die Position des Dialogtrainers für die nächste Episode von Krieg der Sterne anzubieten‘.“, erinnert sich Neil. „Ich arbeitete zu dieser Zeit gerade an einem anderen Film, also wartete ich auf das Klingeln meines Mobiltelefons. Und wer hätte es gedacht, nur 20 Minuten später rief mich Rick an und bat mich, das erste Flugzeug am nächsten Tag zu nehmen.“

Auf Vorschlag von Coppola, traf sich Neil mit Lucas und McCallum, um mit ihnen über seine mögliche Funktion als Dialogtrainer von Episode III zu diskutieren – eines Films also, der seine Schauspieler durch die bislang gefühlsbetontesten Szenen herausfordern würde.

„George und Rick wussten beide, dass den Schauspielern in diesem Film besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden musste.“, erklärt Neil. „Meine Position war bei den ersten beiden Filmen unbesetzt geblieben, und ich denke, es gab eine Diskussion darüber, dass diese Lücke gefüllt werden müsste. Glücklicherweise dachte Francis an mich, weil ich etwa die gleiche Arbeit bei seinen letzten beiden Filmen geleistet hatte. Er und George verbindet offenbar eine wirklich enge Freundschaft, und ich denke, die Tatsache, dass Francis ganz privat zu George sagen konnte, ‚dieser Junge wird sich in Deine Arbeit nicht einmischen, er wird dafür dasein, Dir und den Schauspielern zu helfen‘, hat George beruhigt.“

Neil selbst war für Lucas ebenfalls kein Unbekannter. Sein Vater hatte an Coppolas Film The Rain People 1969 eng mit Lucas zusammenarbeitet.

„Die beiden verbinden großartige Erinnerungen an die Jahre, die sie im Filmgeschäft formten. Ich denke, dass dies meiner Beziehung zu George mit Sicherheit eine zusätzliche Tiefe verleiht.“, gibt Neil zu. „Seit ich ein Junge war, habe ich George praktisch in jedem Jahr gesehen. Bei einem Softball-Spiel oder einem Picknick ging es also immer, ‚hey, wie läuft’s, George?‘, oder zumindest so ähnlich. Diese Vertrautheit macht die Arbeit mit ihm noch einfacher. Ich fühle mich bei ihm viel weniger als Außenseiter.“

Als man Neil die Stelle als Dialogtrainer anbot, musste er feststellen, dass seine Arbeit an einer Krieg der Sterne-Episode ganz anders aussehen würde, als die an dialogschweren Filmen wie dem von der Kritik gefeierten Film Der Regenmacher oder der unabhängigen Erfolgsproduktion The Virgin Suicides, weil bei Krieg der Sterne Schauspieler oft gegen Figuren antreten müssen, die erst in der Nachbearbeitung von Industrial Light & Magic am Computer erzeugt werden.

„Neben meiner zweimaligen Arbeit mit Francis, habe ich mich eigentlich darauf spezialisiert, mit Regisseuren zu arbeiten, die nach ihrer Zeit in der Werbewirtschaft gerade ihren ersten abendfüllenden Film drehen.“, erklärt Neil. „Einer dieser Regisseure nannte mich sein „Zusatzhirn“. Was er meinte, war, dass ich der Teil seines Gehirns war, der den schauspielerischen Leistungen besondere Aufmerksamkeit schenkte, damit er sich mehr auf andere Einzelheiten konzentrieren konnte. Ich denke auch, dass es meine Aufgabe ist, den Regisseur und die Schauspieler zu unterstützen, weil es so häufig viele Ablenkungen gibt, die nach Aufmerksamkeit schreien. Vor allem, wenn ein Regisseur mit Fragen überhäuft wird, kann es leicht vorkommen, dass den Schauspielern und ihrer Arbeit nicht die notwendige Aufmerksamkeit oder der notwendige Ansporn zukommt.“

Zur Vorbereitung auf seine Arbeit, die die dramatischsten Darbietungen in Krieg der Sterne hervorbringen sollte, las Neil zunächst das Werk, das Lucas erstmals dazu inspiriert hatte, die Geschichte der Familie Skywalker niederzuschreiben – Joseph Campbells „The Power of Myth“.

„Egal ob ich nun den Regisseur bei seinem Umgang mit den Schauspielern unterstütze, oder mit den Schauspielern an ihrer Darbietung arbeite, ich bereite mich auf die gleiche Weise vor, um mir ein besseres Verständnis für die Geschichte zu erwerben.“, erklärt Neil. „Es ist praktisch dasselbe, ob ich nun direkt mit den Schauspielern arbeite oder dem Regisseur Hinweise für die Schauspieler gebe. Dafür benötige ich nicht nur ein detailliertes Verständnis davon, was der Regisseur zu erreichen versucht, sondern auch über die elementaren Wurzeln der Handlung. Ich suche mir also die Quellen heraus – die mythischen Dimensionen der Geschichte. Dort finde ich meist Antworten auf die tiefergehenden Fragen über die persönlichen Motive einer Figur. Je weiter man von einem Bild weggeht, desto mehr erkennt man die Einzelheiten und desto besser kann man kleinere Fragen beantworten.

Ich habe alle Arbeiten von Joseph Campbell gelesen, derer ich habhaft werden konnte.“, fährt Neil fort. „Seine Erklärungen erinnerten mich an die Geschichte von Padmés Beziehung zu Anakin, besonders an die zentrale Reise dieser beiden Figuren. Das sind die Hausaufgaben, die ich als Dialogtrainer oder Schauspiellehrer machen muss. Manchmal spielt diese Analysearbeit gar keine Rolle, wenn ich mit George spreche. Aber wenn ich mit Natalie und Hayden an einer Szene arbeite, sickern all die Informationen, die ich mir zusammengesucht habe, unbewusst durch. Wenn wir miteinander eine Szene diskutieren, dann klären sich so Fragen. Meine Informationen können Klarheit bringen.“

Die Vorzüge einer Arbeitsgruppe

Mittels seines Visuellen Drehbuchs, zeigt Lucas den Schauspielern das Aussehen von Schauplätzen und Figuren. Neil fand es darüber hinaus hilfreich, den Darstellern auch ein emotionales Drehbuch zur Verfügung zu stellen, um die persönlichen Motive Padmés, Anakins und Obi-Wans darzulegen.

„Wenn George seinen Darstellern das visuelle Drehbuch zeigt, dient dies dazu, ihnen eine lebhafte Beschreibung ihrer Umwelt, der sie umgebenden Figuren und ähnlicher Elemente zu geben.“, erklärt Neil. „Aber die Schauspieler brauchen auch noch ein emotionales Drehbuch, um ihnen dabei zu helfen, in einer Szene ihre Reaktionen aufeinander abzustimmen. Anakin ist jetzt so lange weggewesen, was fühlt Padmé deswegen? Wie geht sie mit ihrer Schwangerschaft um? Gibt es Spannungen in ihrer Beziehung? Welcher Art sind sie? Wie empfinden die beiden über ihre Einsamkeit? Was denkt Anakin inzwischen über die Geheimhaltung der Beziehung?“

Neils besseres Verständnis der größeren Geschichte des Drehbuchs und der inneren Konflikte zwischen den Figuren, half ihm nicht nur dabei, die Darbietungen der zentralen Schauspieler wie Christensen und Portman besser einschätzen zu können, sondern auch dabei, zu beurteilen, wieviel zusätzliche Aufmerksamkeit er den Darstellern von Nebenrollen und Komparsen schenken musste.

„George hat am Anfang der Dreharbeiten etwas wirklich interessantes gesagt.“, erinnert sich Neil. „Er sagte, ‚in jeder Einstellung, die man im Film sieht, wurden 100 Entscheidungen gefällt, in Fragen der Ausstattung, der Kostüme, der Kameraarbeit oder der Beleuchtung. Und nur eine schlechte Entscheidung ruiniert zehn gute.‘ Das ist auch in Bezug auf den Umgang mit den Leistungen von Darstellern so. Es kann passieren, dass ein Darsteller eine hervorragende Darbietung abliefert, aber man kann es auch mit einem Schauspieler zu tun haben, der eine Szene falsch einschätzt, und plötzlich ist sie ruiniert. Meine Aufgabe war es, den Nebendarstellern und den Schauspielern, die nur für einen oder zwei Tage vor Ort waren und keine Gelegenheit hatten, das Drehbuch zu lesen, dabei zu helfen, ebenfalls richtige Entscheidungen zu treffen, damit eine synchrone Darstellung entstand, wenn sie mit den Hauptdarstellern zusammentrafen. Ich musste also sicherstellen, dass ihre Anwesenheit die Dinge nicht aus der Bahn schlug.“

Wegen der streng vertraulichen Arbeitsumgebung, hatten viele Nebendarsteller im Studio keinen Zugriff auf das Drehbuch. Erst an dem Tag, als sie vor die Kameras traten, erhielten sie ihre Szenen. Neil beschloss deshalb, für die Nebendarsteller eine Arbeitsgruppe zu schaffen, um ihnen bei der besseren Vorbereitung ihrer Szenen zu helfen.

„Als wir die großen Szenen drehten, wo viele Tagesschauspieler, die beispielsweise Senatoren spielten, zusammenkamen, war es eine meiner zentralen Aufgaben, sie beiseite zu nehmen und ihnen dabei zu helfen, sich ihre Rolle in der Szene zu erarbeiten und kurz die Hintergrundgeschichte ihrer jeweiligen Figur zu verstehen.“, erklärt Neil. „Als sie dann vor die Kameras traten, verstanden sie ihre Rolle weit besser und sie mussten nicht erst während des Drehs versuchen, sich die Geschichte anzueignen.“

Wie Neil feststellen konnte, half die Arbeitsgruppenatmosphäre auch den erfahreneren Schauspielern während der Dreharbeiten. Jeden Samstag trafen sich die Schauspieler, fern von der allgemeinen Geschäftigkeit eines Drehtages, mit Neil und Lucas in den leeren Studios zu regelmäßigen Proben.

„Für George war das meines Erachtens auf sehr praktische Weise nützlich. Er konnte sehen, wie sich die Schauspieler erstmals mit einer Kulisse vertrautmachten.“, erklärt Neil. „Diese Herangehensweise erlaubte es den Darstellern auch, sich gemeinsam eine schwierige Szene zu erarbeiten, ohne Ablenkungen wie Kostümproben oder aufwändiges Schminken. Es bringt große Freiheit, einen Regisseur fast alleine mit seinen Schauspielern auf einer Bühne arbeiten zu lassen. Die Schauspieler können auch frei darüber sprechen, was funktioniert, und was sie in ihrer Darstellung eher behindert. Das Drehbuch wurde während der Proben allerdings nicht sehr verändert, ebensowenig wie die Kulissen. Was die Aufstellung der Darsteller in den Kulissen angeht, hat sich George fast vollständig an den Samstagsproben orientiert. Er hat an den Samstagen gesehen, was er sehen musste, und in seinem Kopf hat er dann bis zum Dreh am Montag seine Hausaufgaben gemacht.“

Während dieser Proben war es auch, dass Neil mit den Schauspielern daran arbeitete, Gefühle aus ihren Figuren herauszuholen, die sie nie für möglich gehalten hätten.

„Ich wollte den Schauspielern dabei helfen, sich natürliche Reaktionen auf ihre Dialogzeilen zu erarbeiten.“, sagt Neil. „Während der Proben mit Natalie und Hayden, lenkte ich sie in diese Richtung. Sie sind beide sehr natürliche Schauspieler, aber ich konnte ihnen helfen, die Szenen persönlicher zu gestalten. Ich wollte, dass sie sich die Geschichte der Beziehung zwischen ihren Figuren ansahen, um die Intimität zweier junger Liebender mit subtilen Gesten darzustellen. Manchmal denken Schauspieler an das große Ganze eines Films, und dann kann es viel sinnvoller sein, von Szene zu Szene an in heranzugehen. Damit kann man sich dann wirklich auf die Reaktionen zwischen den Figuren konzentrieren. Was wäre beispielsweise, wenn Padmé einen Raum betritt und eine Hand auf Anakins Schulter legte? Im Drehbuch ist das vielleicht nicht vorgesehen, aber man kann so einen Augenblick der Zuneigung darstellen. Es sind diese kleinen Dinge, die dabei helfen, zwei figuren eine gemeinsame Geschichte zu verleihen, die dann auch viel glaubhafter ist.“


Flemming Brauns

Flemming ist das jüngste Mitglied unserer Crew. Da er sich besonders in der Literaturecke von Star Wars zuhause fühlt, schreibt er am liebsten Rezensionen über die Romane des neuen Kanon. Die Jedi/Sith Philosophie fällt gemeinsam mit coolen Kampfkoreographien in sein Interessengebiet, weshalb es vermutlich die Wenigsten wundert, dass die Hohe Republik seine liebste Star-Wars-Epoche ist.

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