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Die perfekte Modellwerkstatt

Mit der verstärkten Nutzung von computergenerierten Spezialeffekten haben klassische Techniken wie der Modellbau nicht etwa an Bedeutung verloren: Bei Episode I waren die Modellbauer wichtiger denn je.
Die Modellbauer bei der Arbeit am Theed-Wasserfall-Modell für Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung© Lucasfilm

Geschäftiger denn je

Episode I hat für seine unglaublichen computergenerierten Effekte viel Lob geerntet, doch all diese digitale Arbeit nicht auf Kosten des sehr analogen, traditionellen Modellbaus, eines Handwerks, von dem viele wohl schon dachten, dass es inzwischen fast überflüssig wäre. Und es gibt niemanden, der sich besser damit auskennt als Steve Gawley von Industrial Light & Magic, der Modellbauchef von Episode I.

Die Modellwerkstatt von ILM war dafür zuständig, den Filmemachern Hunderte von Modellen an die Hand zu geben, von Kulissen und Fahrzeugen im Miniaturformat bis hin zu lebensgroßen Figuren. Gawley war als Modellbauer schon am ersten Star-Wars-Film beteiligt und damit in der idealen Lage, um die Entwicklung des Modellbaus zu beobachten und seine Rolle im Zeitalter der Computergrafiken zu verstehen.

„Aufgrund der digitalen Technologie, die der Filmindustrie heute zur Verfügung steht, sind wir im Modellbau tatsächlich noch gefragter als je zuvor“, erklärt Gawley. „Wir stellen die Referenzmodelle zur Verfügung, die von den Kollegen am Computer verwendet werden. Wir können Bilder als erste dreidimensional gestalten. In der digitalen Welt ist das ein ziemlich langwieriger Prozess, aber in unserer dreidimensionalen Welt kriegen wir so etwas recht schnell hin. Wir können außerdem ziemlich schnell Hintergrundkulissen bereitstellen.“

Trotz der heute verfügbaren digitalen Technologie ist das traditionelle Modellieren aus Sicht von Gawley manchmal der Verwendung von CG-Bildern vorzuziehen. „Ein Modell sieht manchmal besser aus als eine CG-Version. In der CG-Welt kann man manchmal sehr subtil vorgehen, aber das kostet viel Zeit. Mit Farbe können wir Dinge schnell erledigen, die im Computer noch sehr schwierig umzusetzen sind.“

Bei Episode I wurde die endgültige Entscheidung zwischen handgefertigtem Modell und digitalem Bild jeweils von den drei Effekt-Verantwortlichen des Films getroffen: Von John Knoll, Dennis Muren und Scott Squires. Jedem von ihnen wurden eigene Sequenzen zugeteilt, und sie mussten dann eine Reihe von Faktoren abwägen, um zu entscheiden, wie vorgegangen werden sollte: Wie lange würde welche Methode brauchen? Wie viele Details wären erforderlich? Welchen Maßstab erfordert welche Einstellung? Kurz gesagt, wie sieht die optimale Synthese aus Computerbild und traditionellem Modell aus? „Die Effekt-Verantwortlichen kennen sich sowohl mit praktischen Modellen als auch mit digitalen Techniken aus“, so Gawley. „Sie entscheiden, was für sie funktioniert, und rufen uns dann an.“

John Knoll begutachtet die Arbeit der Modellwerkstatt
© Lucasfilm

Eine der Szenen, bei denen Gawley einen Anruf erhielt, ist auch eine der aufregendsten Sequenzen des Films: Das spektakuläre Podrennen am Vorabend des Boonta-Fests. Nachdem John Knoll, der Effekt-Verantwortliche der Szene, die Storyboards durchgesehen hatte, gab er grünes Licht für den Bau der riesigen Mos Espa-Arena durch die Modellbauer. „ILM hatte bereits bei anderen Filmen Erfahrung mit dem Bau von Miniaturkulissen und dem Einfügen digitaler Figuren in die Szenen sammeln können. Dabei hatten wir gelernt, dass effizienter war, diese Kulissen zu bauen“, erklärt Gawley.

Nachdem grünes Licht erteilt worden war, begann die eigentliche Arbeit für 15 der 87 Modellbauer, die an Episode I arbeiteten. Auf der Grundlage der Storyboards des Films wurde von der künstlerischen Abteilung zunächst ein kleines Konzeptmodell der Arena gebaut. Dieses erste Modell diente als Diskussionsgrundlage für Modellbauer, Effekt-Verantwortliche und Kameraleute, um festzulegen, welche Arten von Einstellungen für die Sequenz verwendet werden sollten. Kamerawinkel und Einschränkungen der benötigen Einstellungen wurden ebenso berücksichtigt und diskutiert wie Maßstab und Beleuchtung. Nachdem alle Variablen abgewogen worden waren, entwickelte das Team das endgültige Modell, ein riesiges 12 x 12 Meter großes Außenset.

Mehr als nur die Hintergründe

Aber etwas fehlte noch: Die Zuschauer. Mit einer Prise Einfallsreichtum fanden die Modellbauer eine originelle Lösung. „Wir hatten ein Stadion, das im Grunde für 350.000 Zuschauer Platz bot“, erinnert sich Gawley, „und wir versuchten, ein Design zu finden, das eine dreidimensionale Qualität hatte und aus verschiedenen Blickwinkeln funktionieren konnte.“ Nach mehreren Fehlstarts fand das Team eine unkonventionelle Lösung. „Einer unserer leitenden Modellbauer, Michael Lynch, hatte die Idee mit den Wattestäbchen“, berichtet Gawley.

Es handelte sich um Wattestäbchen, die auf langen Holzstäbchen steckten, welche in speziellen Kästen mit einem siebähnlichen Material bedeckt waren. „Aus der Ferne sahen diese Dinger mit den verschiedenfarbigen Wattestäbchen darin verdammt gut aus. Als wir versuchten, dieses Problem zu lösen, waren wir alle am Wochenende zuvor nach Hause gefahren und hatten uns Footballspiele und Autorennen angesehen. Wir wollten einfach nur sehen, wie sehr viele Menschen auf einem Haufen eigentlich aussehen. Und in den meisten Fällen gibt es viele Farben, aber nicht viel Bewegung.“

Um die Illusion von Realität zu erzeugen, musste die Menge der Wattestäbchen-Zuschauer jedoch selbst die subtilsten Bewegungen einer Menschenmenge nachahmen. Und wieder einmal verließen sich die Modellbauer auf ihre Kreativität. „Die Wattestäbchen wurden in einem Drahtgitter-Siebgewebe positioniert und waren etwas locker montiert, sodass wir Luft auf die Rückseite blasen konnten, wodurch sie sich ein wenig bewegten.“ Das fertige Modell, mitsamt den Wattestäbchen, diente dann als Hintergrund, zu dem die Computeranimatoren CG-Podracer und andere digitale Magie hinzufügten, darunter mehr Zuschauer, sowohl real gedrehte als auch computergenerierte. Wäre die gesamte Szene computergeneriert gewesen, wäre der Zeit- und Personalaufwand dafür erheblich höher gewesen.

Doch Modelle nicht nur auf den Hintergrund beschränkt. Sie dienen nicht nur als Kulisse für digitale Spezialeffekte, sondern werden oft auch als Referenzmaterial für die CG-Effektkünstler oder sogar, mit ein wenig Unterstützung eines Pyrotechnikers, zur Erzeugung der visuellen Effekte selbst verwendet. „Wir haben den republikanischen Kreuzer gebaut, der am Anfang des Films zu sehen ist und dann im Schiff der Handelsföderation, in der Hangar-Bucht-Miniaturkulisse, in die Luft fliegt. Beide bauten wir im gleichen Maßstab wie den Kreuzer selbst. Wir bauten auch ein Miniatur-Set eines Generatorenraums, der im Wesentlichen der Maschinenraum des Schlachtschiffs ist. Wir ließen Feuer den Flur entlang rasen und dann fügten sie einige digitale Droiden hinzu, die vor der Explosion um ihr Leben wegrennen.“ Daneben gab es noch die Angriffspanzer der Handelsföderation, die fliegenden Angriffsplattformen, die Schlachtschiffe und eine Vielzahl anderer Waffen und Fahrzeuge. Manchmal wurden die Modelle selbst in die Luft gejagt, und manchmal wurden Explosionen am Computer auf das Modell montiert, aber so oder so, sagt Gawley, „hatten unser leitender Pyrotechniker Geoff Heron und seine Crew alle Hände voll zu tun.“

Und obwohl Gawley anmerkt, dass die Charakteranimation heute offensichtlich „Lichtjahre besser” ist als vor 20 Jahren, gibt es immer noch Fälle, in denen Schöpfungen aus dem Modellbau wünschenswerter sein können als ihre computergenerierten Gegenstücke. Oft werden diese handgefertigten Figuren von Computeranimatoren als Fotovorlagen verwendet, wie zum Beispiel, als das Team lebensgroße Kampfdroiden baute, die später als Requisite für die Dreharbeiten verwendet wurden und nach der Schlacht von Naboo das Schlachtfeld übersäten. Die Crew baute sogar einen lebensgroßen Droideka, der sich rollen und in seine furchterregende Kampfhaltung aufklappen konnte.

Das beeindruckendste Beispiel für eine reale Figur ist jedoch der Meister der Roboter-Mensch-Beziehungen persönlich, der noch nicht goldene C-3PO. „Wir wurden gefragt, ob wir eine lebensgroße C-3PO-Puppe herstellen könnten, die laufen kann. Sie wurde tatsächlich von einem der leitenden Modellbauer, Michael Lynch, getragen, der für das Projekt verantwortlich war. Wir bauten eine Testfigur aus Sperrholz und Bungee-Seilen. Und John Knoll, einer unserer Effekt-Verantwortlichen, sagte: Wisst ihr was, ich könnte den Kerl aus dem Bild retuschieren, und dann würde es aussehen, als würde C-3PO tatsächlich herumlaufen.”

Die C-3PO-Puppe bei einer Aufnahme
© Lucasfilm

„Wir orientierten uns dabei am Original-C-3PO – seinen Hände, Füßen und Knien –, aber alles andere war neu. Er sollte aussehen, als hätte ihn ein 10-Jähriger gebaut, also irgendwie schräg. Und am Ende sah das Ergebnis ziemlich gut aus.“

Seit Gawley als Modellbauer angefangen hat, hat sich in seinem Bereich viel verändert. Digitale Technologie ist universeller verfügbar als je zuvor und Spezialeffekt-Teams haben Zugang zu besseren Techniken. Die Teams sind größer und die Aufgaben stärker spezialisiert. Aber anstatt den traditionellen Modellbau überflüssig zu machen, hat diese digitale Revolution den Bedarf an dem älteren Handwerk eher verstärkt, meint Gawley. „Wir sind jetzt dank digitaler visueller Effekte eifriger beschäftigt als je zuvor. Und das ist einfach großartig.“


Christoph

Als SWUler der 2. Generation ist Christoph seit Sommer 2001 auf Star Wars Union aktiv und übernimmt inzwischen eher Aufgaben hinter den Kulissen. Seine Liebe gehört der Lucas-Saga, dem Dunklen Imperium, der New-Jedi-Order-Buchreihe, der Entstehungsgeschichte des Kriegs der Sterne sowie Jyn Erso.

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