Anzeige

Skywalker-Saga // Kolumne

Die Prophezeiung des Auserwählten – Auf der Suche nach dem Gleichgewicht

Wir sprechen von der Prophezeiung des Einen, der der Macht das Gleichgewicht bringen wird, und wir glauben, es war dieser Junge. Doch was macht das Gleichgewicht eigentlich aus?
Eine Welt im Gleichgewicht© Star Wars Union

Viel ist geschrieben und gerätselt worden über die „Prophezeiung des Einen, der der Macht das Gleichgewicht bringen soll“. Nun, da die Saga mit Episode III abgeschlossen worden ist, ist jede Chance, weitere Informationen über diese Prophezeiung zu erhalten, nicht mehr gegeben. Was wir bisher wissen, ist also alles, was George Lucas uns wissen lassen wollte.

Dieser Beitrag will in der Folge versuchen, zu sehen, ob wir nicht vielleicht doch genug wissen, um die Frage zu beantworten, was es mit dem Auserwählten auf sich hat und wie genau er die Macht ins Gleichgewicht bringen wird, ja auch, was genau es mit diesem erstrebten Gleichgewicht überhaupt auf sich hat.

Gleich zu Beginn sollte eines klar gesagt werden: Dies alles ist keine Wahrheit, sondern die Suche nach Wahrheit, basierend auf persönlichen Überlegungen und einem seltsamen Bauchgefühl für George Lucas‘ Verständnis der Macht, der Jedi und der Sith.

Jedi und Sith

Die Jedi wurden uns 1977 als „Hüter des Friedens und der Gerechtigkeit“ in der alten Republik vorgestellt. 5 weitere Filme haben an dieser Erklärung gefeilt und einige, teils eher negative Aspekte des Jeditums beleuchtet, an der allgemeinen Vorstellung konnten und wollten sie jedoch nicht rütteln. George Lucas selbst hat die Jedi in diversen Pressegesprächen und Kommentaren als „US-Marshalls“ der Galaxis beschrieben, als eine Instanz also, die den örtlichen Sicherheitskräften übergeordnet ist, gleichzeitig aber den Gesetzen und Machtstrukturen der Republik unterstellt ist. Die Jedi repräsentieren überdies das Gute, Gerechte und Tugendhafte in der Galaxis.

Die Filme handeln vom Guten und Bösen und vom Kampf dieser Kräfte in uns.

George Lucas

Die Sith auf der anderen Seite sind schwerer zu greifen. Der Begriff „Sith“ tauchte 1999 zum ersten Mal in einem Film auf, obwohl Vader natürlich schon seit 1977 als Dunkler Lord der Sith bekannt war. Vorgestellt wurden sie uns Zuschauern nie so recht, wir sahen sie immer nur bei der Arbeit, die in den seltensten Fällen von Friedensliebe, positiver Weltbetrachtung und Mitmenschlichkeit geprägt war. Die Sith waren im Grunde immer nur machtgierige, prinzipienlose und etwas verrückte Gestalten mit einer selbstherrlichen Vorliebe für große Auftritte und spektakuläre Waffen, Raumbasen und Intrigen, die aber immer eins gemein hatten: einen kleinen Schwachpunkt, der sich am Ende in einer großen Explosion entlud.

Aber: sowohl Jedi, als auch Sith sind doch mehr als nur Repräsentanten ihrer jeweiligen Weltanschauung. Gerade in den Audiokommentaren der DVDs, aber auch in Begleitbüchern wie The Annotated Screenplays, setzte George Lucas beide Fraktionen wiederholt mit ihrer Weltanschauung und ihren Werten gleich.

Einfacher gesagt: Die Jedi beschützen nicht nur das Licht, sie sind das Licht, sie kämpfen nicht nur für das Leben, sie sind das Leben, sie verteidigen nicht nur die Republik, sie sind die Republik, nicht in ihrer konstitutionellen Form oder ihren institutionalisierten Gliedern, sondern in ihrer Verkörperung von tausend Generationen von Frieden und Gerechtigkeit.

Die Sith auf der anderen Seite bringen nicht nur den Tod, sie sind der Tod, sie stehen nicht nur für Schmerz und Leid, sie sind es, und sie sind nicht nur einfach dahingesagt die Teufel, wie man das auch von frechen Kindern sagen könnte, sie sind der Teufel als Verkörperung der Schlechtigkeit, als „Prinzip des Bösen an sich“.

Wenn die Jedi in Episode II also bemerken, dass ihre Fähigkeit, die Macht zu nutzen, nachgelassen hat, liegt das nicht an einer wachsenden Schwäche der Jedi, sondern einfach daran, dass ihr Licht von einem mächtiger werdenden Schatten der Sith umfangen worden ist. Die Sith, die personifizierte Dunkelheit, umhüllen die Galaxis also mehr und mehr, und es wird, wie Obi-Wan in Episode IV so treffend bemerkte, „dunkel in der Welt“.

Die Midichlorianer und die Macht

Um hinter das Rätsel der Existenz des Auserwählten zu kommen, muss man zunächst die Urheber seiner Existenz betrachten. Von zwei unabhängigen Quellen werden die Midichlorianer als „Vater“ Anakins bezeichnet, in Episode I von Qui-Gon Jinn, in Episode III von Darth Sidious. Der eine wusste leider nicht allzuviel über die Welt, in der er nicht mehr allzu lange lebte, der andere eine Menge, war aber ein notorischer Lügner. Schlechte Quellenlage, kein Zweifel, aber man nimmt ja, was man kriegen kann.

Wer oder was sind also die Midichlorianer?

Die Midichlorianer werden von Hassern der Episoden I bis III gerne als Beispiel für George Lucas‘ Verlust der „Magie der klassischen Trilogie“ zitiert. Sind sie es wirklich? Die Midichlorianer, so erklärt Qui-Gon, sind mikroskopische Lebensformen, die in jeder Zelle wohnen. Wer seinen Geist zum Schweigen bringt, könne seine kleinen Mitbewohner reden hören. Die Midichlorianer seien zudem für die Existenz allen Lebens verantwortlich und dafür, dass die Jedi überhaupt von der Macht wissen. Nimmt man diese Erklärung mit Obi-Wans alter Beschreibung der Macht zusammen – „Die Macht ist es, die dem Jedi seine Stärke gibt. Es ist ein Energiefeld, das alle lebenden Dinge erzeugen. Es umgibt uns, es durchdringt uns, es hält die Galaxis zusammen.“ -, dann ergibt sich ein recht interessantes Bild:

Alle lebenden Dinge erzeugen die Macht, und die Midichlorianer sind die Urheber des Lebens. Ein unvorsichtiger und allzu wörtlicher Beobachter könnte sie also als Lebensform betrachten, die vor der Macht da war und damit als ein Überbleibsel von George Lucas‘ sehr alter Idee, seine Geschichte aus der Perspektive einer allwissenden Gruppe zu erzählen, den Whills, die schließlich in Episode III fast einen Auftritt gehabt hätten. Nun ja, weniger Auftritt, als Erwähnung.

In Wahrheit, so man wagt, bei wildem Philosophieren wie diesem dieses Wort zu gebrauchen, ist das natürlich Unsinn: Die Macht und die Midichlorianer sind nicht zwei Dinge, sondern ebenfalls symbiotische Figuren, die in diesem Fall sogar tatsächlich eins sind – allumfassend die Macht als ewige Energie, lokal verteilt ihre Glieder und ihr Wille. Denn die Jedi hören ja nicht die Macht, sie hören die Midichlorianer als „Botschafter“ der Macht, und damit als Bestandteile eines kollektiven Systems von Leben und Schöpfung. Um die Details möge sich ein anderer kümmern, für den Augenblick genügt die Erkenntnis, dass Midichlorianer und Macht eins sind, jeweils Teil voneinander und Tor zueinander. Gewissermaßen also das System der Dreifaltigkeit, nur dass es hier eine endlose Faltigkeit ist – ein Gott in endlosen Verkörperungen und Teilgliedern. George Lucas selbst dürfte sich allerdings eher an das System des Vishnuismus gehalten haben, als an die christliche Lehre, aber dazu später mehr beim Auserwählten.

Es sollte keine jungfräuliche Geburt sein, sondern eine Metapher für das Leben selbst.

George Lucas

Kurz zusammengefasst, sind die Midichlorianer die greifbare Verkörperung einer an sich ungreifbaren Götter- und Schöpferkraft, die Personifikation dieser Kraft in ihrer Schöpfung, die so selbst göttlich wird.

Womit wir wieder bei denen sind, die dieses Geschenk aktiv nutzen, den Jedi und den Sith.

Die Jedi sind das Licht, soweit waren wir. In biblischen Begriffen gesprochen, sind sie die Engel, die den Willen ihres Gottes, der Macht, befolgen und sein Wort verbreiten, was sie manchmal ziemlich arrogant wirken lässt. Aber das haben Übermenschen eben so an sich. Sie gliedern sich in ihre Welt ein, sie versuchen nicht, sie zu beherrschen oder direkt Macht auszuüben, sondern sie verteidigen das Gute in ihr und spenden denen Licht, die im Dunkeln wandern. Sie helfen, beschützen, lehren und kämpfen, wo immer die Schöpfung in Gefahr ist. Autor Matthew Stover hat zwei sehr passende Bilder für die Aufgabe des Jedi aufgebracht: einmal das des Hüters der Zivilisation an sich, als Verteidiger der Kultur vor der eigentlich übermächtigen Wildnis, und zum zweiten das Bild des Gärtners, der Unkraut bekämpft, um Nutzpflanzen erblühen zu sehen. Letzteres Bild trägt recht sozialdarwinistische Züge, aber Stover ließ es auch von einer etwas durchgedrehten Gestalt verbreiten.

Von den Jedi zu den Sith: sie sind der Teufel, kurz und knapp, und sie handeln wie Teufel. Sie nutzen die „göttliche“ Schöpfung und verdrehen sie, sie manipulieren, lügen und führen die normalen Sterblichen in Versuchung, sie stiften Chaos, schüren Aggression, Hass, Gewalt und Angst und sind der leibhaftige Verrat. Vor allem aber wollen sie ihren Schöpfer übertrumpfen, um an seiner Statt zu herrschen. Wir reden hier nicht über den bloßen Sieg über die Jedi, sondern über den Sieg und die Herrschaft über die Macht an sich. Die Jedi sind hier bloß die Verteidiger der Macht, die erst beseitigt werden müssen, bevor der eigentliche Sieg kommen kann.

Denn die Macht ist ja nun kein Gott im Sinne eines Zeus, der mit Blitzen um sich werfen, oder eines christlich-jüdischen Gottes, der eine Sintflut, oder je nach Zielsetzung sieben oder zehn Plagen schicken könnte. Die Macht ist Energie, wie wir festgestellt haben, und sie ist Energie mit Willen. Direkt handeln kann sie aber nicht, zumindest tut sie es nirgendwo in den Filmen. Sie hat ihre Helden, ihre Verteidiger, und sie hilft diesen Helden auf ihrem Weg. Sie nimmt ihnen aber nicht die Arbeit ab. Sie kann oder will nicht direkt in die Geschicke der Galaxis eingreifen, ist aber, so wird das Beispiel Anakins zeigen, durchaus in der Lage, ihren Geschöpfen einen Schubs in die richtige Richtung zu geben.

Der Auserwählte

Anakin ist der Auserwählte. Soviel ist zumindest sicher. Mit seinem Vater stimmt etwas nicht, auch das ist sicher. Lange Zeit war die Fangemeinde in zwei Parteien gespalten, wovon die eine glaubte, Anakin sei der Sohn der Macht, und die andere, dass Shmi einfach gelogen habe. Qui-Gon Jinn glaubte, die Midichlorianer hätten etwas mit Anakins Zeugung zu tun, und Sidious scheint das nicht nur geglaubt, sondern gewusst zu haben. Sofern er nicht gelogen hat, was ihm leider eher zuzutrauen ist, als dass er die Wahrheit sagt. „Ich liebe die Demokratie“, mag hier als Beispiel dafür dienen, diente ihm die Demokratie doch auf aus seiner Sicht liebenswerte Weise.

Ich wollte keine neue Religion erfinden, sondern alle bestehenden Religionen neu erklären.

george lucas


Zurück zum Thema: gehen wir davon aus, dass Sidious die Wahrheit gesagt hat, von seinem persönlichen Standpunkt aus und mit seinen bekannten Zielen im Hinterkopf. Gehen wir also nicht von einer wahren Wahrheit aus, sondern von einer falschen Wahrheit, die also gerade deshalb wahr ist, weil sie es nicht ist. Kompliziert? Mag sein, aber das Demokratie-Beispiel weiter oben zeigt, wohin es geht. Sidious lügt. Aber er lügt, indem er die Wahrheit sagt. Jeder einzelne Satz von ihm, ist wahr. Man muss sich manchmal auf den Kopf stellen, sich dreimal im Kreis drehen und schielen, um die Wahrheit zu sehen, aber ein kleines Körnchen davon ist immer da. Das ist die Regel, und seine Midichlorianer-Aussagen werden kaum die Ausnahme sein.

Also: Sidious erklärt Anakin, sein Meister, Darth Plagueis, habe die Midichlorianer dahingehend manipulieren können, Leben zu schaffen. Die Sith, das haben wir schon festgehalten, sind der Tod. Der Tod, der Teufel, das Böse, das Lebensvernichtende und Lebensverführende, hat also Leben geschaffen. Eine Ungeheuerlichkeit. Ein Eingriff in die natürliche Ordnung. Ein Schlag ins Gesicht der Macht. Der Teufel tut, was nur die Macht selbst tun kann: Leben schaffen. Schöpfen. Das Ergebnis ist Anakin.

Was wollte Plagueis mit Anakin? Nun, es ist offensichtlich, er wollte ihn als perfekten Schüler, als Ungeheuer, als Werkzeug, um die Kontrolle über die Macht zu erlangen. Anakins Existenz allein ist schon ein Beweis dafür, dass das Gleichgewicht des Lebens verlorengeht, dass die Macht nicht länger an oberster Stelle steht, sondern dass ihr ein Konkurrent erwachsen ist, der ihr diese Stelle streitig machen will… und dies anscheinend auch noch kann.

Nun geschehen aber mehrere Dinge, über die wir wenig bis nichts wissen. Dinge, die aber nicht in den Plan der Sith gehören, die nicht dazu passen. Anakins Mutter ist so eine Abnormität im Plan der Sith, eine Sache, die schiefgegangen sein muss. Wer trägt hier die Ausgeburt des Teufels aus? Ein Engel. Hilfsbereit, gutherzig, voller Wärme und Liebe. Können die Sith das gewollt haben? Ein zweiter Störfaktor ist der Tod von Plagueis. Er, der die Macht herausfordern konnte, stirbt. Ihr größter Feind, vernichtet, ermordet, von einem Schüler, der zu schwach war, seinen Meister im Kampf zu töten. Wie Sidious schon sagte, „welche Ironie“… Der Teufel ermordet von seinem Schüler, in dem Augenblick, in dem der Sieg so nahe scheint.

Dies scheint einer der Momente zu sein, in denen die Macht tatsächlich zurückschlägt, ein Moment, in dem sie das Gift des Teufels gegen ihn selber wendet: Gier treibt den Teufel, Gier lässt ihn nach Herrschaft über den Schöpfer streben. Nun ist es Machtgier, die ihm den Tod bringt.
Wieso? Weil die Macht durch ihre Botschafter, durch die Midichlorianer, in jedem lebenden Wesen ist, und damit auch in den Sith. Sie, die versuchen, der Macht ihre Krone über die Schöpfung streitig zu machen, sind doch ihren Gesetzen und ihrem Einfluss unterworfen. Und so werden auch sie letztlich von der Macht beherrscht, wie erfolgreich sie das auch immer in Grenzen halten mögen, und wie gut es ihnen auch immer gelingen mag, sich aus dem Einflussbereich der Macht herauszustehlen, wie Sidious dies kurz vor Entfesselung der Klonkriege tun wird, wenn er das Licht der Macht verhüllt.

Wir sehen an Plagueis‘ Tod das erste Beispiel dafür, dass ein Sith einen anderen Sith tötet, um selber zu herrschen. Tyranus wird so sterben, und Vader wird es bei Sidious versuchen, wie Sidious zuvor bei Tyranus, und später, als Luke auftaucht, seinerseits bei Vader. Plagueis wollte das Kind, das einmal Anakin heißen wird, als seinen perfekten Schüler. Sidious sollte ersetzt werden, und mit dem Wissen um diesen bevorstehenden Verrat seines Meisters, handelt Sidious schneller und wirkungsvoller, als Plagueis dies wohl vermutet hat.

Was Sidious aber offensichtlich nicht gelingt, ist, das gezeugte Kind aufzuspüren. Weder wird die schwangere Shmi ermordet, noch wird ihr Kind von Sidious gestohlen. Auch hier, so scheint es, wirkt die Macht gegen ihren tödlichsten Feind. Sie verbirgt ihren zukünftigen Todfeind und lässt ihn, das Kind der Dunkelheit und des Bösen, im Licht aufwachsen. Zwei Sonnen, eine liebevolle Mutter, Freunde… der eigentlich teuflische Anakin wird hier zum Engel erzogen. Seine Mutter weiß genau – das sieht man ihr in Episode I deutlich an -, dass etwas nicht richtig ist mit diesem Kind, aber sie erträgt diese Gewissheit, sie nimmt die Bürde des Wissens auf sich, das Böse geboren zu haben und wirkt auf ein gutes Ende hin.

Das Ende eines Zeitalters – Die Prophezeiung und der Neue Anfang

So haben wir nun einen, der bald von vielen weisen Machtkennern als „der Auserwählte“ bezeichnet und mit einer alten Prophezeiung über das nahe Gleichgewicht in Verbindung gebracht werden wird. Zeit, diese Prophezeiung näher zu betrachten.

Die Filme geben wenig her, sie sprechen von Gleichgewicht und zeigen in Episode VI das Ende der Sith, das Gleichgewicht gebracht hat. In der Fangemeinde haben es sich viele leicht gemacht und das Problem mathematisch betrachtet: 2 Sith, 2 Jedi, Gleichgewicht.
Ist es so einfach?

Anakin bringt der Macht das Gleichgewicht, aber welche Seite muss denn eigentlich ausgeglichen werden?

George Lucas

Natürlich nicht. Dies ist kein mathematisches Gleichgewicht, sondern ein Gleichgewicht der Macht, der schöpfenden Lebenskraft, und damit des Lebens an sich. Ein spirituelles Gleichgewicht der Welt und der Wesen in ihr.
George Lucas selbst beschrieb es so:

Wenn Gut und Böse vermischt werden, verschwimmen die Dinge – es gibt Nichts zwischen Gut und Böse, alles ist grau. In jedem von uns herrscht ein Gleichgewicht dieser Gefühle, und in Krieg der Sterne ist das Gleichgewicht zwischen allem der wichtigste Faktor. Es ist gefährlich, wenn dieses Gleichgewicht verlorengeht. In Die Dunkle Bedrohung weiß ein Mitglied des Jedi-Rats schon, dass das Gleichgewicht der Macht verlorengeht, und dass das Ungleichgewicht noch stärker werden wird. Diese Person weiß, dass die Sith das Gleichgewicht zerstören werden. Auf der anderen Seite spricht eine Weissagung von jemandem, der das Gleichgewicht in der Zukunft ersetzen wird. Zur rechten Zeit kann das Gleichgewicht wiedergewonnen werden, aber im Moment wird es von dunklen Kräften angegriffen.

Auf den Einzelnen projeziert, kennen die meisten Religionen dieses Gleichgewicht. Die Bibel würde es „Versöhnung“ nennen, die Überwindung der „Sünde“ und der Kluft zwischen Mensch und Gott durch Glauben und Liebe, dort eingeleitet durch einen anderen Auserwählten. Der Hinduismus würde diesen Zustand Moksha nennen, das Durchbrechen des Kreislaufs von Geburt, Tod und Wiedergeburt durch die Befreiung vom Ich, und die Aufgabe der Bindung an die materielle Welt durch die Erkenntnis, dass alles Sein Illusion ist. Man ahnt hier schon, woher George Lucas die Technik genommen hat, wie die Jedi nach dem Tod ihre Identität bewahren können.

Auf die Welt projeziert findet man das Gleichgewichts-Motiv beispielhaft in der indischen Samkhya-Philosophie. Dort wird der Urzustand der Welt als ausgeglichen, also im Gleichgewicht, beschrieben. Die drei Elemente dieser Weltexistenz, Tamas, Rajas und Sattva, gleichen einander aus. Tamas beschreibt dabei die lähmende, unreine Dunkelheit, Rajas die rastlose, kämpferische Leidenschaft. Das ausgleichende Element ist dabei Sattva, die Reinheit, Wahrhaftigkeit und Weisheit, aber auch die innere Harmonie.

Übertrüge man diese Vorstellung nun auf die Macht, wären Jedi und Sith schnell zu orten. Auf der einen Seite die reine Wahrhaftigkeit, auf der anderen die lähmende Finsternis. Auch Anakin, kämpferisch, ungeduldig und leidenschaftlich, passt perfekt ins Bild. Der richtige Weg scheint also gefunden.

Was also geschieht hier genau?

Um die Frage zu beantworten, wie das Gleichgewicht zurückkehren kann, muss man zunächst eine andere stellen: wie ging es überhaupt verloren?
Der Samkhya-Philosophie zufolge, geriet die Welt aus dem Gleichgewicht, als sie in Bewegung kam. Die Elemente vermischten sich und schufen in letzter Folge die Naturelemente und das Ich, wobei mal das eine, mal das andere Element überwog.

Würde man dieses Bild wiederum auf die Macht übertragen wollen, wäre der Zustand des Ungleichgewichts also de facto einer, der seit Anbeginn der Welt vorherrscht. Die Macht schaukelt hin und her, mal ist sie in die eine, mal in die andere Richtung aus dem Gleichgewicht. Eine Prophezeiung würde unter diesen Umständen nur dann Sinn machen, wenn das tatsächliche Ende des ewigen Schwebezustands vorhergesagt würde. Das Ende des Kampfes. Nur mit einer derart allgemeinen Formulierung würden auch die Filme nur übereingehen können, denn sehen wir uns die Reaktionen auf das Erscheinen des Auserwählten an, der die Prophezeiung erfüllen wird:

Bei den Guten gibt es im Grunde drei Fraktionen: die Vergangenheitsfraktion, verkörpert durch Yoda, die Gegenwartsfraktion, verkörpert durch Qui-Gon, und die Zukunftsfraktion, verkörpert durch Obi-Wan.

Yoda hält sich ganz an die Prophezeiung und sieht vor seinen Kenntnissen um die vergangenen Taten des Bösen und seiner Träger vor allem die Gefahr, die Anakin verkörpert.

Qui-Gon, ganz dem Augenblick verpflichtet, sieht Anakin zwar als Kuriosum und spürt, dass etwas falsch mit ihm ist, stellt aber Anakins aktuellen Charakter und seine Chancen als Jedi über jede Zukunftssorge.

Obi-Wan schließlich macht sich Sorgen, übernimmt aber am Ende die Verantwortung, Anakin aus Qui-Gons Gegenwart und ungeachtet der Vergangenheit in die Zukunft zu führen.

Bei den Bösen gibt es nur eine sichtbare Reaktion: Sidious freut sich ungemein, dass Anakin endlich erschienen ist. Er hat sich seine Sporen als Manipulator verdient, er weiß, er kann Anakin beeinflussen und das Böse in ihm aufwecken.

Mit anderen Worten: die, die am Ende untergehen werden, freuen sich. Die, die – sehr stark geschwächt – überleben, sorgen sich. Verständlich wird das, wenn man sich die Republik ansieht: Tausend Jahre des Friedens, hat Sidious in Episode II gesagt, lägen hinter der Galaxis. Hier überwiegt, so scheint es, eindeutig das Gute, das heißt, dass die Jedi sich aus gutem Grund sorgen. Wenn das Gleichgewicht kommt, während ihr Licht über die Galaxis erstrahlt, bedeutet das automatisch einen Ausgleich hin zum Dunklen. In Episode II sollte Mace Windu ursprünglich den Satz sagen, „die Prophezeiung wird wahr. Die Dunkle Seite wird stärker“. Dieser Satz passt perfekt ins Bild. Die Waage, so fürchten die Jedi, neigt sich der Finsternis zu.

Anakin bringt am Ende das Gleichgewicht aber durch die Vernichtung der Sith. Das heißt, nach seinem Tod ist die Dunkelheit vernichtet, und das Licht lebt. Wie passt das zusammen?

Vielleicht, indem man auf ein anderes Bild zurückgreift und den Kampf von der galaktischen auf die persönliche Ebene zieht. Denn jede Veränderung im Großen beginnt im Kleinen. „Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt“, erklärte der Teaser-Trailer von Episode I einst so hochtrabend. Hier mag es der Fall sein. Vielleicht bringt Anakin keinen Gleichgewichtszustand, sondern setzt nur eine Entwicklung in Gang. Im Fall des biblischen Auserwählten ist das klar der Fall, hier beginnt die Reise dort, wo sein weltlicher Weg endet. Er brachte die Lehre, doch es blieb seinen Jüngern überlassen, sie zu verbreiten. Auch der Buddha brachte eine Lehre, die bis heute nachhallt. Auch er war auserwählt. Jeder Religionsgründer hat als auserwählter Lehrer letztlich nur eine Botschaft auf den Weg gebracht, die seither nach Anhängern sucht, um ein weltumfassendes spirituelles Gleichgewicht zu finden. Und Frieden. So machte ein Jeder seinen ersten Schritt und gab der Welt eine neue Lehre, einen neuen Anfang.

Joseph Campbell hat bei seiner Analyse der Heldenreise als zentrale Tat des Helden den Erwerb einer heilenden Weisheit herausgearbeitet. Der Held steigt in die Unterwelt und gewinnt den Schlüssel zur Rettung der Welt. Er kann diesen Schlüssel nun für sich behalten und zum Tyrannen werden, oder ihn in die Welt zurückbringen und damit seine Aufgabe erfüllen.
In Episode III tut Anakin ganz offensichtlich ersteres. Er gewinnt Macht und behält sie. Wenn es gelingt, die Natur dieser Macht, also die Form des Schlüssels, herauszufiltern, ist man der Essenz der Prophezeiung nahe.
Dies kann durch einen Vergleich geschehen: was tut Anakin in Episode VI, was er in Episode III nicht getan hat?

Er tötet Sidious, gut. Aber das kann es ja wohl nicht allein sein. Also weiter: er gibt seine Selbstsucht auf, befreit sich von seiner Gier nach Leben, gibt dieses Leben für das seines Sohnes, übernimmt Verantwortung und streift die Ketten ab, die ihn seit seiner Kindheit nach Führung haben suchen lassen. Anders gesagt: er widersetzt sich der Macht nicht mehr. Er will ihre Gesetze vom natürlichen Sterben nicht länger in Frage stellen. Er nimmt sie an und zahlt den Preis für das Leben seines Sohnes. Sein eigenes Leben.

Was hätte er demzufolge in Episode III tun müssen? Er hätte Padmés Tod, oder besser: die Möglichkeit ihres Todes, akzeptieren müssen. Er hätte dann, befreit von seinem Streben nach Macht über das Leben, eine objektive Wahl treffen müssen, frei von Zorn, frei von Gier, frei von Bindungen. Ob er ein Jedi geblieben wäre, wer mag das sagen? Ein Verteidiger der Macht wäre er gewesen, wenn auch vielleicht nicht ihres reinen Lichts. Ein Verteidiger der Welt.

Es geht also um Verantwortung. Um Selbstfindung und Selbstständigkeit.

Im Sinne der drei Elemente geht es um die Aufgabe von Leidenschaft und Lähmung und das Erreichen innerer Harmonie.

Kann es so einfach sein? Wenn ja, dann hätten sowohl Jedi, als auch Sith den Zustand der Galaxis in den tausend Jahren vor Episode I missinterpretiert. Dann wäre dieses Zeitalter kein Goldenes gewesen, sondern eine Zeit der Lähmung und der gleichzeitigen Rastlosigkeit. Eine Zeit der Orientierungslosigkeit und des Stillstands. Das Goldene Zeitalter, die tausend Generationen von Frieden und Gerechtigkeit… alles in Wahrheit nur Blendung? Stillstand? Orientierungsloses Chaos?

Es wäre eine harte Botschaft, eine, die man nicht gerne hört. Aber verkörpern nicht sowohl Meister Yoda, als auch Kanzler Valorum und Darth Sidious genau dies? Ist Yoda nicht die Personifizierung des Stillstands, ein 900jähriger, der seit 800 Jahren Jedi immer wieder gleich ausbildet und keine Veränderung kennt? Der diese Starrheit verteidigt und jeden bekämpft, der Veränderung bringt? Ist nicht Valorum die Verkörperung des bürokratischen Stillstands einer Republik, die wächst, ohne sich zu entwickeln? Ist Sidious nicht der Sklave einer Rache, die nicht seine eigene ist? Ist er nicht nur der letzte Thronerbe einer Dynastie von Möchtegernherrschern, deren Motivation aus sich selbst erwächst und damit nur ein inhaltsloses Kunstprodukt ist?

Und was ist Anakin? Ein Aufbruch? Ein Neuanfang? Er hilft, die Jedi zu jagen und auszurotten. Er zerstört die Republik. Er vernichtet die Sith. Was davon hätte er tun müssen? Vermutlich nichts. Als Lehrer hätte er die Welt lehren müssen. So zerstört er sie und lehrt nur seinen Sohn. Wie es scheint, reicht das.

Zu Beginn haben wir festgestellt, dass die Jedi das Gute sind, und die Sith das Böse. Anakin zerstört beides, war er doch von Anfang an weder Sith, noch Jedi, sondern wahrhaftig auserwählt. Geschaffen von der Macht selbst unter Ausnutzung der Herrschaftsgier der Sith, den Jedi überantwortet, ohne dabei je wirklich einer von ihnen zu werden. Ein Sohn der Macht und ihr Auserwählter, geschmiedet von Sith und Jedi für eine neue Lehre. Und so erhebt er sich über die starren Begriffe von Licht und Finsternis und findet sich selbst in einem Mord aus Liebe zu seinem Sohn. Gut? Böse? Wen stört es. Es war richtig.

Was kommt nach Anakin?

Wir wissen es, es ist sein Sohn. Ein neuer Jedi-Orden steigt auf. Eine neue Galaxis erhebt sich aus den Trümmern einer untergegangenen Welt. Veränderung, Harmonie, Reinheit, vielleicht auch die Wahrhaftigkeit, Anakins Beispiel zu folgen und Veränderungen nicht auszuweichen, sondern sie anzunehmen. Sich nicht über Dogmen zu definieren, sondern über sich selbst. Die Welt ist im Aufbruch.

Anakins Weg ist sein Ziel, Anakins Reise seine Botschaft.
Die Prophezeiung ist erfüllt, der Kampf ist vorüber.

Quellen

  • Campbell, Joseph: Der Heros in Tausend Gestalten, Insel 1999.
  • Henderson, Mary: Star Wars – Magie und Mythos, VGS 2002.
  • Bouzereau, Laurent: Star Wars – The Annotated Screenplays, Del Rey Books 1997.
  • Zimmer, Heinrich: Philosophie und Religion Indiens, Suhrkamp 2001.
  • Time Magazine 05/1999.
  • Star Wars Insider #52.

Christoph

Als SWUler der 2. Generation ist Christoph seit Sommer 2001 auf Star Wars Union aktiv und übernimmt inzwischen eher Aufgaben hinter den Kulissen. Seine Liebe gehört der Lucas-Saga, dem Dunklen Imperium, der New-Jedi-Order-Buchreihe, der Entstehungsgeschichte des Kriegs der Sterne sowie Jyn Erso.

Schlagwörter

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Anzeige

mehr zum thema

Mehr zum Thema

Die große Saga vom Krieg der Sterne erzählt vom Sündenfall Anakin Skywalkers, vom Kampf seines Sohns um die Seele des Vaters und vom großen Ringen um die Macht in der Galaxis zwischen Republik und imperialer Tyrannei.

Mehr erfahren!
Drew Struzans Plakatmotiv für Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung

Die dunkle Bedrohung // Artikel

Zeitreise 1999: Drew Struzans Plakat zu Episode I – Die dunkle Bedrohung

Michael Lynch als C-3PO

Die dunkle Bedrohung // Artikel

Zeitreise 1999: Der Mann hinter C-3PO

verwandte themen

Verwandte Themen

Die DVD-Premiere von Episode II: Angriff der Klonkrieger

Die DVD-Premiere von Episode II: Angriff der Klonkrieger

Im November 2002 erschien Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger auf DVD. StarWars.com stellte damals den Produktionsprozess und die Inhalte des DVD-Sets vor.

Angriff der Klonkrieger // Artikel

08/10/2002 um 12:44 Uhr // 0 Kommentare

Michael Giacchino schwärmt von Rogue One

Michael Giacchino schwärmt von Rogue One

Der Komponist über seinen unverhofften Job und seine Arbeit am Star-Wars-Stand-Alone

Rogue One // Interview

23/11/2016 um 21:27 Uhr // 31 Kommentare

Making of Episode IV – Eine neue Hoffnung

Making of Episode IV – Eine neue Hoffnung

Der Weg hin zum Krieg der Sterne war lang und steinig. Wir blicken hinter die Kulissen des Films, mit dem alles begann.

Eine neue Hoffnung // Artikel

03/01/2003 um 11:28 Uhr // 0 Kommentare

Keine Beiträge gefunden.

Anzeige