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Detours // News

Genial absurd: Das war Star Wars Detours

der Chefautor der toten Comedyserie erzählt von George Lucas

Nicht alle Totgesagten stehen auf einer Insel im Meer und warten auf ein Lichtschwert: Im Falle von Detours liegt das gute Stück eher auf einer Festplatte herum und wartet auf einen Erlöser. Screencrush hat dem eingefrorenen Comedyprojekt nun ein kurzes Making-of spendiert und hatte dabei Gelegenheit, Chefautor Brendan Hay (The Daily Show, Die Simpsons, Robot Chicken) über seine Zusammenarbeit mit George Lucas zu befragen:

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[…]

Da keine neuen Krieg-der-Sterne-Filme anstanden, begann George Lucas in aller Stille, etwas zu entwickeln, das zunächst Star Wars: Squishies hieß, benannt nach dem „Squash and Stretch“-Animationsprinzip. Auf der Suche nach Mitstreitern wandte sich Lucas an Matthew Senreich und Seth Green, in deren Robot-Chicken-Serie regelmäßig Sketche auf Krieg-der-Sterne-Basis vorkamen. Nachdem Lucas ihre Parodien gesehen und für gut befunden hatte, gab er den Beiden die Erlaubnis, ein halbstündiges Special über seine Figuren zu machen. Robot Chicken: Star Wars war so erfolgreich, dass zwei Fortsetzungen folgten. Als Lucas dann bei der Entwicklung von Star Wars: Squishies Partner brauchte, fiel seine Wahl sofort auf Senreich und Green.

Squishies wandelte sich schließlich zu Detours, einer computeranimierten Sketchserie, die die respektlose, popkulturverliebte Robot-Chicken-Perspektive mit Humor für alle Altersgruppen verknüpfte. Jede Folge bestand aus drei sechsminütigen Kurzepisoden, die an drei legendären Schauplätzen des Kriegs der Sterne spielten: Dem Todesstern, Tatooine und Coruscant. Das erste Konzept war faktisch ein Seinfeld im Weltraum, eine Serie über das langweilige Leben normaler Bewohner der Randbereiche des Krieg-der-Sterne-Universums, in der Dex’s Diner aus Angriff der Klonkrieger die galaktische Rolle von Monk’s Café einnehmen sollte.

In diesen ersten Überlegungen zur Serie war nicht vorgesehen, irgendwelche Hauptfiguren aus den Filmen einzusetzen. Stattdessen sollte Detours neue Figuren beleuchten, darunter zwei unmotivierte Sturmtruppensoldaten, die von Donald Faison (Scrubs) und Breckin Meyer (King of the Hill
) gesprochen wurden, sowie zuvor eher unbekanntere Gestalten wie die Kopfgeldjäger Bossk und Dengar. Allerdings hatten die Autoren so viel Spaß dabei, die berühmten Helden und Schurken der Filmreihe zu parodieren, dass sie nach und nach allesamt zur Stammbesetzung der Serie stießen. Sogar einige Krieg-der-Sterne-Veteranen stießen zum Ensemble, darunter Anthony Daniels (C-3PO), Ahmed Best (Jar Jar Binks) und Billy Dee Williams (Lando Calrissian), die alle einmal mehr in ihre vertrauten Rollen schlüpften.

Viele Fans des Kriegs der Sterne sprechen von George Lucas, als sei er eine Art Imperator Palpatine, ein allmächtiger Herrscher auf dem Thron eines riesigen Reiches, der selbstsüchtig seine wahnsinnigen Ziele verfolgt und mit absoluter Macht über seine Untertanen herrscht. Fragt man dann aber Brendan Hay, wirkt Lucas eigentlich nur ziemlich entspannt.

„Egal, was man über die Filme denkt, dieser Mann steckt einfach voller Ideen“, so Hay. „Sie gehen ihm nie aus, und er hört nie auf, Neues vorzuschlagen.“

Und Hay muss es wissen: Als leitender Autor von Detours verbrachte er viel Zeit mit Lucas, der sich persönlich in die Entwicklung der Serie einbrachte. Als sich die Autoren zu zweiwöchigen Handlungsbesprechungen auf der Skywalker Ranch trafen, verbrachte Lucas die Hälfte jeden Tages mit ihnen. Er lieferte Konzepte und Gags, erklärte die Feinheiten der Mythologie und Geschichte und führte Material vor, das den Stil und Humor der Serie beeinflussen sollte, darunter alte Looney-Tunes-Cartoons, Charlie-Chaplin-Kurzfilme, Little-Britain-Sketche und virale Videos.

Hört man Hay zu, gewinnt man einen ganz anderen Eindruck von Lucas als den, der im Fandom verbreitet ist. Hier ist Lucas kein mürrischer alter Großvater, sondern, um Hay zu zitieren, ein „charmanter, exzentrischer Onkel“. Vor allem aber beschreibt Hay jemanden, der keine Tabus kannte, wenn es um seine unschätzbar wertvolle Schöpfung ging. „So viele Fans sagen Dinge wie, oh Gott, man kann das doch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Er hingegen wäre der erste, der meint: Tu, was immer nötig ist, um einen Gag zu produzieren. Kommt schon, haben wir einfach Spaß damit!“

Auch Lucas‘ Vorschläge für die Serie waren laut Hay nicht die eines humorlosen Typen ohne Geschmack mit altbackenen Ideen, sondern häufig genial absurd. Bei einer Besprechung kamen die Autoren nicht weiter, als es darum ging, einen Streit zwischen zwei Außerirdischen zu schlichten. Lucas‘ Vorschlag: Wieso frisst der eine nicht einfach den anderen auf? „Sie sind doch beide außerirdische Ungeheuer. Kein Grund, eine friedliche Lösung zu finden, sollen sie sich doch einfach fressen.“

„Wir dachten uns: Hmm, aber legt das nicht nahe, dass diese Figuren Kannibalen sind“, berichtet Hay. „Und er sagte: Ich behaupte ja nicht, dass es perfekt ist, aber versuchen wir es doch mal.“

Nur zwei Vorgaben machte Lucas: Die Serie musste für Kinder geeignet sein und zwischen Episode III und IV spielen. Ansonsten gab es keine Einschränkungen, was die Serie durfte oder auch wie sie aussehen sollte. Als Regisseur Todd Grimes den Autoren verschiedene Designoptionen für die Serie präsentierte, schlug Lucas vor, aus den unterschiedlichen Stilen einfach die jeweils besten Vorschläge auszuwählen, was im Animationsbereich eigentlich unüblich ist, da pro Serie ein Stil vorherrschen sollte. Lucas aber sagte: „Es ist ein Cartoon. Nehmt die besten Ideen.“ Hay erinnert sich, dass er damals dachte: „Okay, gut, das hat noch keiner versucht.“

Es dürfte niemanden überraschen, dass die Autoren von Detours mehrheitlich seit ihrer Kindheit Fans des Kriegs der Sterne waren und entsprechend viele Fragen an Lucas hatten. Und der, so Hay, beantwortete jede einzelne. Er posierte mit ihnen für witzige Fotos, zeigte ihnen eine Archivfassung des Holiday Specials und erklärte sogar die Hintergründe des wohl berüchtigtsten Elements der Prequels: Der Midichlorianer. Wie Hay berichtet, habe Lucas mit ihnen zeigen wollen, dass die Macht in der klassischen Trilogie nur mystisch gewirkt habe, weil es eine „bildungsärmere Zeit“ gewesen sei und die Wissenschaft hinter der Macht verlorengegangen war. „Ich glaube, die Fans hätten mehr Respekt vor den Prequels, wenn sie die Chance hätten, mit George Lucas persönlich darüber zu sprechen“, so Hay. „Ich wollte sie mir selbst eigentlich nie mehr ansehen, aber nachdem ich George zugehört hatte, der uns erklärte, wieso er welche Entscheidung getroffen hatte, verstand ich vollkommen, wieso sie wurden, was sie sind.“

Allerdings verbrachte George Lucas jeweils nur die Hälfte seiner Tage mit den Detours-Autoren. Die andere Hälfte war Gesprächen mit Lizenznehmern, Spielzeugherstellern und Geschäftsleuten gewidmet. Und auch wenn es nur wenige Leute außerhalb seines Unternehmens ahnten, bereitete Lucas zu jener Zeit den Verkauf von Lucasfilm an Disney vor. Die 4-Milliarden-Dollar-Transaktion wurde am 30. Oktober 2012 bekanntgegeben, gerade einmal zwei Monate nach der Detours-Ankündigung.

Im März des darauffolgenden Jahres gab StarWars.com bekannt, dass die beliebte Serie Star Wars: The Clone Wars auslaufen und Detours „zu einem späteren Zeitpunkt“ veröffentlicht werde. Und damit war das Projekt zuende, bevor es richtig begonnen hatte. Es war, als sei die ganze Produktion in Karbonit eingefroren und in Jabbas Palast verfrachtet worden. Bis heute ist sie nicht aufgetaut worden, und es gibt keine Anhaltspunkte, dass der „spätere Zeitpunkt“ jemals kommen wird.

In Interviews hat Seth Green wiederholt betont, dass Detours irgendwann veröffentlicht werden wird, selbst wenn die Fernsehbranche sich bis dahin „fundamental ändern“ muss. Hay ist da weniger optimistisch: „Ich glaube, uns stand ein kurzes Zeitfenster offen“, meint er. „Wir haben für die Reihe insgesamt zu einem gewissen Zeitpunkt Sinn ergeben. Jetzt, da es Das Erwachen der Macht gibt und all diese neuen Figuren und dieses neue Zeugs, sind wir einfach nicht mehr von Relevanz.“

[…]

Rückblickend erzählt Hay, dass er und seine Autoren von dem Freiraum geschockt gewesen seien, den Lucas ihnen gab, um sich über sein Baby (und über ihn selbst) lustig zu machen. Hinter vorgehaltener Hand witzelten sie, dass Detours das Holiday Special ihrer Generation werden würde, ein beinahe unbekanntes Stückchen Krieg der Sterne, über das die Fans zwar reden, das sie aber nie zu sehen bekommen. „Wir scherzten damals, dass George unser Material zum Scherz auf seinen Weihnachtsfeiern zeigen würde.“

Mit ihren Vermutungen lagen die Autoren nur fast richtig: Das Holiday Special wurde zumindest einmal ausgestrahlt.


Christoph

Als SWUler der 2. Generation ist Christoph seit Sommer 2001 auf Star Wars Union aktiv und übernimmt inzwischen eher Aufgaben hinter den Kulissen. Seine Liebe gehört der Lucas-Saga, dem Dunklen Imperium, der New-Jedi-Order-Buchreihe, der Entstehungsgeschichte des Kriegs der Sterne sowie Jyn Erso.

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8 Kommentare

  1. Kyle07

    Hab gestern oder vorgestern zufällig einen Clip aus Robot Chicken gesehen. Ist echt lustig. Dennoch trauere ich Detours kein Stück nach.

  2. Jackson Ivanova

    Interessanter Bericht. Ich wusste gar nicht, dass George Lucas so eng mit den Detours-Machern zusammen gearbeitet hat. Detours hätte es allein schon deshalb verdient, veröffentlicht zu werden, weil es (neben Clone Wars) die letzten Star Wars-Inhalte darstellt, an denen Lucas selbst mitgearbeitet hat.
    Ich finde es zwar ein wenig seltsam, dass Lucas immer davon redet, experimentelle Filme machen zu wollen, dann aber seine Zeit in so etwas steckt…aber hey, wenn’s ihm Spaß gemacht hat, dann soll es mir recht sein.

    Dies ist übrigens mein erster Kommentar hier. Ich lese seit 15 Jahren mit und besuche die Seite fast täglich. Wollte mich in der Vergangenheit schon mehrmals anmelden und aktiv mit diskutieren, aber irgendwie war ich dann doch immer zu faul dazu. Mal sehen, ob noch weitere Kommentare von mir folgen. 😉

  3. McSpain

    Irgendwo in einer alternativen Realität wurde es gezeigt und deren Fandom muss sich damit beschäftigen. Ich fühle mich in dieser Realität wohl und muss es nicht.

  4. Darth Sieugalp

    Für mich bleibt Robot Chicken die Referenz und ich hoffe, dass Seth Green wieder grünes Licht für ein weiteres Star Wars Special bekommt.

  5. DrJones

    Ich bin sehr froh, dass dieser selbstgefällige und völlig humorlose Stoff nicht weiter verfolgt wird. Das tut schon weh!

  6. George Lucas

    – "Da keine neuen Krieg-der-Sterne-Filme anstanden, begann George Lucas in aller Stille, etwas zu entwickeln, das zunächst Star Wars: Squishies hieß […]"

    Na zum Glück standen dann doch neue Filme an.

  7. Tydirium68

    @Kyle07

    Ich könnte mir schon vorstellen, dass da was dran war. Das mit der Finanzierung durch die 3D-VÖ hört sich recht plausibel an, und Lucas hat schon immer strategisch und vorausschauend geplant.

    Interessant ist, wie viele SWU-User sich Sorgen um das alte EU machten. Mir persönlich war das ja schon immer egal. Zwar habe ich unzählige SW-Romane und -Comics gelesen – die ich zum Teil ganz großartig fand und finde – aber dies lief in meinen Augen immer neben der eigentlichen Saga.

    Die Filme spielten für mich immer in einer ganz eigenen Liga.

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