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George Lucas 2005 – Das Leben nach Darth

George Lucas' Aufstieg zum Blockbuster-König bedeutete seinen Abschied vom Avantgarde-Kino. Was sind seine Pläne nach Episode III - Die Rache der Sith?
George Lucas© Denis Makarenko / Shutterstock.com

Ein Interview mit George Lucas

Steve Silberman: Sie arbeiten seit fast 30 Jahren an Krieg der Sterne, jetzt ist die Arbeit vorbei. Sind Sie erleichtert?
Lucas: 
Ja. Ich habe Krieg der Sterne sehr genossen, aber es ist toll, sich auf Projekte freuen zu können, die ich seit einer langen Zeit habe machen wollen. Ich kann dahin zurückgehen, wo ich war, bevor mir [Krieg der Sterne] passiert ist.

Silberman: Was tun sie, um mit dem Teil von sich in Verbindung zu kommen, der nicht der Typ ist, der Krieg der Sterne gemacht hat?
Lucas: 
Ich versuche, mit diesem Teil von mir in Kontakt zu bleiben, vor allem, wenn ich schreibe. Als ich Krieg der Sterne hätte schreiben sollen, habe ich am Ende mehr gelesen und nachgedacht, als geschrieben. Wer drei oder vier Monate hintereinander schreibt, der geht an Orte, an die ein normaler Mensch nicht gehen würde, sofern er nicht gerade ein tibetischer Mönch wäre. Die meisten Autoren versuchen, dieser Art Zustand aus dem Weg zu gehen, also lässt man sich Entschuldigungen einfallen, wieso man dieses oder jenes Buch lesen muss. Für gewöhnlich habe ich dann jede Menge Ideen für Filme, die ich wirklich gerne machen würde.
Keiner der Filme, die ich gemacht habe, war für ein Massenpublikum gedacht, außer Indiana Jones. Niemand, der ganz bei Verstand war, hätte gedacht, dass American Graffiti oder Krieg der Sterne erfolgreich sein würden.

Silberman: Aber die zweite Trilogie hatte doch sicher von Anfang an sichere Zuschauer.
Lucas: 
Ja. Alle sagen, dass die zweite Trilogie ein sicherer Treffer war. Aber es gab eine Menge kontroverser Reaktionen wegen der Tatsache, dass ich nicht das offensichtliche tat: ich habe nicht die kommerzielle Version gedreht, die alle erwartet haben. Die Leute haben Episode III erwartet, also Anakin Verwandlung in Darth Vader, und wollten das als Episode I sehen. Und dann dachten sie, dass Episode II und III Darth Vader zeigen würde, der Leuten den Kopf abhackt und das Universum terrorisiert. Aber wie wird er Darth Vader? Man muss zeigen, wie er mit Menschen umgeht, woher er kommt. Er war ein liebes Kind, hilfsbereit, genau wie die meisten Leute sich selbst sehen. Die meisten Leute sagten, ‚dieser Typ muss ein schrecklicher kleiner Satansbraten gewesen sein – ein Dämonenkind.‘ Aber die Sache ist, dass er nicht so geboren wurde – er wurde so und dachte, dass das richtig war. Am Ende erkannte er, dass er auf dem Weg zur Dunklen Seite ist, aber er glaubt, dass das zu rechtfertigen ist. Die Frage ist, wie eine Demokratie eine Diktatur werden kann, und wie eine gute Person böse wird – und trotzdem, ganz am Ende, glaubt, das richtige zu tun.

Silberman: Heute spricht man über Gut und Böse für gewöhnlich als Grauabstufungen, aber in Ihren Filmen sind Gut und Böse klarer definiert.
Lucas: 
Es ist eine altmodischere Version von Gut und Böse – die Version, die mit der wir in den 40ern und 50ern aufwuchsen, als es wegen des Zweiten Weltkriegs ein starkes Empfinden für Gut und Böse gab. Das ist einer der wenigen Augenblicke in der Geschichte, als die Bösen für uns sehr klar umrissen waren. Es gab wirklich einen Kampf ums ÜBerleben zwischen recht klar guten Leuten und den Bösen.
Die Geschichte, die in Krieg der Sterne erzählt wird, ist eine klassische Geschichte. Alle paar hundert Jahre wird diese Geschichte neu erzählt, weil wir dazu neigen, das gleiche immer wieder zu machen. Macht verdirbt, wenn man Macht hat, beginnt man, Dinge zu tun, die man für richtig hält, die es aber nicht sind.

Silberman: Hatten sie immer vor, eine zweite Trilogie zu machen.
Lucas: 
Die ursprüngliche Geschichte wird wirklich in den ersten drei Filmen erzählt. Ich dachte nie, dass ich zurückgehen und die Hintergrundgeschichte erzählen würde, weil ich Krieg der Sterne anfangs sehr beschränkt erschaffen musste, damit die Technologie, die ich damals hatte, damit fertigwurde. Das gleiche habe ich mit THX-1138 gemacht – ich musste eine futuristische Welt ohne Spezialeffekte und ohne Kulissen erschaffen. Mit jedem Film habe ich die technischen Möglichkeiten ausgeweitet. Für Krieg der Sterne musste ich eine völlig neue Art Spezialeffekte entwickeln, um dem Film die Art von kinetischer Energie zu geben, nach der ich suchte. Mit Motion-Control-Kameras habe ich das geschafft. Ich hatte eine Menge Erfahrung in der Animation, deshalb ging es darum, die Animationstechnik zu nutzen und sie in eine Effekttechnik zu verwandeln. Bei Das Imperium schlägt zurück musste ich einen Schauspieler schaffen, der glaubhaft agieren konnte, trotzdem aber nur 75 cm groß war. Der ganze Film ruhte darauf, dass wir das hinkriegten, dass Yoda nicht wie Kermit wirken würde. Hätte ich bei irgendeinem dieser Projekte versagt, wären die Filme einen schrecklichen Tod gestorben. Ich musste es glaubhaft machen, selbst wenn es völlig lächerlich war. Ich musste sagen, ‚es ist echt. Wir fliegen in Raumschiffen herum mit Wookiees an Bord – all das ist echt, das sind echte Leute.‘ Das war der schwerste Teil.
Nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter sagte ich mir, ‚jetzt lege ich eine Pause ein und ziehe meine Kinder groß, und dann komme ich zurück und mache meine persönlichen Filme, weil das genau das ist, was ich machen will.“

Silberman: Warum sind sie dann aber zu Krieg der Sterne zurückgegangen, anstatt persönliche Filme zu drehen?
Lucas: 
Fünfzehn Jahre später hatten wir bei Industrial Light & Magic so viele Fortschritte gemacht, vor allem durch Jurassic Park. Das war die Wasserscheide, ab da waren wir in der Lage, mit der digitalen Technologie realistische Figuren zu erzeugen. Ich habe damals noch einmal darüber nachgedacht. Ich konnte Städte wie Coruscant erzeugen, ich konnte ein Pod-Rennen veranstalten, ich könnte andere Dinge tun, die bis zu diesem Zeitpunkt unmöglich gewesen waren. Der bestimmende Faktor war die Krieg der Sterne: Special Edition, wo die Frage war, ob man einen realistischen Jabba den Hutten schaffen kann. Kein großes Gummiding, sondern eine wirkliche digitale Figur. Ich dachte mir, dass, wenn ich das tun kann, ich alles tun kann. Als wir die Special Edition herausbrachten, haben wir wirklich nicht erwartet, so viele Zuschauer zu erreichen. Wir hatten nicht sehr viele Videokassetten verkauft – nur etwa 300.000, denke ich – was nichts ist, vergleichen mit den 11 Millionen von E.T.. Also sagte ich, in Ordnung, das ist ein Experiment, und hoffentlich kriegen wir unser Geld wieder rein.

Der Erfolg der Wiederveröffentlichung sagte mir nicht nur, dass ich diese Figuren und bessere Kulissen und Städte schaffen konnte, als je zu vor, sondern auch, dass die Krieg der Sterne-Zuschauer noch am Leben waren – nach 15 Jahren waren sie noch nicht alle verschwunden. Ich entschied, dass wenn wir die Hintergrundgeschichte jetzt nicht machen, wir sie niemals machen werden. Also habe ich angefangen, sie zu erzählen, und jetzt bin ich damit fertig. Jetzt kann ich also tun, was ich dachte, damals machen zu können.

Silberman: Zusätzlich zu den experimentellen Filmen, die Sie, wie Sie sagen, jetzt machen wollen, haben Sie Interesse an historischen Filmen geäußert.
Lucas: 
Ja, aber ich will nicht in Situationen geraten, wo die Leute sagen, ‚das ist historisch nicht korrekt‘. Geschichte ist Fiktion, aber die Leute scheinen das anders zu sehen. Was ich an Fantasy und Science Fiction mag, ist, dass man sich Themen greifen, sie aus ihren kulturellen Zwangsjacken zerren und über sie reden kann, ohne heilige Kühe zu schlachten, was sofort dazu führt, dass die Leute aufhören, zuzuhören.

Silberman: Geben Sie mir ein Beispiel für eine solche heilige Kuh.
Lucas: 
Fahrenheit 9/11. Die Leute sind durchgedreht. Die heilige Kuh dieses Films waren George Bush oder der Irak oder der 11. September oder… – intensive emotionale Themen, die dazu führten, dass die Leute ihre Scheuklappen aufgesetzt und gesagt haben, ‚ich habe habe eine Meinung darüber, und ich werde nichts anderes akzeptieren‘. Wenn man offener an diese Themen herangehen könnte – was von der menschlichen Seite im Hintergrund passiert, auf allen Seiten – könnte man ein interessantes Gespräch führen, ohne, dass die Leute schreien, sich Wachs in die Ohren rammen oder wie kleine Kinder aus dem Raum rennen.

Silberman: Und Sie machen das, indem…
Lucas: 
… ich Filme äußerlich über etwas anderes mache, als worum es wirklich geht. Genau das ist Mythologie, und genau damit hat sich das Geschichtenerzählen schon immer beschäftigt. Kunst dreht sich darum, mit Menschen auf Gefühlsebene zu kommunizieren, ohne die intellektuellen heiligen Kühe der aktuellen Lage und sich so mit sehr emotionalisierenden Themen auseinanderzusetzen.

Silberman: Leben und Tod.
Lucas: 
Leben und Tod, oder „ich will meinen Vater umbringen und Sex mit meiner Mutter haben“. Über so etwas innerhalb einer Familie zu sprechen, ohne dass sich dabei jemand aufregt, ist schwer. Aber in der Kunst kann man solche Themen ansprechen. Man beginnt zu verstehen, dass andere Menschen die gleichen Erfahrungen gemacht haben und die gleichen Pfade tief in ihr Bewusstsein hinein gegangen sind. Die meisten Geschichten werden wirklich für Heranwachsende erzählt, und genau deshalb ist Krieg der Sterne auf Jugendliche zugeschnitten. Gesellschaften haben eine ganze Reihe von Geschichten, um ihre Kinder ins Erwachsenleben zu führen, indem sie sagen, ‚keine Sorge, alle denken so. Du bist nur ein Teil der Gemeinschaft. Wir reden nicht gern darüber, aber wenn Du so handelst, wie Du es vorgeschlagen hast, wird folgendes passieren: Zeus wird herabsteigen und Dich zertreten, oder eine ganze griechische Armee wird kommen und Deine Stadt zerstören und jeden verbrennen, der darin ist, auch Deine Helden‘. Solche Lektionen werden kontinuierlich von einer Generation zur nächsten weitergegeben. Ich liebe die Geschichte, also schaffe ich eine Umgebung, in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft, die es mir erlaubt, die Geschichte zu erzählen, aber auf eine Weise, die niemanden aufwiegelt.

Silberman: Ein Film wie Casablanca war eine lehrreiche Fabel für Erwachsene, und es waren Lektionen darin über Entscheidungen und die Liebe, die ich als Jugendlicher unmöglich verstanden hätte. Haben Sie jetzt vor, Filme zu machen, die das gleiche für Erwachsene tun, was Krieg der Sterne für Jugendliche getan hat?
Lucas: 
Sobald die Leute die Universität verlassen, ist ihre Sicht der Welt festgelegt. Mit einem Film wie Fahrenheit 9/11 kann man die Menschen, die bereits so denken wie man selbst, erreichen, und sie werden sagen, ‚genau so!‘, aber die Leute, die anders denken, erreicht man nicht. Ich stecke in dieser Welt fest, in der ich ein Unterhaltungskünstler bin. Ein Film ist eine große Sache. Entweder muss man unendliche Ressourcen haben, oder man muss Filme für eine Zielgruppe machen.
Die Filme, die am interessantesten sind, bringen nicht einmal eine Million Dollar ein. Was bedeuten eine Million Dollar? Es bedeutet, dass einige Hundertausend Leute den Film gesehen haben

Silberman: Ein Film wie Being John Malkovich war recht experimentell, und trotzdem in der Lage…
Lucas: 
Ja, ich mag solche Filme. Sie sind einfallsreich und sie laufen recht gut. Ich meine, ich komme aus San Francisco. Stan Brakhage ist ein esoterischer Filmemacher. Being John Malkovich war nur etwas ungewöhnlich. Eraserhead war esoterisch.

Silberman: Welche anderen Filme haben Ihnen in den letzten Jahren gefallen?
Lucas: 
Amélie war großartig. Aber das beste, was seit Fahrenheit 9/11 passiert ist, ist, dass wir jetzt Dokumentarfilme im Kino zeigen können. Ich habe eine kleine Dokumentarabteilung, die gerade Material für Die Abenteuer des jungen Indiana Jones produziert, aber mit diesem Projekt wird es nicht aufhören.

Silberman: Wenn der Biography Channel 2050 eine Dokumentation über Sie dreht, wie wollen Sie, dass man sich dann an Sie erinnert?
Lucas: 
Man wird mich als Filmemacher in Erinnerung behalten. Die technischen Probleme, die ich gelöst habe, werden bis dahin vergessen sein, aber ich hoffe, dass einige der Geschichte, die ich erzählt habe, dann noch aktuell sind. Ich hoffe, dass Krieg der Sterne nicht zu veraltet wirken wird, weil ich denke, dass die Themen dieser Filme zeitlos sind. Wenn man Kinder großgezogen hat, dann weiß man, dass es Dinge gibt, die man ihnen erklären muss. Tut man das nicht, dann lernen sie es auf die harte Tour. Im Endeffekt muss jemand sagen, ‚lang nicht auf die Herdplatte‘. Die alten Geschichten müssen also ständig wiederholt werden, und das auf eine Art und Weise, die von jeder neuen Generation akzeptiert wird. Ich glaube nicht, dass ich mich jemals zu weit von den alten Geschichten entfernen werde, weil ich denke, dass man sie noch immer erzählen muss.


Christoph

Als SWUler der 2. Generation ist Christoph seit Sommer 2001 auf Star Wars Union aktiv und übernimmt inzwischen eher Aufgaben hinter den Kulissen. Seine Liebe gehört der Lucas-Saga, dem Dunklen Imperium, der New-Jedi-Order-Buchreihe, der Entstehungsgeschichte des Kriegs der Sterne sowie Jyn Erso.

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