Dedra Meero und Syril Karn sind keine typischen Handlanger des Imperiums, sondern Überzeugungstäter.
Die beiden Antagonisten von Andor sind grimmige, aber auch nuancenreiche Gegner, Menschen, die sich gleichzeitig als Schurken und als Allerweltspersonen lesen lassen und die auf der Suche nach Einfluss gefährliche Entscheidungen treffen. Und zusammen könnten sie eine mächtige Kraft sein, um Cassian Andor und die aufkeimende Rebellion zu finden und zu bekämpfen.
Die Darsteller der beiden lebensnahen Unsympathen, Denise Gough und Kyle Soller, scheinen ihren Figuren allerdings überhaupt nicht zu ähneln. In einem abgedunkelten Raum brechen die beiden während des Interviews immer wieder in Gelächter aus, während sie versuchen, ihre fiktionalen Gegenstücke in der Serie zu beschreiben.
„Sie ist eine Spaßkanone!“, schlägt Gough vor.
„Ja. Sehr höflich. Die beiden sind wirklich, na ihr wisst schon, handwerklich begabt“, legt Soller noch drauf.
„Sie haben Hobbys! Also ganz locker“, witzelt Gough.
„Sie meditieren viel. Sie sind wirklich ausgeglichene, mitten im Leben stehende Menschen“, meint Soller noch.

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Das alles mag auf Soller und Gough in der Tat zutreffen, aber Karn und Meero sind das genaue Gegenteil, zwei intensive Individuen, die so angespannt sind, dass sie immer kurz davor stehen, durchzudrehen, beides kleine Rädchen in der riesigen imperialen Maschine, angetrieben von dem Wunsch, in diesem faschistoiden Imperium erfolgreich zu sein.
Serien-Schöpfer Tony Gilroy erklärte zu den beiden, es sei schwer, nicht mit ihnen mitzufiebern, und genau das sei ein Element gewesen, das er sehr bewusst in seine Geschichte hat einfließen lassen, um sowohl deren Helden als auch ihre Schurken so komplex, echt und nuanciert erscheinen zu lassen, wie Menschen nun einmal sind. Meero zum Beispiel lebt in einer von Männern dominierten Welt, überwindet aber schnell alle geschlechtsspezifischen Stereotypen, die ihren Fortschritt sonst behindern könnten.

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„Ich möchte, dass die Zuschauer sehr zwiegespaltene Gefühle ihr gegenüber empfinden. Das Tolle an Dedra ist, und was ich daran liebe, sie zu spielen, dass … als ich anfing, sie zu spielen, saß ich in diesem Raum, umgeben von diesen Männern – vielen Männern, die ihre Arbeit nicht richtig machten“, so Gough. “Und so habe ich Dedra enorm die Daumen gedrückt. Man ist wirklich auf ihrer Seite. Und dann tut sie bestimmte Dinge, bei denen man einfach denkt: Okay, das kann ich vielleicht nicht unterstützen. … Denn als Zuschauer will man zunächst doch, dass sie als Frau in ihrer männlichen Umgebung Erfolg hat. Aber dann muss man sich damit auseinandersetzen, dass man sich am Anfang nur deshalb auf ihre Seite schlägt, weil sie eine Frau in einer Männerwelt ist … [Sie] ist in Wahrheit genauso dazu fähig, die abscheulichsten Dinge zu tun, um Einfluss zu gewinnen. Jemand sagte neulich zu mir: Bitte gebt ihr keine Erlösungsgeschichte. Und ich dachte: Oh, das ist so gut. Sie sollte sich nie für das entschuldigen, was sie tut oder wie sie ist, sondern genauso ehrgeizig sein wie die schurkischsten Männer und in allen Schattierungen gefärbt, damit jeder mit ihr hadert, der ihrer Geschichte zusieht.“
Karn befindet sich am anderen Ende des Spektrums, was seinen relativen Erfolg betrifft. Während Meero innerhalb des ISB aufsteigt und sich bewährt, wird Karn seinem Posten beim Pre-Mor-Sicherheitsdienst enthoben und nach Coruscant nach Hause geschickt, wo der in Ungnade gefallene junge Mann wieder bei seiner Mutter Eedy einziehen muss.
Gemein ist ihnen die Intensität und der Antrieb, der sich im Laufe mehrerer Interaktionen entfaltet.
„Als ich Kyle kennenlernte und wir unsere ersten gemeinsamen Szenen drehten, dachte ich: Oh, das ist großartig, denn er ist genauso intensiv wie Dedra!”, erzählt Gough. „Wir beide geben und nehmen uns als Schauspieler auf dem Niveau, um das es für Beiden geht, gar nichts, also in puncto Ehrzeiz und Intensität.”
„Und Getriebenheit, Gier und Machthunger”, erweitert Soller die Aufzählung.

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Sowohl Meero als auch Karn kommen aus dem Nichts, weshalb ihr Antrieb von dem Wunsch geprägt ist, dazuzugehören, sich zu beweisen und ihren Platz in der riesigen Galaxis zu finden. „Beide kommen aus einer Welt, in der es an etwas mangelt“, sagt Gough. „Sie haben beide das Bedürfnis, gesehen zu werden und etwas zu erreichen, damit sie sich bestätigt fühlen können, denn ich denke, psychologisch gesehen wurden sie nie bestätigt. Und dafür kann man wohl, wie immer, ihren Eltern die Schuld geben.“

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Wer auch nur etwas Zeit mit Eedy Karn verbracht hat, dem wird es schwerfallen, diese Vorwürfe nicht zu erheben. Selbst in einem ruhigen Moment am Frühstückstisch ist Syrils Mutter harsch, herablassend und wertend, obwohl man argumentieren kann, dass ihr Verhalten nicht von Hass motiviert ist, sondern von dem Wunsch, dass ihr Kind Erfolg haben möge.
Meero und Karn mögen nicht die Protagonisten der Serie sein, doch, so glaubt Soller, beide sind „Helden ihrer eigenen Geschichte”. „Ich denke, sie glauben wirklich, dass sie das Richtige tun, in der relativen Sphäre ihrer eigenen Existenz. Sie kommen beide aus einer Welt, in der ihnen etwas fehlte, beide sind vom Wunsch getrieben, gesehen und anerkannt zu werden. Und das erste Mal, dass dies in Syrils Leben geschieht, ist, als er Dedra trifft.“
In dieser ersten Interaktion fokussiert sich Karns innerer Konflikt auf Meero und die Erkenntnis, dass er nicht allein ist,.
„Oh mein Gott, es gibt noch eine Person wie mich! Und sie sieht dabei fantastisch aus und sie macht ihre Sache wirklich gut“, so Soller. „Dieser Hunger, diese Leere zu füllen, dieser Hunger nach Macht und Ordnung in einem faschistischen Umfeld, ist ziemlich gefährlich, aber so verführerisch. Das war das Geschenk, das Tony uns gemacht hat. Diese Figuren sind nicht zweidimensional … Man erkennt wirklich die helleren Schattierungen und die Grauzonen dieser Menschen – und genau das sind sie ja: Menschen! – innerhalb der Struktur und der Grenzen dieses Systems.“

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Für Gough spiegelt dieser Realismus einen Kampf wider, mit dem sich viele Frauen in unserer eigenen Welt identifizieren können. „Ich denke, heutzutage sieht man, was es für eine Frau bedeutet, erfolgreich zu sein. Und damit stellt sich nun ja schon die Frage: Wie weit würdest Du gehen? Sie muss als Frau doppelt, ja zehnmal so hart arbeiten wie jeder dieser Männer, mit denen sie zusammenarbeitet.“ Irgendwann geht es für Gough nicht mehr nur um das Geschlecht. „Hier geht es nur um Macht. Schau dir an, was Menschen tun, wenn sie Macht haben oder nach Macht streben, was das mit jedem macht. Es sind nicht nur Männer, die sich schlecht benehmen, wenn sie glauben, in Reichweite von Macht zu sein. Auch Frauen können dann ziemlich finster sein.”
„Und das ist so wunderbar menschlich: Alles ist chaotisch, alles ist widersprüchlich”, ergänzt Soller. „Es ist aus dem Leben gegriffen. Und das macht die Schönheit an dem aus, was Tony [Gilroy] da geschaffen hat.”
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