Vorab-Blicke auf Beleuchtung, Stimmung und Farbe
In der Regel wird man zurecht davon ausgehen, dass die Arbeit an den Konzeptzeichnungen bereits lange vollendet ist und die Ateliers der Künstlerischen Abteilung leer, wenn ein Film so weit in seiner Nachbearbeitungsphase steckt wie jetzt Episode II. Für Erik Tiemens und Ryan Church, zwei Künstler, die erst Ende letzten Jahres hinzugezogen wurden, um ihr Talent an der reichen Farb- und Stimmungspalette von Episode II unter Beweis zu stellen, trifft dies jedoch nicht zu.
„Wir stellen Produktions-Bebilderungen für die Hauptszenen her, die Brücken schlagen von den Entwürfen, die Doug (Chiang) und sein Team angefertig haben, zur endgültigen Arbeit, die von den ILM Matte-Malern und den Effektkünstlern gemacht wird. Auf gewisse Weise visualisieren wir Beleuchtungs-, Stimmungs- und Farbschemata”, beschreibt Church seine Arbeit.


„Wenn wir uns das Filmmaterial ansehen, das in Australien, London und anderswo gedreht wurde, stoßen wir öfters auf nur teilweise gebaute Kulissen und viele Bluescreens”, sagt Tiemens. „Unsere Aufgabe ist es, das Nichts der Bluescreens zu nehmen und es durch Produktionszeichnungen zu ersetzen, die die jeweiligen Umgebungen mit Leben füllen. George Lucas hat dadurch beim Filmschnitt die Möglichkeit, leere Szenen schnell zu bebildern, was ihm viel mehr Flexibilität gibt. In Zusammenarbeit mit der dreidimensionalen Arbeit der Animatic-Künstler können wir ILM einen vollständigen Rohschnitt als Referenzmaterial liefern.”
„Wir arbeiten teilweise mit sehr hellen Rot- und Orangetönen“, fährt Church fort, „die sehr stark und kraftvoll sind und historischen Gemälden entspringen. Diese Farbschemata wecken Vorahnungen und schaffen eine Atmosphäre, die perfekt zur Geschichte passt. Alles ist sehr dramatisch.”
Das erhöhte dramatische Potenzial zog Tiemens zu dem Projekt: „Ich war hocherfreut, dass (Produzent) Rick McCallum und George ein Gefühl von Drama und Launenhaftigkeit einflechten wollten, wie es oft in der amerikanischen Landschaftsmalerei der Jahrhundertwende zu sehen ist, z.B. in den Werken von Thomas Moran und Albert Bierstadt. Wenn ich einen stürmischen Himmel über einer Bucht sehe, mit einem kleinen leuchtenden Punkt Sonnenlicht, der am Horizont glitzert, dann stürzen die Emotionen auf mich ein, die das mit sich bringt – etwas Mysteriöses und Hoffnungsvolles. Verschiedene Lichtbedingungen und Farben zu beobachten und wie man das Grundthema entwickelt, das alles ist entscheidend für den Prozess des visuellen Geschichtenerzählens.”

Zusätzlich zu den schnellen, aber detaillierten Farbstudien haben sich die beiden sowohl in die mit bestimmten Aufnahmen und Kamerawinkeln verbundenen Entwürfe vertieft als auch in Konzeptarbeit an neuen Elementen, die plötzlich in der sich entwickelnden Geschichte aufgetaucht sind. „Es gibt ein paar wichtige Sequenzen, die nicht vollständig ausgearbeitet waren. Erik und ich hatten die Chance, daran zu arbeiten und sie von Grund auf zu entwerfen”, sagt Church.
Die beiden Künstler verbinden die Künstlerische mit der Animaticsabteilung, wenn sie Illustrationen entwickeln, die eng mit bestimmten Animatic-Kamerawinkeln verbunden sind. „Diese Bilder sind für spezifische Einstellungen entworfen worden“, erklärt Church einige seiner Arbeiten. „Sie vertiefen eine Umgebung, die von Dougs Team grob entworfen wurden und beantworten Fragen wie: Wie sieht diese Umgebung mit diesem bestimmten Kameraobjektiv aus? Wie sieht der Schauplatz in dieser Einstellung aus?”
Wenn die Bilder erst einmal vollendet und von George Lucas akzeptiert worden sind, was normalerweise in einem sehr engen Zeitplan geschieht, werden die Illustrationen in die Animatic-Sequenz übernommen, um zeitweise die leeren Blue- und Greenscreens von Episode II zu füllen. „Der Bedarf der Animatics-Kollegen ist so groß, dass wir oft am Morgen einen Auftrag erhalten, der am Ende des Tages fertig sein muss”, sagt Church. „Erik und ich haben in zwei Wochen 14 Bilder der Endschlacht gemacht, und alle wurden von George akzeptiert. Das bedeutet, dass wir entwurfstechnisch inzwischen wirklich auf einer Wellenlänge sind. Wir sind inzwischen ziemlich verrückt geworden, haben dadurch aber eben auch Dinge bewegt.”

„Wir haben eine hohe Fluktuationsrate”, pflichtet Tiemens bei. „Und das ist auch gut so, weil wir als Künstler bei unseren Werken dazu tendieren übermäßig detailgenau zu sein. Für mich ist diese Arbeit eine erfrischende Abwechslung. Unsere Reaktionsgeschwindigkeit muss enorm hoch sein. Wenn George einen stimmungsvollen Sonnenuntergang in einem baufälligen Lagerhausviertel will, kann es sein, dass man nicht die Zeit hat, sich dieser Idee über verschiedenste farbige Miniaturskizzen minutiös anzunähern, sondern man muss mit einem Bild einen Volltreffer hinlegen.”
Für Szenen, die komplett mit dem Computer erschaffen werden, wie einige der epischen Aussichten im letzten Viertel des Films, haben Church und Tiemens farbenprächtige Bilder geschaffen, die die wichtigen Ereignisse in diesem Teil des Films kraftvoll untermalen. Diese Bilder dienen als wertvolle Vorlagen für die späteren Einstellungen, die von Industrial Light & Magic geliefert werden.
„Es ist fast, als ob man an einem Animationsfilm arbeitet”, sagt Church. „Man entwickelt am Computer all diese Umgebungen, all die Details dafür. Man baut Gebäude, entwirft die Landschaft darum und leuchtet dann auch noch alles aus. Das alles hat vergleichsweise wenig mit einem herkömmlichen Realfilm zu tun.”
Die beiden Künstler setzen auf verschiedene digitale Werkzeuge, um ihre Tagesziele zu erreichen, und das obwohl sie eigentlich aus der analogen Malerie mit Farbe und Pinsel herkommen. „Das liegt alles an den enorm knappen Fristen”, erklärt Church das Vorgehen. „Wir arbeiten mit digitalen Dateien, die uns von den Animaticskollegen geschickt werden. Bei sowas ist es immer schneller, direkt am Computer zu arbeiten. Außerdem eröffnet es einem eine Flexibilität, die man mit analoger Malerei nicht hat. Alles bleibt innerhalb des digitalen Reiches, anstatt dass es herausgenommen, gescannt, wieder hineingenommen und angepasst werden muss. Es spart einfach eine Menge Arbeitsschritte.”

„Die Software, die wir benutzen, schlägt eine Brücke zwischen digitaler Kunst und meiner Vorliebe für den Einsatz von Gouache- und Pastellfarben beim Zeichnen”, erklärt Tiemens. „Man kann mit diesen Programmen etwas von dieser impressionistischen Spontaneität in das digitale Medium bringen. Ein schneller Bleistiftentwurf kann in den Computer eingescannt werden, wodurch man eine Grundlage für ein digitales Bild hat. Später senden wir unsere Bilder dann auch digital zurück zu den Animatics-Kollegen, die uns dann sagen, ob die Ausleuchtung der Schauspieler mit unseren Hintergründen funktioniert, d.h. ob wir eine Übereinstimmung hinbekommen haben.”
„Ich war anfangs absolut dagegen, im künstlerischen Umfeld einen Computer anzufassen”, erinnert sich Church. „Ich habe Mobilitätsdesign studiert, und da ging es nur um Marker und Stifte und Pauspapier und praktische Arbeit. Aber bei der Art von kommerziellen Kunst, wie wir sie machen, kann man wirklich nicht gegen die Leistungsfähigkeit eines Computers anargumentieren, da es sowieso viele Überarbeitungen geben wird und die Fristen so eng sind.”
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