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Andor // Interview

Neue Klänge – Nicholas Britell über die Musik für Andor

Der Komponist der Musik zu Andor spricht über die Bedeutung von Star Wars für sein Leben, pulsierende Rhythmen und die Frage, wie alles musikalisch zusammenpasst.
© Lucasfilm

© lev radin / Shutterstock.com

Andor stellt in fast jeder Beziehung eine Neuinterpretation von Star Wars dar, und das gilt für seine Musik. Komponist Nicholas Britell, der bereits mehrfach für den Oscar nominiert wurde (darunter für Moonlight und Don’t Look Up) und 2019 den Emmy für seine Musik zu Succession gewann, hat für die Geschichte von Cassian Andor eine Filmmusik geschaffen, die sich weniger über Weltraumabenteuern als Weltraumspionage definiert. Streicher ertönen über weite Strecken, leise Beats erinnern uns an die immerwährende Spannung, und selbst wenn etwas Gutes passiert, scheinen uns dissonante Töne auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen.

Die offizielle Seite hat die Gelegenheit genutzt, mit Britell über die Musik der Serie zu sprechen, seinen Ansatz für deren dunklere Stimmung, die Verwendung nicht-traditioneller Instrumente und seine Hip-Hop-Band aus College-Zeiten. Die Fragen stellte Dan Brooks.


Andor stellt eine sehr realistische Interpretation von Star Wars dar. Inwiefern beeinflusst das Ihre Arbeit als Komponist?

Das ist eine gute Frage. Ich war schon immer ein großer Fan von [dem Showrunner von [Andor], Tony [Gilroy], sowohl als Autor als auch als Regisseur. Michael Clayton ist einer der Lieblingsfilme meiner Frau und mir. Ich glaube, es wurde schon sehr früh, noch bevor ich dazukam, die Entscheidung gefällt, dass man mir viele Freiheiten einräumen würde, um eine einzigartige musikalische Landschaft zu schaffen. Sie hielten das wirklich für wichtig, gerade angesichts der Grundstimmung der Serie und ihres düsteren, dunklen Anfangs.

Tony und ich haben uns darüber sehr intensiv ausgetauscht. Ihm war es sehr wichtig, dass die Serie ihre eigene musikalische Sprache haben würde.

Nun bin ich natürlich auch ein großer Star-Wars-Fan bin, und deshalb waren mir zwei Dinge sehr wichtig: Ich wollte zum einen, dass die Musik ein eigenes, selbstständiges Werk ist. Zum anderen musste sie aber auch den Geist der Star-Wars-Musik in sich tragen. Das Star Wars-Universum zeichnet sich durch eine eine so phantastische, zeitlose Atmosphäre und Stimmung aus. Und ich wollte vor allem bei bestimmten Motiven, dass man diesen noch immer anmerken würde, dass sie zu dieser Welt gehören. Auch wenn der eigentliche Sound ein sehr eigener ist.

Musikalisch eine ganz große Nummer: Maarvas Trauermarsch und Aufruf zu den Waffen
© Lucasfilm

John Williams hat Star Wars natürlich seinen musikalischen Stempel aufgedrückt. War es schwierig, dunklere Töne anzustimmen und nicht in Williams‘ romantischeren typischen Star-Wars-Stil zu verfallen?

Nun, interessanterweise hat man mir von vornherein gesagt: Erfinden wir uns wirklich neu. Und das gab mir großes Selbstvertrauen, zumal ich enorme Unterstützung von [Lucasfilm-Präsidentin] Kathy Kennedy und Tony hatte. Beide haben mich sehr ermutigt. Und es gab auch nie Probleme, wenn ich etwas ausprobiert habe und wir feststellten, oh, das klappt nicht.

Die größte Herausforderung war, am Anfang zu entscheiden, was Andor ist und welche Grundstimmung wir transportieren wollen. Also quasi: Welcher Sinn steckt dahinter.

Ohne zu viel zu verraten, aber es gibt bestimmte Musikstücke, die vor laufender Kamera eingespielt werden, also in der Welt der Serie selbst. Und die Musik und die entsprechenden Szenen finden faktisch gleichzeitig zueinander. Einige musikalische Elemente dabei, insbesondere wenn es um Maarva und Ferrix ging, waren mit das erste, was ich geschrieben habe. Und da war die große Frage eben: Wie fühlt sich das überhaupt an?

Das war also meine erste große Aufgabe: Was genau ist dieses Ferrix eigentlich? Wer sind diese Leute? Wer ist Cassian?

Und ich wollte, dass die Musik selbst diesen Antworten hinterherspürt. Wir wissen als Zuschauer am Anfang ja selber nicht, wo wir gerade sind. Cassian selbst lernt erst im Laufe der Serie, wer er ist oder wer er sein möchte. Die ganze Serie dreht sich darum, dass sich Menschen, Organisationen, die ganze Welt selbst finden.

Die Musik, selbst die Titelmusik, wirft deshalb vor allem Fragen auf. Es gibt da diesen Puls, diesen Rhythmus, und dann wächst das, und man lernt daraus, was diese Musik überhaupt ist, und dann kommt ein Crescendo und dann bricht alles ab.

Und das ist im Grunde eine Metapher für die ganze Serie. Der springende Punkt ist, dass wir etwas lernen und die Figuren in der Serie eben auch. Und das ist mal etwas anderes, etwas neues. Ich hoffe, die Musik kann genau dieses Gefühl des Lernens und Entdeckens transportieren.

Das ist Ihre erste Science-Fiction-Musik, oder?

Richtig. Ich wollte sowas schon immer mal machen.

Wie war es, sich in dieses Thema zu stürzen?

Es war unglaublich. Es war so aufregend. Sehen Sie, Komponist zu sein und diese Art von Gelegenheit zu bekommen, das ist überwältigend, aufregend. Es ist alles. Es ist wirklich alles. Und ich muss es noch einmal sagen, weil es einfach so wahr ist: Ich bin all der Unterstützung, die ich erfahren habe, und dem Vertrauen und der Zuwendung so dankbar, die ich vom ganzen Produktionsteam erhalten habe, von Kathy Kennedy angefangen über Tony Gilroy bis hin zu allen Mitarbeitern. Alle waren unglaublich engagiert und hilfsbereit, und es war absolut wunderbar, mit ihnen zusammenzuarbeiten.

Sowas gibt einem dieses Gefühl von unbegrenzten Möglichkeiten. Diese Sicherheit, dass es wirklich möglich ist, etwas zu riskieren und auszuprobieren. Und das ist ein wunderbares Gefühl für einen Komponisten.

Ich habe gleich zu Beginn der Serie analoge Synthesizer in die Musik eingebaut. Es gibt viele künstliche Klänge, viele Synthesizer, viele atmosphärische Elemente, die ich einbringen kann. Dazu kommen ein 50-köpfiges Orchester mit Streichern, Blechbläsern und Perkussionsinstrumenten. Alles ist sehr groß angelegt, kann aber auch sehr subtil innere Entwicklungen verdeutlichen, sehr dunkel und auch sehr speziell sein.

Auf Ferrix sind Rhythmusinstrumente groß in Mode
© Lucasfilm

Wie ist diese Mischung [aus Instrumenten und Techniken] zustandegekommen?

Es war ein großes Experimentieren, das ich sehr genossen habe. Tony selbst ist auch Musiker, er war vor Jahren in einer Band. Und er hat ein echtes Gespür für Musik. Es ist wunderbar, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der dieses Gespür hat.

Dabei geht es übrigens nicht um Musikfachsprache, zumal ich nicht glaube, dass musikalische Terminologie einem sonderlich viel hilft, wenn man über Musik spricht. Wichtig ist, dass man seine Gefühle kennt und weiß, was man fühlt, wenn man etwas hört. Und das kann Tony einfach sehr gut. Er kann sich in Musik hineinfühlen und damit ergeben sich eben Möglichkeiten zu fragen, Tony, willst Du, dass es sich so oder so anfühlt. Oder: Magst Du dieses Gefühl? Und dann ist er in der Lage sofort zu sagen: Ja, das gefällt mir, das ist die richtige Richtung.

Gerade zu Beginn, als es darum ging, eine musikalische Sprache für die Serie zu entwickeln, war das enorm hilfreich. Und es war gut zu wissen, dass mir z.B. viele Streicher zur Verfügung stehen, das fand ich sehr wichtig. Gerade am Anfang der Serie hört man einzelne Streicher, einzelne Cellis, die wir jeweils auch einzeln mit dem Mikrofon eingefangen haben. Man ist förmlich genau daneben, wenn der Bogen die Saiten berührt.

Denn das ist etwas, das Tony wichtig war: Intimität. Man sollte, wenn man mit Cassian allen ist, wirklich dieses intime Gefühl empfinden. Dieses Nachdenkliche. Und natürlich strahlt sowas auch immer etwas Einsamkeit aus.

Und ich finde es wichtig, dass allein schon die Musik solche Emotionen wecken kann. Es gibt Momente, da werden wir groß und laut, und es sind die enormsten Tonkulissen, die ich gebaut habe. [lacht] Und dann wiederum werden wir ganz klein und gehen ganz nah heran.

Das alles muss zusammenkommen, diese Gefühle und Cassians Entwicklung. Denn er muss ja wirklich viel durchmachen.

Es ist nicht in dem Sinne ein Motiv, aber etwas, das während der gesamten Serie zu hören ist, sind diese pulsierenden Rhythmen.

Ja. Absolut.

Wie kam es dazu, die zu entwickeln und wo und wann platzieren Sie sie?

Es gibt eine Art Pulsmotiv, das man gleich ganz am Anfang des ersten Eröffnungstitelthemas hört. Und es gibt mehrere Schichten davon. Eine davon ist sehr tief, fast wie ein elektrischer Puls. Und dann gibt es einen höheren Puls, der hereinkommt, einen Synthie-Puls. Und gemeinsam kündigen sie oft eine Art Cassian-Motiv an, würde ich sagen. Nicht immer, aber manchmal ist das so eine Art Signal dafür, dass es um [Cassian] geht.

Cassian hat generell verschiedene Motive um sich herum, denn musikalische Themen drehen sich um Beziehungen. Also es geht weniger darum, es so zu machen, dass man dies oder das hört und dann sieht man etwas bestimmtes. Sondern mir ist wichtiger zu überlegen, wie die Einzelteile zueinander in Beziehung stehen, und vielleicht verbindet ein musikalisches Thema ja verschiedene Dinge. Oder man hört etwas, und dann kommt etwas Neues ins Spiel, und man denkt sich: Oh, jetzt wird eine Verbindung zwischen dem, was ich kenne, und diesem neuen Element aufgebaut. Es geht also um dynamische Verbindungen.

Dann gibt es bestimmte Leitmotive, die sich faktisch um die ganze Serie Andor drehen. Also nicht Cassian selbst, sondern die Serie Andor als eine Art universelles Gefühl. Der Puls impliziert also manchmal ein allgemeineres Thema wie dieses. Und dann gibt es natürlich auch echte Perkussionselement und eine Vielzahl anderer Themen.

Aber ja, das Anfangsthema, das man ganz am Anfang des Titelthemas hört, ist so ein pulsierendes Motiv. Und alle Titelthemen sind ja jeweils unterschiedlich. Beim ersten Mal bereitet es die Bühne, danach hören wir jeweils individuelle Variation dieses Themas. Und jedes Mal bezieht sich diese Variation auf das, was wir gerade erlebt haben oder auf das, was wir noch erleben werden.

Nicht nur visuell ein Spektakel
© Lucasfilm

Sie sind in der Ära von Grunge, Rap und Electronica aufgewachsen.

Oh ja, das bin ich.

Die großen Helden der Filmmusik sind das ja nicht. Bedeuten Ihnen diese Einflüsse etwas, oder beziehen Sie sie bewusst in Ihre Arbeit ein?

Das ist eine gute Frage. Wissen Sie, ich habe in meinem Leben verschiedene musikalische Phasen durchlaufen. Ich bin in den 1980er Jahren aufgewachsen. Und ich liebte Filme, ich liebte Musik, ich liebte Filmmusik. Ich war auch eine sehr lange Zeit bestrebt, Konzertpianist zu werden. Ich war also Pianist, und klassische Musik war für mich sehr, sehr wichtig, ja grundlegend sogar. Aber dann in der Highschool habe ich viel Jazz gespielt, und im College war ich in einer Hip-Hop-Band. Dadurch schrieb ich während meiner Collegezeit auch viel Musik, spielte Keyboard und Synthesizer.

Und parallel dazu begann ich, Filmmusik für Freunde zu schreiben, die Kurzfilme drehten. Ein guter Freund von mir drehte im College einen Spielfilm, und ich habe in meiner Band Beats gemacht und Synthesizer-Melodien geschrieben und so weiter. Für mich gab es also immer eine Art Verschmelzung dieser Elemente, also von dem klassischen Musiker in mir und dem Hip-Hop-Musiker.

Meine Liebe zur Musik berührt insofern diese beiden Sphären. Und natürlich sind wir alle bis zu einem gewissen Grad Produkte unserer Zeit, nicht wahr? Wir nehmen auf, was uns umgibt. Ich liebe so viele verschiedene Arten von Musik, und für mich stehen alle diese Klänge letztlich im Dienste der Gefühle. Ich denke nicht in Genres, eher schon in Kategorien wie: Was bedeuten mir diese Klänge? Was bedeuten sie und was machen sie in Kombination mit uns?

Einsam, introspektiv und auf der Suche nach sich selbst: Cassian Andor
© Lucasfilm

Da Sie in den 80er Jahren aufgewachsen sind, was ist Ihre eigene Geschichte mit Blick auf Star Wars?

Ich habe nur sehr wenige Erinnerungen daran, aber meine Eltern haben mir erzählt, dass sie mit mir Die Rückkehr der Jedi-Ritter im Kino gesehen haben. Das muss dann wohl mein erster richtiger Ausflug zu einer Star-Wars-Veranstaltung gewesen. [lacht]

Und dann habe ich natürlich Krieg der Sterne Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter als Kind wie besessen immer wieder gesehen. Solange ich denken kann, bin ich auch ein großer Fan von John Williams. Ich habe einen kleinen Bruder und das war einfach ein Teil unseres Lebens. Ich denke, es ist schwer das übertrieben darzustellen, wie sehr Star Wars ein Teil des Lebens so vielen von uns war, als wir aufwuchsen. Die Faszination für diese ganze Welt auf der einen Seite und auf der anderen, als Musiker und Musikliebhaber, dieser Klang.

Insofern: Star Wars nimmt einen festen Platz, einen sehr besonderen Platz, in meiner Erinnerung ein. Das gilt, denke ich, für viele meiner Altersgenossen. Und ich hätte mir ganz sicher in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen können, dass ich irgendwann ein Teil davon sein würde. [lacht]

Es ist sehr ehrfurchtgebietend und sehr besonders und sehr emotional, die Chance zu bekommen, einen Beitrag zu diesem Universum leisten zu dürfen.


Die Musik zur ersten Staffel von Andor findet ihr auf Spotify, YouTube Music oder überall da, wo ihr eure Musik hört.


Christoph

Als SWUler der 2. Generation ist Christoph seit Sommer 2001 auf Star Wars Union aktiv und übernimmt inzwischen eher Aufgaben hinter den Kulissen. Seine Liebe gehört der Lucas-Saga, dem Dunklen Imperium, der New-Jedi-Order-Buchreihe, der Entstehungsgeschichte des Kriegs der Sterne sowie Jyn Erso.

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Die Geschichte zweier Außenseiter: Cassian Andor und Mon Mothma. Er ist ein Dieb und Kleinkrimineller, der in den Kampf der noch zerfaserten Rebellion verstrickt wird, sie ist Senatorin in einem zunehmend machtlosen Senat, die versucht, der politischen Bewegung gegen das Imperium Nachdruck zu verleihen. Beide sind im Begriff, einen Preis für ihre Überzeugungen zu entrichten, der höher ist, als sie es sich je hätten vorstellen können.

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