Wie er zu der Aufgabe kam

Den letzten Film der Star-Wars-Reihe zu schneiden, ist eine Aufgabe, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Roger Barton kennt die Verantwortung nur allzu gut, sich durch Stunden von Filmmaterial zu arbeiten, denn vor seiner Arbeit am epischen Finale der größten Weltraum-Fantasy-Saga diente er als Cutter von Filmen wie Bad Boys II, Ghost Ship, Pearl Harbor, Nur noch 60 Sekunden und Armageddon. Besonders prägend war seine Tätigkeit als unterstützender Cutter für Regisseur James Cameron an Titanic, die ihm letztendlich einen Oscar für den besten Schnitt einbrachte.
Es überrascht daher wohl niemanden, dass Barton ausgewählt wurde, um an Episode III zu arbeiten – mit Ausnahme von Barton selbst.
„Ich habe mir die Frage einige Male selbst gestellt: Wie bin ich nur hierher gekommen?”, erzählt Barton. „Ich bin sehr dankbar, dass ich enge Beziehungen zu Leuten wie Ted Gagliano von 20th Century Fox aufgebaut habe. Ted muss genug an mich geglaubt haben, um meinen Namen auf eine Liste mit verschiedenen anderen sehr talentierten Cuttern zu schreiben, die viel mehr Erfahrung hatten als ich. Ich glaube, sie suchten nach jemandem, der sich in eine Umgebung begeben konnte, die bereits durch die letzten zwei Filme etabliert worden war, aber jemanden ohne vorgefasste Meinungen darüber, wie die ganze Sache ablaufen sollte. Daher glaube ich gerne, dass ich einfach gut hierhin passe.”
Zusammentreffen mit George Lucas
Während seiner Arbeit an einem anderen Film erhielt Barton einen Anruf von Gagliano von Fox Post Production, der ein „spezielles Projekt” betraf. Barton erzählt, dass er heimlich schon gehofft hatte, es wäre der letzte Teil der Star-Wars-Saga, doch er wollte sich nicht zu viele Hoffnungen machen. Bevor er noch recht wusste, wie ihm geschah, war er dann schon auf dem Weg von Los Angeles, um Regisseur George Lucas zu treffen.
„Als ich mit George Lucas zusammensaß, hätte dies die einschüchterndste Erfahrung meines Lebens werden können, besonders als ich draußen vor seinem Büro wartete. Aber als ich dann durch die Tür ging, passierte etwas”, erzählt Barton. „Sofort fühlte ich mich wohl, und er war völlig entspannt. Er erzählte mir, dass Schneiden sein Lieblingsteil des Prozesses ist, und ich kann nach 6 Monaten Arbeit an Star Wars sagen, dass er den kreativen Prozess im Schneideraum liebt.”
Barton stimmte zu, die nächsten zwei Jahre an Episode III zu arbeiten, zunächst am Set in Sydney während der Dreharbeiten, und dann schließlich Seite an Seite mit George Lucas und seinen Schnitt-Kollegen auf der Skywalker Ranch im kalifornischen Marin County.
„Ich glaube, jeder verfolgt dasselbe Ziel, nämlich den denkwürdigsten aller Star-Wars-Filme zu machen. George ist ein großartiger Anführer und die kreative Kraft hinter diesem Film. Er strahlt viel Ruhe aus, sowohl am Set als auch im Schneideraum”, so Barton. „Es ist schön, in dieser Art von Umgebung zu arbeiten, da sie es uns ermöglicht, uns auf das zu konzentrieren, was wichtig ist – nämlich die Arbeit, die wir in diesen Film stecken.”
Herangehensweise an eine Szene

Wenn Barton mit dem Schneideprozess beginnt, steht für ihn zunächst das geschriebene Wort im Mittelpunkt. Er studiert jede Szene im Drehbuch und betrachtet auch die Szenen unmittelbar davor und danach. „So kann ich ein Gefühl für den Rhythmus bekommen”, sagt er. Die Suche nach dem Zweck einer Szene hilft ihm, wichtige Fragen zu beantworten. „Sollte die Szene Zwischenschnitte aufweisen oder als Ganzes stattfinden? Was sind die dramatischen Momente innerhalb dieser Szene? Was ist innerhalb dieser Szene wichtig, um die Geschichte zu erzählen? Was sind die emotionalen Höhepunkte? Welche Momente innerhalb dieser Szene werden das Publikum berühren?”, so Barton weiter.
Aber die eingehende Prüfung einer Szene als eine in sich geschlossene Einheit muss mit dem Hintergedanken ausbalanciert werden, dass sie in einem größeren Rahmen existiert. „Was ich tun möchte, ist, auf die effizienteste Art und Weise die emotionalen und inhaltlichen Aspekte zu erfassen und dann weiterzumachen, so dass die Geschichte nicht entgleist”, erzählt Barton. „Die Bewegung sollte so zwischen den Szenen stattfinden, dass der Film im größeren Rahmen immer an einen neuen Ort führt.”
Die umfangreiche Verwendung digitaler Technik bringt einzigartige Herausforderungen beim Schneiden von Episode III mit sich. Filmmaterial zu schneiden, bei dem die meisten, wenn nicht gar alle, Hintergründe noch einzufügende Spezialeffekte enthalten, kann abschreckend sein.
„Ich habe noch an keinem Film mit so viel Bluescreen und Greenscreen gearbeitet, aber auf eine seltsame Weise erlaubt es mir als Cutter, mich wirklich auf die Leistungen der Schauspieler zu konzentrieren“, so Barton. „Da es keinen Hintergrund gibt, der mich ablenkt, habe ich die Möglichkeit, mich auf den Ausdruck der Schauspieler zu konzentrieren. Außerdem bringt es neue Herausforderungen mit sich, da ich mir ständig vorstellen muss, in welche Art von Umgebung diese Leute später eingefügt werden könnten. Auf eine Weise ist es verlockend, weil ich ohne den Hintergrund Angst davor habe, zu straff zu schneiden. Ich meine nicht zu schnell, sondern dass die gewählten Winkel zu eng sein könnten, da ich nicht das ganze unglaubliche Star-Wars-Universum sehe, das später hinzugefügt wird.”
Als solches ist das Schneiden, genauso wie das gesamte Filmemachen, eine Mischung aus technischem Know-how und künstlerischen Instinkten. „Dieses Handwerk wird oft unterschätzt, denn wenn es gut gemacht ist, sieht man es oft nicht. Letztendlich ist es das Medium des Regisseurs, und ich glaube, meine Hauptverantwortung als Cutter besteht darin, sehr eng mit George zu arbeiten, um seine Visionen so gut wie möglich zu vermitteln und gleichzeitig meine eigenen Instinkte einfließen zu lassen”, erklärt Barton.
Rückkehr nach Kalifornien
Zurück auf der Skywalker Ranch begann Barton nach den Hauptdreharbeiten in Sydney, eng mit Lucas und Ben Burtt zusammenzuarbeiten. Während der Produktion in Sydney arbeitete Burtt mit der Animatics-Abteilung zusammen, um frühe Versionen einiger der actiongeladensten Szenen zu erstellen, während Barton fleißig damit beschäftigt war, die Realaufnahmen vom Set zu integrieren.

„Während Ben und George an den ersten 20 Minuten des Films arbeiteten, die aus einer riesigen Weltraumschlacht bestehen, arbeitete ich am Hauptgerüst des Films und einigen Yoda-Sequenzen, damit Rob Coleman mit seiner Animation beginnen konnte“, erzählt er weiter.
„Man sorgt sich immer um stilistische Sprünge, wenn man mit mehreren Schnitttechnikern an einem Projekt zusammenarbeitet, aber der Star-Wars-Stil wurde ja schon vor Jahrzehnten festgelegt“, so Barton. „Solange wir dem alten Muster folgen, insbesondere da Episode III die Brücke zwischen dieser neuen Generation und der klassischen Trilogie schlägt, werden wir keine Probleme haben. Das vorausgeschickt, denke ich trotzdem, dass Episode III wahrscheinlich der düsterste von allen Filmen ist, und daher haben wir etwas kreative Freiheit, um einen bestimmten Ansatz zu verfolgen, der von allen erwartet wird.”
Wie bereits bei Episode I und II definiert Lucas‘ Schnitt-Werkzeug die Schnitt-Arbeit neu und stößt auf neues handwerkliches Gebiet vor. Traditionell hätte man zunächst das gesamte Filmmaterial erfasst, es in eine finale Version zusammengeschnitten und am Ende die Effekte hinzugefügt. Lucas und seine Cutter arbeiten hingegen permanent an allen Aufnahmen und verschiedenen Szenen, bis das Material der Post-Production übergeben werden muss.
„Wenn man 10 Stücke des Films nimmt, hat man grundsätzlich drei Millionen verschiedene Möglichkeiten, diese 10 Stücke zusammenzufügen“, erklärt Barton. „George liebt es, den Schnitt sehr geradlinig anzugehen, eine Aufnahme auf die andere aufzubauen. Aber er schaut auch innerhalb des Bildes und entscheidet sich oft dazu, darstellerische Leistungen aus einem Take in ein anderes zu übernehmen. Oder er nimmt jemanden, der an einer anderen Stelle aufgenommen wurde, verkleinert ihn einfach und fügt ihn dann in eine extrem größere Umgebung ein.”
Dank der digitalen Neuerungen, die von Lucasfilm entwickelt wurden, haben die Schnitttechniker viel mehr Auswahlmöglichkeiten, wenn sie die Darstellungen für eine Szene zusammensetzen. Im Schnitt kann die Position des Schauspielers geändert, das Set selbst modifiziert oder jedes Element innerhalb des Bildes manipuliert werden.
„Wenn ich von zwei Schauspielern eine Nahaufnahme in zwei Einstellungen habe, wo sie miteinander reden, kann ich einfach den Bildschirm teilen und einen Schauspieler durch ein anderes Take ersetzen oder einen „Pull-up“ machen, wo eine Person früher antwortet, als in der Aufnahme, die vor Ort beim Dreh gemacht wurde.
Ich versuche nach der Regel vorzugehen, nichts zu schneiden, es sei denn, es gibt einen triftigen Grund dafür, wie z.B. die Darstellung der Schauspieler, das Tempo oder unnötige Zeilen eines Dialogs. Wenn die Szene in bloß einem durchgängigen Take gut funktioniert, würde ich gleich daran festhalten.”
Mehr als nur ein Job
Zusammen mit Burtt arbeitet Barton auf der Skywalker Ranch sehr eng mit den Assistenz-Cuttern Joseph Jett und Chery Nardi zusammen, sowie mit Post-Production Supervisor Jamie Forester. „George umgibt sich mit sehr talentierten Leuten. Viele von ihnen sind Gleichgesinnte hinsichtlich der Art, wie sie an ihre eigene Arbeit herangehen. Er hat dieses transportable Dorf geschaffen und nimmt es gerne mit zum Drehort. Es war unglaublich, diesen Umzug von Marin nach Sydney und zurück zu sehen, um diesen Film zu drehen,“ berichtet Barton.
„Als ich auf der Ranch war, bevor ich nach Sydney kam, war ich beeindruckt von dem, was er hier geschaffen hat,” erinnert sich Barton. „Es war im Frühjahr, und ich erinnere mich, nach der erledigten Arbeit in mein Auto eingestiegen zu sein und entlang des Softball-Felds der Ranch zu fahren, das wie aus dem Film Feld der Träume aussah. Ich sah ein Spiel zwischen zwei Abteilungen und dachte mir nur: Kann es denn etwas Besseres geben als hier zu sein?”







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