Neben Collider, EW und TV-Line hatte auch Gizmodo Gelegenheit, mit Tony Gilroy über Staffel 2 von Andor zu sprechen.
Tony Gilroy ist ein Mann mit einer Vision. Diese Vision hat ihn von den umfangreichen Nachdrehs zu Rogue One: A Star Wars Story zu einer Disney+-Serie über einen der Helden des Films, Cassian Andor, geführt und ihm eine Anerkennung eingebracht, wie sie die weit, weit entfernte Galaxis seit einer Generation nicht mehr gesehen hat.

Er ist auch ein sehr offener Mensch, der weiß, wann sich diese Vision schlagartig ändern kann – so wie eines Tages während der Dreharbeiten zur Serie in Schottland, als dem Autor, Regisseur und Showrunner klar wurde, dass sein großer Plan für Andor nicht funktionieren würde.
„Wir waren mitten in den Dreharbeiten, etwa bei der Hälfte oder Dreiviertel der ersten Staffel, als ich wirklich versuchte, mir etwas für die zweite Staffel auszudenken, und da wurde uns klar, dass wir keine fünf Jahre in diesem Stil würden machen können“, erinnerte sich Gilroy kürzlich im Gespräch mit Gizmodo. „Also haben wir uns sehr schnell überlegt, was wir machen können. Faktisch hatten wir ein Jahr Zeit, um an der Serie zu arbeiten. Es ging mehr darum, die Serie überhaupt zu machen, sie zu finanzieren, das Budget dafür zu bekommen, denn zwischen dem Start der ersten Staffel und der zweiten Staffel hatten sich die Standards und Anforderungen des Streamings völlig umgekehrt.“
Was sich in dieser Zeit nicht umgekehrt hat, ist Andors Beliebtheit. Das Publikum und die Kritiker erkannten sofort, was Andor tat, und die Kritiken waren enthusiastisch. Zu einer Zeit, als das Franchise im Allgemeinen noch versuchte, sich in einer Welt nach Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers zurechtzufinden, erregte die serienmäßige, tiefgründige Betrachtung der aufkeimenden Rebellion gegen das Imperium und die explizitere Analyse der Ideologien, die in der weit, weit entfernten Galaxis im Spiel waren, Aufmerksamkeit über das übliche Star-Wars-Publikum hinaus.
„Es war tatsächlich der durchschlagende Erfolg der Serie und die Reaktionen darauf – und die Leidenschaftlichkeit dieser Reaktionen, auch wenn sie nicht überwältigend war, wir haben das Publikum anfangs nicht begeistert – aber diese Leidenschaft hat Disney wirklich geholfen, den Punkt zu erreichen, an dem die Finanzierung der zweiten Staffel beginnen konnte“, fährt Gilroy fort. „Und entsprechend schnell begannen wir mit den Dreharbeiten, denn die Alternative wäre gewesen, einfach nicht weiterzumachen.”
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Die zweite Staffel, die nun nur noch einen Monat entfernt ist, erscheint in einer Weise, an die sich auch Gilroy anfangs nur schwer gewöhnen konnte. Auf die Frage, was die Serie durch den Wechsel von ihrem ursprünglichen 5-Staffel- auf das nun umgesetzte 2-Staffel-Konzept gewonnen habe, erklärte Gilroy amüsiert: „Ich würde zunächst sagen, sie hat ihre Existenz gewonnen, denn nur so kann sie überhaupt existieren. Die Hybris, Naivität und Dummheit, mit der ich ursprünglich in diesen Prozess gegangen bin, haben wir alle irgendwie an den Tag gelegt. Aber wie hätten wir diese fünf Staffeln schaffen sollen? Es war einfach unmöglich, absolut unmöglich.”
Doch für Gilroy war die Konsolidierung letztlich ein Ansporn: „Als uns klargeworden war, was möglich ist, und ich weiß, das klingt ein bisschen kitschig, aber es ist die Wahrheit, dachte ich mir: Wenn ich diese Serie in einer perfekten Welt entwickeln könnte, würde ich ein Jahr mit [Cassians] Ausbildung und Verwandlung in einen Revolutionär verbringen. Eine Staffel passt genau dazu. Und ich würde bei dem bleiben, was wir letztlich auch getan haben, zumindest was die Energie dieser Entwicklung angeht. Ich glaube nicht, dass ich mehr dazu zu sagen hätte. Die Zuschauer werden sehen, wie viel wir dazu zu sagen haben. Aber das erzählerische Potential, das darin steckt, eine Geschichte zu erzählen, bei der man immer wieder ein Jahr Pause macht und dann mit diesem Weißraum arbeiten kann, wo man einen Dienstag, Mittwoch, Donnerstag erzählt und dann ein Jahr springt und wieder 3 Tage erzählt, ist einfach richtig aufregend.
Am Anfang dachten wir: Ich weiß nicht, ist das so eine Idee, die abends an der Bar gut klingt, aber letztlich ein Riesenflop sein wird?”, erinnert sich Gilroy. „Aber am Ende stellte sich heraus, dass es einfach richtig aufregend war, so zu arbeiten. Wenn man es eine Herausforderung nennen will, klingt es eher wie ein Spiel, aber es war einfach toll, es auf diese Weise zu machen. Ich würde es nicht anders machen wollen.”
Doch bevor dieses Finale auf uns zukommt, lohnt es sich zurückzublicken auf die erste Staffel, die uns ein Imperium zeigt, das wir so noch nicht kennen. Denn in den galaktischen Randgebieten, wo die Serie die Wurzeln des Widerstands am intensivsten beleuchtet, verbirgt sich das Imperium hinter der Fassade eines Firmen-Sicherheitsdiensts.
„Für uns bot das die Gelegenheit, einen unterschätzten Teil der Star-Wars-Geschichte zu zeigen, nämlich die Verstaatlichung der Unternehmen und damit einen Prozess, den Faschisten immer genutzt haben“, erklärt Gilroy über den Anfang der Serie auf Morlana Eins und Cassians erste Begegnung mit einem Autoritarismus, der nicht von Sturmtruppen, sondern von der Konzernpolizei seiner Welt ausgeht. „Es war eine großartige Gelegenheit, einen anderen Blickwinkel einzunehmen und etwas anderes zu sehen“.
Hier lernen wir auch eine der wichtigsten Figuren von Andor kennen: Syril Karn. Auf diese Figur kam Gilroy jedoch nicht, um die Entwicklung eines totalitären Systems von seinen Anfängen als Unternehmensstaat her zu zeigen, denn, so erklärt Gilroy: „Ich habe [beim Schreiben] nie in solch großen Dimensionen gedacht. Ich denke nie über etwas Thematisches nach oder darüber, wohin ich eine Figur entwickeln möchte. Ich denke mir: Oh, okay, denken wir narrativ darüber nach. Es muss jemanden geben, der [Cassians Mord an zwei Polizisten] untersucht. Hier ist dieser Typ und er ermittelt. Oh, mein Gott, er könnte wie Javert sein. Er könnte wie ein Besessener sein. Fangen wir doch damit an.
Eine der Schlüsselszenen für mich beim Schreiben von [Syril] war die Szene mit ihm und seiner Mutter Eedy, die ihn an der Tür begrüßt und ihm eine Ohrfeige gibt. Wenn man das schreibt, fragt man sich: Wohin wird das führen? Ich finde die Figuren nach und nach, so wie das Publikum sie findet. Ich bringe sie auf die Beine, Häppchen für Häppchen“, so Gilroy weiter. „An einem bestimmten Punkt tritt man einen Schritt zurück und fragt sich: Moment mal, auf welcher Seite steht er, wie wird das enden? So mache ich das. Es würde die Leute vermutlich schockieren, wie klein die Dinge anfangen.”

Aber für Gilroy ist das Teil dessen, was die Figur letztendlich zu dem macht, was sie ist. „Meine Sicht auf Syril ist etwas anders als die anderer Leute“, sinniert Gilroy. „Ich glaube, er ist völlig unausgegoren, und ich glaube, er hätte sich auf die eine oder andere Weise mit der gleichen Begeisterung in jede Art von Familie begeben können, in jede Familie, die ihn aufgenommen hätte. Ich glaube, er sehnte sich danach, akzeptiert zu werden, und er braucht diese Akzeptanz geradezu leidenschaftlich.
Gilroys Fähigkeit, eine Überzeugung komplett ins Gegenteil zu verkehren, wird deutlich, wenn es um Syrils ideologischen Gegenpart in der ersten Staffel geht: Karis Nemik, ein junges Mitglied der Zelle, in die Cassian von Luthen eingeschleust wird, um im zweiten Handlungsbogen der ersten Staffel einen Überfall auf einen imperialen Tresor durchzuführen. „Er widerspricht allem, was ich gerade gesagt habe“, meint Gilroy lachend. „Ich wusste, dass ich einen Kerl, der am Anfang eine totale Kakerlake ist, in einen Schmetterling verwandeln musste. Ich wusste, dass ich ihn nach 12 Stunden so weit haben musste, dass er sagt: Mach mich zum Teil dieser Revolution oder töte mich. Ich wollte diesen Weg so aufregend, abenteuerlich, dramatisch und wild wie möglich gestalten, aber ich musste ihn auch emotional plausibel machen“.
So also kam Nemik ins Spiel, der rebellische Autor des Manifests. „Ich möchte so viele verschiedene Einblicke wie möglich in die Macht der Rebellion geben – das tue ich durch Maarva, das tue ich durch die Menschen, die [Cassian] auf seinem Weg trifft und die sich der Aldhani-Gruppe angeschlossen haben. Jeder hat seine eigene Geschichte, wie er dort gelandet ist … und ich dachte: Ich sollte wirklich einen Trotzki haben. Ich sollte wirklich einen jungen Russen dabei haben”, so Gilroy weiter. „Es sollte eine dialektische Figur geben, die eine ganz eigene Note in den großen Chor von Cassians Entwicklung gibt. Das gipfelt im Gefängnis, wo er schließlich seinen eigenen kleinen Mikrokosmos und seine eigene kleine Revolution erlebt. Das Gefängnis ist die letzte radikalisierende Erfahrung für ihn, aber ich habe ihm auf dem Weg dorthin acht, zehn, zwölf verschiedene wirklich große Knalleffekte verpasst, um zu sagen: Hey, hier solltest du hingehen.”
Am Ende von Staffel 1 geht Cassian zurück nach Hause auf Ferrix, zur Beerdigung von Maarva Andor, die während Cassians Inhaftierung an einer Krankheit gestorben ist. Für Gilroy war dies nicht nur ein beliebiger Schauplatz, um das Chaos zu bewältigen, das sich aus diesem metaphorischen Pulverfass ergeben würde, sondern der Schauplatz, der für Cassians Figur auf dem Höhepunkt der Staffel von größter Bedeutung war.
„Ich wusste, dass ich eine erzählerische Lösung brauchte, um alle an einem Ort zusammenbringen. Das ist das Schwierigste an Spionagefilmen. Ich habe so viele davon gemacht, einen Bourne-Film geschrieben … Eine der schwierigsten Aufgaben ist es, die Leute dazu zu bringen, miteinander zu reden und sich am selben Ort zu treffen“, so Gilroy.
„Deshalb kam ich auf diese Beerdigung. Es war mein Job, alles so zu steuern, dass auch wirklich alle kommen. Die einzige Person, die ich nicht dazu bringen konnte, war Mon Mothma. Aber das Furchterregende, das Groovige, das Schau mal hier von Ferrix ist, dass ich mit Ferrix das habe, wonach man immer sucht“, fuhr Gilroy fort. „Ich habe eine Umgebung, ich habe einen Ort, ich habe eine ganze Stadt, die genau das widerspiegelt, was mit meinem Charakter während der gesamten Serie passiert. Und das bietet mir die Möglichkeit, dass Ferrix quasi die Rebellion erbricht und herauswürgt, und Cassian wird durch Ferrix in sie hineingezogen. Das ist die Entdeckung, die man macht, wenn man wirklich gut schreibt. Die andere Sache ist mechanischer Natur: Ich musste alle Figuren dorthin bringen. Und es gibt ausgefeilte Drehbuchtechniken, um das zu schaffen! Das sind die Dinge, die die Leute nicht bemerken, die schwierig sind. Der andere Teil ist Glück, und wenn es wirklich gut läuft, denkt man sich am Ende: Oh mein Gott, Ferrix ist Cassian. Cassian ist Ferrix. Und das ist ein sehr befriedigendes Gefühl, wenn all das am Ende von 12 Stunden zusammenkommt.“
Mit dieser Erkenntnis gehen wir und Cassian in die zweite Staffel. Gilroy hat seinen Revolutionär ausgebildet und nun ist es an der Zeit, diese Ausbildung in die Praxis umzusetzen – aber Andor Staffel 2 wird nächsten Monat in einer ganz anderen Welt beginnen als der, in der Cassian durch den Regen auf einem unbekannten Planeten lief und sich mit gewalttätigen Firmenpolizisten anlegte. In der ganzen Galaxis bahnt sich eine organisierte Rebellion an, und mit ihr eine uns vertraute Welt. In der zweiten Staffel, die die Jahre bis zu Rogue One herunterzählt, gibt es ein Wiedersehen mit bekannten Gesichtern wie Alan Tudyks übergelaufenem Sicherheitsdroiden K-2SO oder Ben Mendelsohns Direktor Kennic. Das imperiale Militär mit seinen schwarzen Helmen wird mehr und mehr durch die bekannten weißen Rüstungen der Sturmtruppen ersetzt.
Besonders schwierig wird es wohl für die Fans, die Andor dafür bewundert haben, dass die Serie eine Star-Wars-Geschichte abseits der anderen Kapiteln der Saga erzählt hat, denn in Staffel 2 werden Ereignisse erzählt, die bereits in anderen Star-Wars-Medien erwähnt wurden.
„Letztlich ist es unausweislich. Eine meiner Verantwortungen ist es, den Kanon zu respektieren“, meint Gilroy über die zweite Staffel, die sich im Vergleich zur ersten Staffel in einem vertrauteren Umfeld bewegt.

„Ich muss mich um einige Ereignisse kümmern – das Massaker von Ghorman, ein kanonisches Ereignis, das bisher einige Unklarheiten mitbrachte, die wir gerade ausräumen. Es ist nichts darüber geschrieben worden, niemand weiß, worum es geht, also werden wir das alles definieren. Ich habe Mon Mothma, die den Senat verlässt, ihr großer Moment, das steht in meinem Kalender. K-2SO muss kommen, und wir müssen genug Spionage, genug Intrigen und genug Informationen über dieses mysteriöse Energieprojekt liefern, das zu der Mission führt, die in Rogue One stattfinden wird. Wir haben also wirklich ein Rätsel am Ende, das gelöst werden muss. Und auch hier ist es ähnlich, wie ich es am Ende der ersten Staffel mit Ferrix versucht habe, aber als Puppenspieler versuche ich, alle, die ich kann, so weit wie möglich in das Ganze einzubeziehen“.
Das sollte aber nicht als Checkliste missverstanden werden. So sehr er versteht, dass er als Teil dieses größeren Chors seine Rolle zu spielen hat, um eine Wendung von Gilroy zu verwenden, so ehrlich ist er auch, wenn es darum geht, wo Andors Schwerpunkt liegt. „Mehr als das ist uns egal“, fügt Gilroy hinzu. „Wir würden nie eine Figur nur zum Spaß hinzufügen. Wir machen das nicht als Seitenverweis oder als Augenzwinkern Richtung Publikum. Es gibt nichts, was nur zum Spaß ein paar pikante Details enthält. Alles muss sich organisch einfügen. Das war von Anfang an unsere Einstellung: nicht zynisch zu sein und die Dinge ernster zu nehmen, als es jemals jemand zuvor getan hat. Auch wenn wir uns verändern – manche Leute haben das Gefühl, dass sich viel verändert -, aber auch wenn wir die Grammatik dessen, was man tun kann, verändern, versuchen wir sehr konsequent, diesen Scheiß ernster zu nehmen, als es jemals jemand zuvor getan hat.“
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