Ohne Stein, aber mit Papier und Schere
Bei Star Wars: Episode I – Die dunkle Bedrohung waren enorme Innovationen in den Bereichen Animatics, nicht-lineare Bearbeitung, Sounddesign, Computereffekte und Charakteranimationen erforderlich, um George Lucas‘ bahnbrechende Vision auf die Leinwand zu bringen. Für den Storyboard-Zeichner Ed Natividad drehte sich seine Arbeit an Episode I allerdings nicht um technische Innovationen, sondern um die klassische Ideenfindung. „Ein Stift und ein Blatt Papier, mehr brauche ich nicht“, erzählt Natividad mit deutlichem Stolz. „Und den Bleistift um meinen Hals.“
Der aus Ohio stammende Natividad schloss sich 1997 dem Produktionsteam von Episode I an und verbrachte sein erstes Jahr damit, einige der ersten Storyboards für den Film auszuarbeiten. Ein Storyboard ist die künstlerische Darstellung eines bestimmten Punktes der Geschichte aus der Sicht der Kamera. Zusammengesetzt ergeben die Storyboards einen Prototypen des endgültigen Films, Einstellung für Einstellung.
„Während es auf Effektseite all diese Fortschritte gab, wurden die Storyboards ziemlich genauso wie zuvor angefertigt und eingesetzt“, erzählt Natividad. „Wir blieben der Tradition und dem Stil der ersten drei Filme treu, und damit kam durchgehend die Technik von Joe Johnston zum Einsatz.” Joe Johnston, der für seine Konzeptzeichnungen und seine Storyboards der klassischen Star-Wars-Trilogie bekannt ist, hatte laut Lucas „den besten visuellen Stil aller Zeiten”. Entsprechend groß waren die Fußstapfen, in die es nun zu treten galt.

Bei der Anfertigung von Storyboards geht es um Kontinuität, Bildregie und vor allem Effizienz. „[Storyboards] sind sehr einfach gehalten, hauptsächlich mit Bleistift und vielleicht einem schwarzen Filzstift“, erklärt Natividad. „Wir verwenden normale 22 x 28 cm große Seiten mit jeweils drei Einzeleinstellungen. Dann vergrößern wir sie mit dem Fotokopierer und schneiden sie aus. Man darf auf keinen Fall zu viel Zeit mit einer einzelnen Einstellung verschwenden.“
Natividad, der bereits an Storyboards für Filme wie Armageddon und Batman und Robin mitgearbeitet hat, betont, dass die Verwendung seines normalen Arbeitsgeräts nicht bedeutete, dass Die dunkle Bedrohung deshalb auch ein Routineprojekt gewesen wäre. Um sicherzustellen, dass die vielen an der Produktion beteiligten Personen von Anfang an Klarheit über die Richtung hatten, in die es gehen sollte, wurde frühzeitig beschlossen, Drehbuch und Storyboards gleichzeitig zu erstellen.

„Bei anderen Produktionen wartet man ab, bis man das vollständige Drehbuch bekommt“, sagt Natividad. „In diesem Fall haben wir nie Exemplare des Drehbuchs erhalten. Jeden Dienstag saßen wir stattdessen um einen Tisch herum, und George kam herein und las neue Seiten vor, während wir sehr einfache Skizzen davon zeichneten. In den darauffolgenden Tagen haben wir sie dann schnell ausgeschmückt und sie George am Freitag präsentiert.“
„Jede neue Szene begann mit einer Einführungseinstellung, z.B. einer großen Schlacht im Kurosawa-Stil auf sanften Hügeln aus der Vogelperspektive. Doug Chiang zeichnete die Einführungseinstellungen und Schlüsselbilder einer Szene – also faktisch die Höhepunkte der Handlung –, und wir füllten alle notwendigen Einstellungen dazwischen aus. Sobald später das Design, der genaue Drehort und die Besetzung feststanden, wurden diese Proto-Storyboards angepasst.“
Natividad und sein Kollege Benton Jew verbrachten fast ein ganzes Jahr ausschließlich mit dem Erstellen von Storyboards, aber das Storyboard-Team selbst wuchs bei Bedarf oft auf eine Gruppe von vier oder fünf Personen an. „Jeder in der Grafikabteilung sprang ein, wenn er nicht mit anderen Dingen beschäftigt war. Doug war der Leiter, und Ian McCaig war ebenfalls sehr wichtig, aber wir haben alle dazu beigetragen. Es gab nicht viele Spezialisierungen. Jeder musste in der Lage sein, alles zu zeichnen.“

Bei einem so iterativen Prozess ist es nicht überraschend, dass sich das Storyboard-Team im Laufe der Zeit an erhebliche Änderungen anpassen musste. „Es sollte zunächst einen Kampf mit den Droiden und Panzern in der Wüste geben“, erinnert sich Natividad. “Und die Kräfte der Jedi waren etwas stärker. Sie konnten 30 Meter hoch springen und sich unsichtbar machen – sie schimmerten dann irgendwie. Außerdem konnte Obi-Wan mit Hilfe der Macht auf Droiden einwirken, sodass diese sich gegenseitig angreifen und vernichten würden. Entsprechend geringer waren zu der Zeit die Schwierigkeiten für die Jedi.“
Die chronologische Aufstellung von Episode I
Sobald die Storyboards fertig waren, wurden sie in der richtigen Reihenfolge auf Hartschaumplatten gepinnt. „Wir hatten sie überall im Raum verteilt“, erzählt Natividad. „Schließlich ging uns der Platz aus, aber es war toll, den ganzen Film vor Augen zu haben.“ Durch den Aufbau der Storyboardtafeln konnte Regisseur George Lucas ganze Filmsequenzen vorab bearbeiten, indem er Tafeln entfernte oder ihre Reihenfolge änderte, um eine Szene visuell spannender zu gestalten.
Anschließend wurden die Storyboards Industrial Light & Magic vorgelegt. „Aufgrund der großen Anzahl erforderlicher Effekte waren die Storyboards für ILM sehr wichtig, um überhaupt die finanziellen Aufwände des Films abschätzen zu können“, erklärt Natividad. „Sie kamen herein, und George nahm tatsächlich einige Marker und markierte farbig, was digitale Matte-Elemente, computergenerierte Elemente, Sets und Miniaturen sein würden. Die Qualität und Genauigkeit der Storyboard-Zeichnungen musste entsprechend viel höher sein als bei anderen Filmen. Alles musste klar dargestellt werden. Es durften keine Fragen offen bleiben. Wenn die Computerjungs ihre Modelle erstellen, nehmen sie alles, was es an Vorlagen und Referenzen gibt, nämlich sehr wörtlich.“

Nachdem die erste Storyboard-Runde abgeschlossen war, widmete Natividad sich im folgenden Jahr dem Konzeptdesign für die unzähligen Elemente, die für die Ausgestaltung des Star-Wars-Universums benötigt wurden. Nachdem die Hauptmotive festgelegt waren, half Ed dem künstlerischen Team dabei, Allem ein Aussehen zu geben, vom Tempel der Jedi über gunganische Waffen bis hin zu Statuen, Kostümen für Nebenfiguren und sogar kleineren Details wie Tischen, Stühlen und Leuchten. „In der künstlerischen Abteilung müssen wir alle vielseitig und in der Lage sein, überall dort einzuspringen, wo wir gebraucht werden“, stellt Natividad fest. „Es gab so viele Dinge zu entwerfen. Wir haben einfach das genommen, was Doug und Ian McCaig ästhetisch festgelegt hatten, und sind auf dieser Grundlage vorangeschritten.“

Aber die Arbeit an den Storyboards endete nicht mit dem Drehbeginn. Im Laufe der Realaufnahmen wurden die Storyboard-Künstler angefordert, um sogenannte „Effektboards“ zu erstellen. „Wir erhielten Standbilder von Blue-Screen-Aufnahmen und sollten die blaue Leere ausfüllen“, berichtet Natividad. Nach Fertigstellung dieser Effektboards war das Team auch für das Zeichnen von Storyboards für alle Nachdrehs zuständig, die sich im Schnittprozess als notwendig erwiesen.
Trotz der wiederholten und detaillierten Beteiligung von Natividad an jeder Szene aus Episode I war ihm das Endprodukt immer noch ein Rätsel. „Das Tempo war anders als erwartet. Es ging ein bisschen schneller als gedacht“, sagt er. „Eigentlich wollte ich nichts vom Film sehen, bevor er fertig war. Ich habe jede Gelegenheit vermieden, eine Vorschau des Films zu sehen, egal was es da zu sehen gab.“ Im Sommer nach dem Kinostart sah er sich den Film stattdessen 13 Mal im Kino an.

Natividad erholte sich gerade auf Hawaii, als er die Einladung erhielt, an Episode II mitzuarbeiten. Er nahm „sofort“ an und erwartet keine großen Veränderungen beim Storyboarding-Prozess. „Wir müssen einen Zeitplan einhalten, daher denke ich, dass es etwas effizienter laufen und nicht so lange dauern wird“, prognostiziert er es. „Aber ich denke, Bleistift und Papier sind immer noch die beste und schnellste Methode. Alles geht in Richtung Computer, aber was ist, wenn der Regisseur möchte, dass man in sein Büro kommt und einige Ideen einbringt? Einen Computer kann man nicht dorthin mitnehmen.“
„Das endgültige Kunstwerk ist am Ende der Film. Meine Zeichnungen liefern dazu die Ideen.“
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