Nachdem wir euch in vor einer Woche ein Review zu Into the Dark von Claudia Gray anbieten konnten, freuen wir uns, nun mit A Test of Courage von Justina Ireland weiter machen zu können. Erneut ist Tim von Radio Tatooine der Autor und auch dieses Testmuster wurde uns dankenswerterweise von Lucasfilm Publishing zur Verfügung gestellt.

Die brandneue Ära der Hohen Republik findet nicht nur in mehreren Medien gleichzeitig statt, sondern wird dabei auch für verschiedene Altersklassen erzählt. Damit unterscheidet sie sich deutlich von ihren Vorgängern aus der Legends-Kontinuität: So war die düstere Zukunft der Legacy-Comics klar für Teenager-und-aufwärts konzipiert – und auch die New Jedi Order wusste nie so recht, wie sie ihre planetaren Verwüstungen durch extragalaktische Alptraumkreaturen wirklich greifbar für Leser im späten Grundschulalter machen sollte.
Die Hohe Republik dagegen folgt dem Vorbild der Kinofilm-Epochen und möchte mit seinen Romanen und Comics ein breites Spektrum von Fans ansprechen. Mit unvermeidlichen Nachteilen: Ältere Komplettisten werden sich wiederholt in Geschichten wiederfinden, die erst in vierter oder fünfter Linie für sie geschrieben wurden. Im Gegenzug wird diese neue alte Galaxis jedoch bunter und “wirklicher”, betrachtet durch die Brille verschiedener Genres und die Augen von Kindern, die abseits der großen Sternenkriege ein kleines Abenteuer für andere Kinder erleben – und so das Setting erst zu einem Zuhause machen.
Hier wären ein paar weitgehend spoilerfreie Gedanken zu A Test of Courage (deutsch: Die Mutprobe) von Justina Ireland. Der Junior-Roman wird am 5. Januar auf Englisch erscheinen.

Der lange Weg zum Leuchtturm
Die junge Jedi-Ritterin Vernestra Rwoh soll bei ihrem allerersten Auftrag die 11-jährige Senatorinnen-Tochter Avon Starros auf dem Flug zur Einweihung des Starlight Beacon begleiten, der großen republikanischen Raumstation, welche den dunklen Regionen der Galaxis als symbolische Lichtquelle und wortwörtliche Navigationshilfe dienen will.
- Konzeptbild zu Vernestra Rwoh
Quelle: starwars.com
Bevor der elegante Raumkreuzer Steady Wing sein Ziel erreicht, kommt es an Bord jedoch zur Katastrophe. In letzter Sekunde flüchten Vernestra und Avon in einem Shuttle, gemeinsam mit dem Padawan Imri, dem Diplomatensohn Honesty, sowie Avons modifiziertem Bodyguard-Droiden J-6. Unsere vier-plus-fünf jungen Helden müssen auf einem Dschungelplaneten notlanden – ohne zu wissen, welche Gefahren vor ihnen liegen und welche ihnen vielleicht gefolgt sind.
A Test of Courage ist ein kurzes Buch: Reduziert man seine Geschichte auf den bloßen Plot, ergibt sich ungefähr das Material eines Zweiteilers aus The Clone Wars oder Rebels. So zeigt TCW’s längerer Younglings-Arc zwar ebenfalls eine Kindergruppe, die von einer Jedi-Teenagerin durch eine plötzliche Gefahr navigiert werden muss, involviert aber deutlich mehr Figuren, Setpieces und Bilder.
Im Vergleich ist A Test of Courage eine kleinere und persönlichere Survival-Geschichte, die sich in kurzen Schritten durch einen konventionellen Plot bewegt und es nach jedem dieser Schritte kaum erwarten kann, sich begeistert auf die nächste Momentaufnahme der Charakterisierung zu stürzen. Autorin Justina Ireland genießt spürbar jeden Augenblick, in dem die vier Hauptfiguren einfach nur im gleichen Raum sind: Einer brütet vor sich hin, zwei weitere diskutieren energisch, der Vierte sucht nach traumlosem Schlaf – und die Autorin fliegt immerzu mitfühlend von einem Kopf zum nächsten.
Das Gleichgewicht der Skillpoints
Die individuellen Arcs jeder Figur beschäftigen sich dabei durchweg mit Fragen, die für das junge Zielpublikum besonders relevant sein mögen. In klassischer Star Wars Manier werden so die Gefühle aus dem eigenen Leben auf die große Bühne zwischen den Sternen projiziert.
Die 16-jährige Jedi Vernestra schultert als Identifikationsfigur für jüngere Teenager bereits die Verantwortung ihrer ersten eigenen Mission und ihrer unfreiwilligen Rolle als Vorbild. Trotzdem hat sie die Schwelle zum Erwachsensein noch nicht gänzlich hinter sich gelassen, ähnlich wie ihr der kindliche Spitzname “Vern” bis in die Ritterschaft gefolgt ist. Der jüngere Imri hat letztere Hürde noch nicht genommen und fürchtet, im Gegensatz zur Überfliegerin Vernestra nie ganz zum Jedi zu taugen – trotz seines eigenen, empathischen Talents.
Die 11-jährige Avon ist als rebellische Abenteurerin und Droiden-Bastlerin in vielem begabt und an allem interessiert, glücklicherweise ohne dabei schon eine klare Meinung zum Thema “Sand” gefasst zu haben. Ihr Verstand und ihre direkte Art lassen gleichaltrige Kinder schnell auf Distanz gehen, während ihre Beziehung zu Vernestra an jene zu einer älteren Schwester erinnert, von deren anfänglicher Aufpasser-Rolle sie nicht begeistert ist und deren übernatürliche Kräfte sie für unfair hält. Honesty schließlich verfügt weder über die Macht, noch über technische Begabung. Schon zu Beginn des Buchs ringt er mit der Angst, nicht gut genug auf die Welt vorbereitet zu sein – ein Gefühl, das sich auf dem plötzlichen Survival-Trip noch verstärkt.
Was in unserer Welt einfach nur die gegensätzliche Interessen und Talente wären, wie sie sich in jeder Schulklasse und jedem Freundeskreis finden lassen, multipliziert sich hier mit der Macht: Diese ist auf dem Abenteuer lebensnotwendig, zieht aber auch einen Graben durch das Ensemble, auf dessen einer Seite die Jedi mit ihrer grundsätzlich anderen Wahrnehmung und all ihren Möglichkeiten stehen. Dennoch bemüht sich das Buch, jede Figur ihren Teil beitragen zu lassen – genau wie z.B. Eine neue Hoffnung Han Solos Ansichten zur Macht korrigiert, jedoch niemals seine Fähigkeiten und seinen Wert in Frage stellt. Die Botschaft für Kinder ist heute die gleiche wie damals: Wenn selbst so grundverschiedene Charaktere sich anfreunden können, welche Entschuldigung haben dann alle anderen?
Dunkle Stunden
- Konzept-Bild der Nihil
Quelle: starwars.com
Ein großer Teil von A Test of Courage dreht sich also um all die Dinge, die man von einem Junior Roman erwarten würde: Ein geradliniger Plot, sowie konventionelle, aber liebenswerte Themen über den Wert von Zusammenarbeit, Selbstvertrauen und Individualität. Der andere Teil beschäftigt sich mit Trauer. Um beim Beispiel von Eine neue Hoffnung zu bleiben, nimmt dieser Roman den Tod von Owen und Beru mit an Bord des Falken. Er tut das mit altersgerechter Behutsamkeit, mit Unterbrechungen und natürlich ohne sein Ensemble in bodenlose Abgründe zu stürzen – aber er tut es.
So sehen wir die individuellen Wege, wie die Figuren damit umzugehen versuchen: sprechen, schlafen, weinen, schweigen. Der einzige falsche Weg ist die Dunkle Seite. Mehr als eine Figur ringt mit der Versuchung, den anhaltenden Schmerz in Wut zu verwandeln, um irgendetwas anderes zu fühlen – und schließlich zu erkennen, dass sich der Schmerz nur als solcher akzeptieren lässt, nicht ersetzen und auch nicht durch Rache lindern.
In einem besonders einprägsamen Absatz erzählt Vernestra, dass sie vor Jahren zusammen mit anderen Jedi-Kindern gesehen und gespürt hat, wie einer der älteren Meister während der Meditation friedlich verstorben ist und in die Macht überging, als seine Zeit kam. Die Kinder vermissen ihn, aber erlangten in diesem Moment ein Verständnis von Leben, Tod und der Macht, das ihnen den Abschied erleichtert hat. Zweihundert Jahre später mag Yoda Anakin keine Hilfe sein, wenn er in Die Rache der Sith vom Tod als natürlichem Teil des Lebens spricht – aber vielleicht sehen wir hier die friedlichere Welt, in der sich ein solcher Satz einfacher sagt.
Ein weiterer Tag in der Hohen Republik
Auch wenn die Reise zum Starlight Beacon als Aufhänger dient, die Hyperraum-Katastrophe erwähnt wird, die Serien-Schurken Nihil auftauchen und es kurze Cameos von Jedi-Figuren anderer Bücher gibt: Der Kern von A Test of Courage ließe sich notfalls auch auf die frühe Prequel-Ära umschreiben. Es ist kein Buch, das erst durch diese neue Epoche möglich wurde, sondern “nur” eines, das gut in sie hineinpasst: Es bekräftigt jungen Lesern gegenüber noch einmal die Grundfesten der Jedi-Philosophie und zeigt, wie die Jedi – auch in einer Welt ohne aktive Sith – schon als Kinder der schleichenden Gefahr durch die Dunkle Seite widerstehen müssen.
Jüngeren SW Fans würde ich A Test of Courage absolut empfehlen. Ältere Interessierte, die ohnehin jedes einzelne High Republic Werk lesen möchten, werden ihre kurze Zeit mit diesem Ensemble wohl nicht bereuen, den wirklich sehr einfachen Plot aber auch nicht sonderlich aufregend finden.

Wer sich trotz (oder wegen?) der beschriebenen Alterszielgruppe durch unser Review vom Buch angesprochen fühlt, der kann es sich bereits vorbestellen:
- Die Mutprobe: Deutsche Ausgabe
- A Test of Courage: Englische Ausgabe
Wir bedanken uns erneut bei phazonshark (SWU-Nickname), aka Tim von Radio Tatooine, für den Gastbeitrag!
Auf unserer Liste befinden sich noch Light of the Jedi und die Comics. Natürlich werden wir uns nach und nach allem widmen.
Ich habe "A Test of Courage" auch bereits durch und möchte hier Tim beipflichten. Eine nette, kleine Geschichte, die sich in ihrer Struktur klar an junge Leser:innen richtet. Hauptprotagonistin Vern ist mir aber wirklich ans Herz gewachsen und sie hat schon auch trotz der jungen Zielgruppe spannende Grauzonen und ist eben nicht ein Jedi-Abziehbildchen. Mit dieser Figur kann man echt noch spannende Geschichten zukünftig erzählen.
Das Buch läuft gegen Ende auch auf eine spannende Konfrontation hin, die in ihrem Inhalt und Art und Weise total "Star Wars" ist, ohne die Zielgruppe zu verlieren.
Ich möchte hiermit also tatsächlich alle Star Wars Fans dazu aufrufen, dieser kleinen Geschichte eine Chance zu geben.
Vielen Dank für den interessanten Einblick. Ich glaube, dann überspring ich dieses Heftchen doch lieber. 😉
Vielen Dank für die schöne Review. Ich gehöre nicht zur Zielgruppe, habe nach dem Lesen aber dennoch Lust auf das Buch, da ich versuchen möchte, diese Reihe vollständig zu lesen.