Heute ist das Embargo für Reviews zu den ersten Veröffentlichung zur neuen Star Wars Ära Die Hohe Republik gefallen. Wir haben für euch, in Zusammenarbeit mit Tim vom Radio Tatooine Buchclub, ein Review zum Buch von Claudia Gray erstellt. Das Exemplar haben wir von Lucasfilm Publishing dankenswerterweise frühzeitig zur Verfügung gestellt bekommen.

Das High Republic Projekt, das wir über die letzten Monate hinweg mit vielen Nachrichten begleitet haben, eröffnet mit drei Romanen für jeweils unterschiedliche Altersgruppen. Dabei liefert die Kanon-Veteranin Claudia Gray den Young-Adult-Titel In die Dunkelheit. Dessen englische Fassung erscheint zwar ein paar Wochen nach seinen beiden Geschwistern (2. Februar 2021), soll hier in Deutschland jedoch Teil des Projektstarts im März sein und überholt damit sogar den Charles Soule Roman Light of the Jedi.
Erklärtes Ziel der Macher ist, dass alle Bücher und Comics des Projekts miteinander verzahnt sind und dennoch ohne Kenntnis der anderen Werke gelesen werden können. So beginnt die Handlung von Into the Dark nahezu zeitgleich mit jener von Light of the Jedi, mit einer weitläufigen Hyperraum-Katastrophe, etwa 200 Jahre vor der Naboo-Krise. Doch während „Light“ seine Kamera anschließend in das Spektakel einer großangelegten Jedi-Rettungsaktion schwenkt, steuert „Dark“ sein eigenständiges Ensemble aus Figuren auf eine Mystery-Nebenspur, die bewusst auf kleinerer Flamme kocht und schließlich im letzten Viertel auflodert.

Jedi aus zivilisierteren Tagen
Also, ohne größere Spoiler: Worum geht‘s? Der 17-jährige Jedi-Padawan Reath Silas hat den Großteil seiner Ausbildung auf Coruscant verbracht. Ihn verlangt es nicht nach Abenteuern oder (tss!) großen Erlebnissen – lieber würde er den Tag lang in den Tempel-Archiven lesen.
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- Konzeptbild zu Reath Silas
Quelle: starwars.com
Als seine Meisterin Jora Malli jedoch ein Kommando auf der neuen Raumstation Starlight Beacon antritt, weit draußen hinter den Grenzen der Republik, bleibt Reath keine andere Wahl, als die Sicherheit von Coruscant zu verlassen und ihr widerwillig zur geheimnisvollen „Frontier“ nachzueilen.
Seine Reisegemeinschaft besteht dabei aus drei weiteren Jedi: Der Ritter Dez Rydan war der erste Padawan von Reaths Meisterin und ist mit seinem draufgängerischen Charme all das, was Reath nicht ist. Meisterin Orla Jareni hegt Zweifel an den starren Vorgaben des Ordens und möchte draußen in der Ferne einen freieren Pfad als „Jedi-Wayfinder“ einschlagen. Und Meister Cohmac Vitus ist ein Gelehrter mit vielseitigen Interessen, darunter die Geschichten und Mythen fremder Kulturen.
Ein Schiff namens Schiff
Als schon auf Coruscant der Raumer ausfällt, der Reath und die anderen Jedi ins große Unbekannte hätte bringen sollen, muss kurzerhand Ersatz her. Dieser erscheint in Form des pragmatisch benannten Frachters Vessel (engl. Schiff, Gefäß), dessen dreiköpfige Crew von außerhalb der Republik stammt und nun erstmals Coruscant und die Jedi von nahem sieht: Da ist die junge Pilotin Affie Hollow, deren Adoptivmutter die Byne Transportgilde führt. Dann der überaus „gechillte“ Alltagsphilosoph Leox Gyasi, der in seiner ganz eigenen Version einer „High“ Republic zu leben scheint. Und schließlich der brillante Hyperraum-Navigator Geode, welcher sich bei flüchtigem und auch bei sehr genauem Hinsehen als scheinbar lebloser Felsblock entpuppt.
Diesen drei Figuren verdankt der Roman viel von seiner Energie und seinem Humor. Speziell das felsige Mysterium Geode – der zwar in diversen Szenen auftaucht, aber nie beim Betreten oder Verlassen von Räumen gesehen wird, oder überhaupt bei irgendwas – wäre in einem Kinofilm mühelos der Star diverser animierter Twitter GIFs, die sich bei längerer Betrachtung als Twitter JPGs herausstellen.
Früh im Buch jedoch wird es ernst: High Republics große Hyperraum-Katastrophe trifft ein und unsere Figuren können ihr nur knapp entgehen. Die Vessel strandet mit mehreren anderen Schiffen in einem Sternensystem, das von Sonneneruptionen geplagt wird. Zuflucht bietet allein eine antike Raumstation, die auf den ersten Blick verlassen und bedeutungslos erscheint – und auf den zweiten Blick sogar idyllisch!
Ungefähr hier kommt dann die Dunkle Seite der Macht ins Spiel …
Graue Substanz
Das Medium ganz außen vor: Claudia Gray ist eine der besten Autoren im Franchise. Dies ist ihr fünftes Star Wars Buch, angefangen mit ihrem Überraschungshit Verlorene Welten in 2015, und es setzt ihre bekannten Stärken fort: Figuren werden bereits mit wenigen, gekonnten Handgriffen sympathisch und lebendig charakterisiert. Kurze Szenen sorgen für ein durchgängig hohes Tempo und liefern trotz ihrer Kompaktheit oft noch schnell den nächsten kleinen Reveal, den nächsten wichtigen Beat in Plot- und Charakterentwicklung.
Zwar besitzen die Meister-Padawan Dynamiken hier nicht ganz den Detailgrad aus Grays Vorgängerbuch, Meister und Schüler, wo diese natürlich titelgebender Fokus waren. Im Ausgleich wird Into the Dark jedoch seinerseits dem eigenen Namen gerecht und präsentiert eine klare Weiterentwicklung der Mystery-Elemente von Meister und Schüler: Gerade die erste Hälfte bietet eine atmosphärische Geschichte über Erkundung und den Weg ins Unbekannte, welche unheilvollere Vorzeichen liefert als Grays Prequel-Ära-Buch und diese zudem nicht in der Vertrautheit bereits bekannter Filme münden lassen muss.
Die Bemühungen der Jedi, tief in unbekanntem Raum die Absichten fremder Kulturen einschätzen zu müssen und dabei einen zentralen, geheimnisvollen Ort zu navigieren, könnte EU-Leser zudem an Timothy Zahns Legends-Roman Survivor’s Quest erinnern.
Hoch, Höher, High Republic?
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- Jedi der Hohen Republik
Quelle: starwars.com
Sobald die Jedi inmitten einer galaktischen Katastrophe ihr Bestes tun, um möglichst viele Leben zu retten (Schiff um Schiff, ein niedliches Wookiee-Baby zur Zeit), sehen wir sie und die Republik tatsächlich in den sagenumwobenen, goldenen Tagen ihrer Zusammenarbeit. Lange bevor Korruption und Palpatine all dem ein Ende setzen werden. So sind die Jedi hier als erste zur Stelle, um einen brennenden Raumer zu evakuieren, während sie wissen, die Unterstützung der Republik ist ebenfalls auf dem Weg. Und sie glauben, dass es immer so sein wird.
High Republic scheint klar interessiert an den Jedi als „Lichtern in der Dunkelheit“ – und Claudia Gray ist klar daran interessiert, diese Rolle prompt zu hinterfragen. Dies geschieht nicht nur, wenn die Jedi der Vessel-Crew (und indirekt sich selbst) in einfacher und kompakter Form erklären müssen, was genau dieser Orden von “Zauberer-Mönchen” eigentlich sein möchte. Wir sehen es auch konkreter, wenn mit dem Terrain unvertraute Jedi entscheidende Fehler machen. Oder wenn ein aus noblen Zielen gezogenes Lichtschwert plötzlich keinen anderen Ausweg mehr aus einer Situation findet als den durch Fleisch – während anderswo im Buch stattdessen die Spiritualität eines Nicht-Jedi einen Konflikt beruhigt.
Selbst die Meister im Ensemble sind sich ihrer Sache selten sicher: Orla versucht vergeblich, die Vorschriften des Ordens mit ihren Instinkten in Einklang zu bringen, während Cohmac den fehlenden Umgang der Jedi mit Trauer hinterfragt – und sogar die klare Abgrenzung der Dunklen Seite.
Goldene Tage, also. Nur keine einfachen.
Dunkle Bedrohungen
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- Konzeptbild zu den Nihil
Quelle: starwars.com
Auch Into the Dark selbst ist nicht völlig frei von Schatten. Nicht unüblich für Mystery-Geschichten, verfliegt natürlich ein Teil ihrer Spannung, sobald alle Karten auf dem Tisch liegen und alle Loyalitäten geklärt sind. Akt 3 funktioniert im Kern wie ein typisches Star Wars Action-Finale, das blitzartig von Figur zu Figur wechselt, vom Cliffhanger zur rettenden Idee und wieder zurück. Wer dieses Rezept auch in Textform mag, bekommt hier eine solide Version davon serviert – andere mögen die kurzen, emotionalen Paukenschläge am Ende von Grays ersten beiden SW Romanen vorziehen.
Entscheidend für den zentralen Konflikt sind zwei Gruppen von Antagonisten: Nach unzähligen Star Wars Geschichten voller Sturmtruppler und Kampfdroiden punktet die erste Gruppe mit Abwechslung, erreicht aber nicht ganz den angestrebten Horror-Faktor. Die anderen Gegenspieler sind die im Vorfeld beworbenen Weltraum-Wikinger namens Nihil, deren kurze Präsentation hier sicherlich Potential für später bietet, sie als große neue Gefahr aber noch nicht auf Anhieb interessant macht. Diese Rolle mag anderen Büchern zufallen.
Das ist erst… DER ANFANG
Auf die Gefahr hin, den Tag noch vor dem sehr frühen Mittag zu loben: Soweit, so gut! Für mich war Into the Dark eine der kurzweiligeren Star Wars Lektüren der letzten Zeit. Seine Einstufung als „Young Adult“ sollte dabei niemanden abschrecken, auch wenn diese sich natürlich durchaus bemerkbar macht, z.B. im typischen Bücherwurm-Protagonisten, der zum Abenteurer wird.
Bei den Figuren lässt sich zudem nicht überall einschätzen, welche von ihnen nur für dieses Buch konzipiert wurden (und als solche bewertet werden sollten) und welche ihre „eigentliche“ Geschichte in der High Republic noch vor sich haben. Nur beim lebenden Felsbrocken Geode gehe ich fest von zukünftigen Cameos aus, zumal es schwierig werden dürfte, mir jemals das Gegenteil zu beweisen.

Wer sich durch unser Review vom Buch angesprochen fühlt, der kann es sich bereits vorbestellen:
- In die Dunkelheit: Deutsche Ausgabe
- Into the Dark: Englische Ausgabe
Wir bedanken uns bei phazonshark (SWU-Nickname), aka Tim von Radio Tatooine, für den Gastbeitrag und freuen uns auf die Revanche im Buchclub zur Hohen Republik!
Als nächstes werden wir im Rahmen der High Republic das Buch A Test of Courage, zu deutsch Die Mutprobe, von Justina Ireland vorstellen. Light of the Jedi und die Comics stehen natürlich auch noch auf unserer Liste und werden bei uns besprochen.
Die Review von Tim finde ich richtig klasse. Inhaltlich und vor allem auch stilistisch toll geschrieben! Danke, Tim! Freue mich auf die Diskussionen und Analyse dazu im Radio Tatooine Buchclub mit dir 🙂
Eine sehr kurzweilige Review mit gekonnten Sublines und einem merkbaren "Verve" zwischen den Zeilen – konnte richtig aus jedem Satz herauslesen, dass Tim da mit dem Herzen bei der Sache und von dem Buch in großen Teilen ziemlich angetan war.
Und das Beste: Dieser Bericht hat mir tatsächlich Bock auf zumindest schon mal dieses Werk der neuen HR-Ära gemacht; allein Geode möchte ich jetzt gerne selbst erleben.
Dennoch, ob ich gleich auf Englisch zuschlage, ist fraglich, wenn auch aktuell vielleicht mehr meiner Gesamtsituation geschuldet, die mir gerade wenig Raum im Kopf für derartiges wie einen neuen Roman lässt.
Freue mich aber schon auf die nächste Review. 🙂
Vielen Dank für die ausführliche Review, hat mich jetzt auf jeden Fall sehr angesprochen!
Ich hoffe sehr, dass Light of the Jedi bald auch noch die deutsche Version zum Vorbestellen erhält…
Ich schließe mich den Vorrednern an und bedanke mich für diese tolle Review, die viel Lust auf das Buch macht.
Inwiefern der Bücherwurm, der zum Abenteurer wird für "Young adult" spricht, ist mir zwar nicht ganz klar, aber auch nicht so wichtig. Ich finde gerade diese Figur nach dem Lesen der Review interessant, weil ich mich damit möglicherweise gut identifizieren kann. Außerdem bringt es mal ein bisschen Abwechslung in unsere "Draufgänger-Galaxis". So einen Charakter hatten wir bisher vergleichsweise selten.
Vielen Dank für das anteasen. Sehr schön geschrieben und obwohl mich die erscheinende Reihe bisher eigentlich ziemlich kalt gelassen hatte, will ich jetzt wissen, was auf dieser Raumsation passiert und wo "dann die Dunkle Seite der Macht ins Spiel" kommt. Vielleicht gebe ich der Reihe doch eine Chance. 🙂