Mit dem Roman Midnight Horizon von Daniel José Older erschien am 01. Februar 2022 das letzte Buch der dritten Veröffentlichungswelle der ersten Phase der Hohen Republik. Dieses Buch für junge Erwachsene ist damit auch gleichzeitig der Abschluss dieser ersten von insgesamt drei Phasen der Erzählung. Mit Older ist nach Claudia Gray mit Into the Dark und Justina Ireland mit Out of the Shadows nun der dritte Autor mit der Zielgruppe betraut. Bisher kennen wir ihn von der IDW-Comicreihe Star Wars The High Republic Adventures, dem Buch für junge Lesende Race to Crashpoint Tower und der Marvel-Mini-Comicreihe Trial of Shadows. Ob er sich mit diesem Buch in die Reihe toller YA-Erzählungen im Star Wars Universum einreihen kann, ergründen wir in diesem Review. Wir bedanken uns recht herzlich bei Lucasfilm Publishing für die Möglichkeit, dieses Roman vorab zu lesen.
Midnight Horizon
Wer früh angefangen hat, profitiert
Ja, das wird ein billiger Versuch von uns, die Dramaturgie dieses Reviews mit Tageszeiten anzureichern, bis wir schlussendlich zur Mitternacht ankommen, bzw. uns im Spoilerteil sogar darüber hinaus wagen, aber bei dem Titel liegt es einfach auf der Hand. Auch auf der Hand liegen zwei Protagonisten dieses Buches, da sie auf dem Cover vertreten sind: Wir erleben die Fortführung der Reise des Jedi-Padawans Reath Silas und seinem Meister Cohmac Vitus. Doch diese seit Into the Dark bekannten Charaktere, welche von Claudia Gray eingeführt wurden, bekommen dieses Mal tatkräftige Unterstützung durch ein ganzes Arsenal an Charakteren von Autor Older. Damit setzt sich der Trend fort: Jede*r Autor*in nimmt jeweils vorhandene Charaktere der Altersstufe auf und ergänzt sie durch die Transformation von eigenen Charakteren für ein anderes Alterspublikum. Somit war es naheliegend, dass Older seine aus dem Buch für junge Lesende Race to Crashpoint Tower bekannten Charaktere mit in dieses Buch nimmt. Die Hauptantagonistin entnimmt er sogar seiner IDW-Comicreihe für junge Lesende. Das finden wir mutig, gleichzeitig aber auch gewinnbringend. Nicht zuletzt dieses Buch zeigt uns, wie befriedigend es ist, wenn man wirklich alle Geschichten der Hohen Republik mitnimmt. Die Querverbindungen und gegenseitigen Bezüge gehen über die Handlung hinaus und integrieren die Charakterentwicklung. Fraglich ist jedoch, ob dadurch nicht auch Lesende ausgeschlossen werden, die bewusst auf Literatur verzichten, die ihrer Meinung nach nicht für ihr Alter ist.
Um jedoch konkret zu werden, gibt es in diesem Buch ein Wiedersehen mit Ram Jomaram (ja, wir müssen den Nachnamen auch immer googeln, wenn wir ihn ausschreiben – fortan werden wir ihn folgerichtig nur beim Vornamen nennen), Zeen Mrala, Kantam Sy und bisweilen Lula Talisola. Am Ende wartet sogar eine tolle Überraschung auf uns!
Natürlich gibt es aber auch viele neue Charaktere. Im Gedächtnis geblieben ist uns dabei aber lediglich Crash. Nein, kein Unfall, sondern Alys Ongwa, Spitzname Crash, die junge Leiterin eines Sicherheitsunternehmens auf Corellia, den Planeten, wo unsere Haupthandlung spielt. Das liegt auch daran, dass Crash eine aus unserer Sicht toll geschriebene und charakterisierte Person ist, die mit ihrer Art Schwung ins Universum bringt, wogegen die anderen Charaktere zwar die totale Artenvielfalt des Star-Wars-Universums repräsentieren (Lob!) aufgrund ihrer umständlichen Namen und Masse einfach im Buchstabensalat drohen unterzugehen (Kritik!). Eine Sicherheitsfirma besteht nun aber auch aus vielen Beschäftigten…
Geschichte für einen sonnigen Tag
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- Cover B von Midnight Horizon
Quelle: starwars.com
Diese Beschäftigten sind zum Beginn des Buches auch tatkräftig am Werk. Man wird zu Beginn der Geschichte in eine leichtfüßige und spaßige Handlung geworfen. Auch wenn der ganz konkrete Beginn düster ist, entfaltet sich spätestens nach Ankunft von Reath, Zeen, Ram, Cohmac und Kantam auf Corellia eine spaßige Handlung. Vor allem Reath und Ram, die zügig auf Crash treffen, erleben einige schöne Dinge in Coronet-City – der Hauptstadt von Corellia. So leicht, dass wir am Anfang des Buches so ziemlich das Gefühl haben, dass die Geschichte doch etwas zu seicht werden könnte. Es braucht sehr lange, bis die Handlung in Schwung kommt und auch, wenn die Erzählung durch Crash launig erzählt wird, haben wir zunächst das Gefühl, dass die vielen Charaktere für junge Lesende die Handlung zu eintönig machen. Auf der anderen Seite ist es aber auch mal schön zu sehen, wie die Charaktere, die wir in den letzten Geschichten haben kämpfen und leiden sehen, auch mal schöne Episoden erleben und Spaß zusammen haben dürfen. Somit haben wir in der Abwägung gemischte Gefühle der ersten Hälfte des Buches betreffend. Der goldene Mittelweg wäre es vielleicht gewesen, diesen Spaß kürzer zu fassen. Was aber auch schon in dieser ersten Hälfte heraussticht, sind die Rückblenden aus dem Leben von Jedi-Meister Kantam Sy. Ja, durch Into the Dark sind wir etwas skeptisch ob des Rückblendenformats in der Hohen Republik, aber Older hat hier richtig gute Arbeit geleistet. Durch sie wird der Charakter, bekannt aus den Adventure-Comics, wirklich interessant herausgearbeitet und bekommt eine emotional aufgeladene Geschichte, die sich so tief mit den Grundfesten des Jedi-Ordens auseinandersetzt, wie wir es vorher nicht vermutet haben. Aber klar, was war zu erwarten, wenn Meister Yoda selbst der Meister eines Charakters ist? Jedenfalls sind diese Rückblenden ein echtes Highlight des Buchs.
Ansonsten entspinnt sich auf der Gegenwartsebene eine Geschichte, die sich darum dreht, das Verschwinden eines Mitarbeiters von Crashs Sicherheitsdienst ausfindig zu machen. Was die Jedi damit zu tun haben? Es steht die Vermutung im Raum, dass die Nihil irgendwie darin verwickelt sind und wenn nun auch eine Kernwelt bedroht ist, muss der Sache auf den Grund gegangen werden. Zusätzlich wird Crash nun auch von den Grindalids bedroht. Diese Spezies, die wir aus Solo: A Star Wars Story kennen, beherrscht die Unterwelt (tatsächlich, nicht sprichwörtlich) von Coronet-City und das verschwundene Mitglied von Crashs Team war ein Sohn der Anführerin. Grund genug, Crash persönlich für den Verlust verantwortlich zu machen, wenn es ihr nicht gelingt, die wahren Hintergründe aufzudecken.
Mit der Dämmerung kommt die Spannung
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- Kantam Sy (rechts) auf dem Cover von
THRA Galactic Bake-Off Spectacular
Quelle: starwars.com
Während uns die erste Hälfte des Buches als nur partiell so richtig gefallen hat, kommt die Handlung ungefähr ab der Mitte des Buches so richtig in Fahrt. Bei einem Maskenball kommt es zu unerwarteten Komplikationen und die auf Corellia tätigen Jedi werden zusätzlich mit dem Angriff auf die Starlight Beacon konfrontiert. Hier gelingt es dem Autor richtig Emotionalität aufzubauen, denn natürlich sind dort nun die Freunde der Protagonist*innen in Gefahr. Doch was bedeutet es, ein Jedi zu sein? Nimmt man besser den schnelleren, leichten Weg und gibt sich der Emotionalität hin, oder vertraut man auf die Macht und konzentriert sich auf das, was man unmittelbar beeinflussen kann: dem Hier und Jetzt? Dieses Thema wird genauso behandelt, wie die Problematiken, die sich aus persönlichen Bindungen, wie Freundschaft und Liebe entwickeln. Immer dann, wenn es emotional wird, hat dieses Buch ganz große Stärken, die auch in den zweiten Teil mitgenommen werden. Aber nun geht auch die Geschichte rasant zu. Die Ereignisse überschlagen sich und die Action fühlt sich so richtig nach Star Wars an. Blastergefechte, Lichtschwerteinsatz und Machtnutzung – für alle ist etwas dabei. Nicht zuletzt müssen sich hier die Charaktere beweisen, die wir seit langem begleiten. Und nach The Fallen Star spätestens muss uns klar sein, dass wir um jede*n Einzelne*n bangen müssen.
Zur Mitternacht auf dem Höhepunkt
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- Crash in
The High Republic Adventures Annual 2021
Quelle: starwars.com
Auf dem dramaturgischen Höhepunkt entfacht die Erzählung nochmal richtig Spannung und wir erleben neben einem überraschenden Auftritt auch tolle Momente und Entwicklungen liebgewonnener Charaktere. Zum Showdown stehen nochmal alle auf dem Prüfstand und müssen gemeinsam füreinander einstehen. Dabei entwickelt sich eine Emotionalität, welche die Spannung und die Atmosphäre so dicht macht, dass das Buch zum Ende hin ein wahrer sog. „Page turner“ wird, also ein Roman, den man nicht mehr weglegen kann.
Dabei gelingt es dem Autor nicht nur, die Handlung sinnvoll abzuschließen, sondern sie auch gekonnt mit dem Rest der Ära der Hohen Republik zu verbinden. Denn hier liegt aus unserer Sicht auch eine Stärke dieses Buchs. Während Into the Dark eine Nebenquest aus der ersten Veröffentlichungswelle erzählt, die auf dem ersten Blick nicht unbedingt viel mit der großen Rahmenhandlung zu tun hat, sondern eher einen Ausschnitt aus der Galaxis thematisiert und Out of the Shadows zeitlich nachgelagert vom Hauptroman der zweiten Veröffentlichungswelle spielt, was durchaus auch seinen Reiz hatte, fühlt sich Midnight Horizon absolut wichtig in Mitten der Veröffentlichungswelle an. Die Handlung spielt parallel zu den Ereignissen von The Fallen Star und unterstützt diesen Roman sogar. Zumindest können einige Fragezeichen, die für uns nach dem Roman bestanden, erklärt werden. Somit ist dieses Buch eine aus unserer Sicht wichtige Ergänzung zur Handlung der dritten Veröffentlichungswelle dieser ersten Phase. Und auch ein weiterer Aspekt ist nicht unwichtig: Das Buch liefert uns am Ende auch ein paar nette Hinweise worum es in der zweiten Phase der Hohen Republik gehen könnte. Dieses Mal sogar deutlicher, als es das tolle Buch für junge Lesende, Mission to Disaster, tat.
Somit ist es zusammenfassend Daniel José Older gelungen, ein tolles Buch abzuliefern. Nach den anfänglichen dramaturgischen Schwächen, nimmt die Erzählung zunehmend Fahrt auf und gibt uns am Ende ein actiongeladenes und befriedigendes Feuerwerk an typischen Star-Wars-Momenten. Der Roman glänzt vor allem durch seine hohe Emotionalität, seinem eindringlichen Diskurs einiger Grundfesten des Jedi-Ordens und nicht zuletzt durch seine Relevanz für die Gesamthandlung der ersten Phase der Hohen Republik. Wie inzwischen regelmäßig wiederholt, bleiben wir dabei, allen Lesenden der Hohen Republik auch die Bücher für junge Erwachsene ans Herz zu legen, um in den großen Genuss dieser Ära zu kommen. Midnight Horizon von Daniel José Older ist hierbei keine Ausnahme.
Spoilerbetrachtung
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Wie schon bei unserem Review zu The Fallen Star wollen wir auch hier den Spoilerkasten dazu benutzen, auf weitere Aspekte des Buches einzugehen. Diesmal wollen wir uns vor allem auf einzelne Charaktere stützen.
Zunächst wollen wir bei Reath Silas beginnen. Es war eine wahre Freude, seine Reise während der ersten Phase der Hohen Republik zu verfolgen. Vom Bücherwurm auf Coruscant auf eine unverhoffte Heldenreise geschickt, wird er nun am Ende des Romans zum Jedi-Ritter geschlagen. Das fühlte sich auch für uns als Lesende unheimlich befriedigend an, da er ein Charakter war, mit dem wir ein sehr intensives Jahr verbracht haben. In diesem Buch kann er wieder genauso strahlen, wie er es im ersten Roman konnte.
Etwas anders verhält es sich mit Yoda. Dieser taucht gegen Ende des Romans überraschend auf und rettet den Tag. Endlich erleben wir Yoda in dieser Ära in Action und es macht richtig Spaß. Und damit kommen wir auch zum Cliffhanger. Yoda taucht mit einer nicht weiter beschriebenen Person auf, die sich unter einem Mantel hüllt. Diese Person sind unentwegt das Lied, welches wir aus der Marvel-Comic-Reihe Trial of Shadows und teilweise aus The Fallen Star kennen…“Shrii ka rai ka rai“…
Wie vermutet scheint Yoda abgetaucht zu sein, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Die Jedi der ersten Phase scheinen Wissen der Jedi aus der zweiten Phase (welche als Prequel fungiert) zu benötigen, um die Nihil und Machrion Ro schlussendlich zu schlagen. Das wird spannend!
[Spoiler-Ende]

Midnight Horizon von Daniel José Older erscheint als Hardcover auf 496 Seiten zum Kostenpunkt von ca. 15,00 € und kann direkt im Disney-Shop, bei Amazon.de oder hier bei Thalia bestellt werden.

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