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Tales of the Jedi – Die Jedi-Chroniken

Sie schrieben Geschichte und das buchstäblich: Mit den Tales-of-the-Jedi-Comics schufen Tom Veitch und Kevin J. Anderson die Vorzeit der Saga und setzten neue Maßstäbe der Star-Wars-Erweiterung.
Hugh Flemings Titelbild zum Sammelband von Darth Lords of the Sith© Lucasfilm

Ein starkes Künstlerteam

Um sein ambitioniertes Großprojekt mit voller Kraft voranzutreiben, wollte Tom Veitch von vornherein möglichst mehrgleisig fahren und nicht nur mit einem Illustrator, sondern mit einem ganzen Team arbeiten. So machten sich Veitch und Dark Horse Comics auf die Suche nach Comiczeichnern, die in der Lage wären, diese unbekannte, längst vergangene Epoche des Star-Wars-Universums aus dem Stand neu zu gestalten.

Nomi Sunriders Kampfmeditation in Aktion in einer Zeichnung von David Roach

Zu diesem Zweck schrieb Veitch ein dreiseitiges Testskript, welches er potenziellen Künstlern auf Conventions aushändigte, um zu überprüfen, ob deren Entwürfe dem Star-Wars-Stil entsprachen. Wichtig hierbei war, dass der enorme Zeitsprung um Jahrtausende in die Vergangenheit visuell erkennbar sein würde: Technologie, Kostüme, Raumschiffe und Hintergründe mussten also gleichzeitig einen eher antiquierten Look aufweisen, gleichzeitig jedoch auch noch das klassische Star-Wars-Gefühl einfangen.

Der erste Comiczeichner, den Veitch für sein Projekt gewinnen konnte, war Christian Gossett. „Chris war der erste Partner bei den Tales, mit dem ich mich intensiv über meine Vorstellungen für die Geschichte austauschte”, erzählte Veitch später.

„Einer meiner besten und talentiertesten Freunde, Frank Gomez, fragte mich, ob ich eine Art Kunsttest machen wolle. Ich sollte auf Basis eines dreiseitigen Skripts von Tom Veitch eine Probe abgeben, in der Star-Wars-Hauptfiguren vorkamen. Ich dachte mir, warum nicht, und nahm den Auftrag an.”

Die Entwicklung der weiteren Designs für die Vor- und Frühgeschichte der klassischen Star-Wars-Trilogie verlief dann in enger Zusammenarbeit mit Veitch und den Herausgebern der Reihe Dan Thorsland und Bob Cooper. „Genau wie ich waren sie begeistert davon, sich in diese alte Ära hineinzuversetzen”, erzählte Gossett. „Wir haben stundenlang miteinander am Telefon über das Design der alten Galaxis gesprochen. Wie können wir Dinge neu gestalten, wie erzielen wir die stärkste Wirkung? Wir waren geradezu besessen von dieser Herausforderung.”

Das künstlerisches Ziel war eine vollumfängliche Neugestaltung: „Wir beschlossen, richtig groß zu denken und einen möglichst romantisierenden Look anzustreben: Riesige, unförmig aussehende Schiffe, inspiriert von den den Galeonen unserer Vergangenheit. Verzierte, hochdetaillierte Lichtschwertgriffe, die denen alter Katanas ähneln. Droiden, die wie handgefertigt aussehen.”

Gossett war sich dabei sowohl seiner Aufgabe, als auch ihrer ungewöhnlichen Freiheiten voll bewusst: „Ich hatte faktisch den Auftrag, die ganze Alte Republik visuell aus meiner eigenen Phantasie heraus zu erfinden. Ich hörte, wir bewegen uns 4000 Jahre vor Luke Skywalker und fragte: Okay, gibt es irgendwelche Vorlagen? Und es gab Nichts. Null. Das gefiel mir sehr.”

Zudem definierte Gossett den – gerade im Vergleich zu den in den Prequels später beinahe uniformiert wirkenden Jedi – sehr individuellen Stil des alten Ritterordens: „Die alten Jedi waren sehr stolz darauf, ihr inneres und äußeres Selbst bewahren”, beschrieb er die Herangehensweise. Entsprechend trugen sie interessante Schärpen und Schmuck und waren jeweils als Einzelpersonen mit eigenen Kleidungsvorlieben erkennbar.

„Das klassische Bild des Ronin, des herrenlosen Samurai also, ist ein viel wirkungsvollerer Rahmen für die Jedi, als wenn sie als Weltraumpolizisten auftreten würden. Jedi sind Toshiro Mifune, Jedi sind Clint Eastwood“, meinte Gossett. „Ich meine, klar, es gibt beide Arten. Einige Jedi würden gerne regelmäßig einen Außenposten bewachen. Aber andere hätten dafür zu viel Fernweh. Für mich sind die interessanten Jedi diejenigen, die durch die Galaxis reisen und diejenigen verteidigen, die sich nicht selbst verteidigen können.“

Generell wollte Gossett so arbeiten und denken wie die Schöpfer der klassischen Trilogie.

„Ich sagte Dan Thorsland [von Dark Horse], dass ich mich nicht auf die Originalfilme als Inspirationsquelle beschränken, sondern die Quelle der Quelle des Originalteams ausfindig machen wollte”, beschreibt es Gossett. „Ich hatte zu dieser Zeit bereits einiges von Joseph Campbell gelesen, aber jetzt las ich mehr davon, und ich hatte Die sieben Samurai gesehen, aber jetzt wurde ich ein wirklich Jünger von Akira Kurosawa.”

Neben Gossett gewann Veitch zudem weitere neue und etablierte Comickünstler für Tales of the Jedi, darunter Janine Johnston, David Roach, Mike Barreiro, Tony Akins, Denis Rodier, Suzanne Bourdages, Pamela Rambo und Dave Dorman. „Gemeinsam arbeiten wir daran, die Geschichte des Holocrons mit Bildern und Geschichten von Ulic und anderen Jedi-Rittern und -Meistern zu veranschaulichen”, beschrieb es Veitch.

Sein Team und die Zusammenarbeit mit allen Künstlern machten Veitch an seinem Großprojekt besonders viel Freude.

„Eine meiner besten Fähigkeiten war es schon immer, mich mit Künstlern zusammenzutun. Ich liebe Comics, bei denen ein reger Austausch mit meinem Zeichner stattfindet und eine Atmosphäre des Gebens und Nehmens herrscht. Um optimale Ergebnisse zu erzielen, ist es mir wichtig, mit dem Künstler befreundet zu sein und sicherzustellen, dass er mit seiner Arbeit auch tatsächlich zufrieden ist.“

Um diese Zufriedenheit zu erreichen, legte Veitch dabei besonderen Wert darauf, den verschiedenen Künstlern Geschichten anzubieten, die ihren Vorlieben entsprachen: „Wenn man für talentierte Künstler schreibt, muss man einen Rahmen schaffen, in dem sie sich austoben können“, meinte Veitch. „Wenn sie sich zum Beispiel besonders gut mit Technik auskennen, lenkt man die Geschichte für sie in diese Richtung, mit vielen fantastischen Schiffen und Waffen. Wenn die Charaktere ihre Stärke sind, konzentriert man sich mehr auf die Charaktere.“

Probleme entstanden allerdings trotzdem, denn weil die Künstler tatsächlich gleichzeitig an ihren Heften arbeiten mussten, wusste keiner von ihnen wirklich, was die anderen gerade taten. Dies führte einerseits dazu, dass die Tales-Comics generell keinen einheitlichen Stil aufweisen und brachte es andererseits mit sich, dass fertige Zeichnungen nachbearbeitet werden mussten, damit zumindest Figuren und auch andere Designelemente einheitlich aussahen.

Vorstudien von Nomi Sunrider von Janine Johnson

So hatte Janine Johnson großen Erfolg mit dem Design von Nomi Sunrider, die sie einer Freundin nachmodellierte. Raumschiffe allerdings waren überhaupt nicht Johnsons Ding: „Ich hatte noch nie in meinem Leben ein Raumschiff gezeichnet, geschweige denn entworfen“, erzählte sie später. „Sie ließen meine Raumschiffe in der Neuauflage deshalb von jemand anderem nachzeichnen.”

Ähnlich erging es David Roach, der anders als Johnson Raumschiffe liebte und Bogga dem Hutten ein riesiges, hornissenähnliches Schiff verpasste. „Am meisten Spaß machte mir das Zeichnen dieses riesigen organischen Raumschiffs. Uns wurde damals gesagt, sollte einer unserer Entwürfe für einen Film ausgewählt werden, bekämen wir eine zusätzliche Vergütung. Darauf warte ich zwar immer noch, aber meine Herangehensweise war es, zu zeichnen, was ich für gut hielt und dann die Daumen zu drücken, dass Lucasfilm gefällt, was ich tue.”

Das riesige organische Schiff Boggas des Hutten von David Roach

Offenbar gefiel Lucasfilm Roachs Werk insgesamt tatsächlich gut, wobei im Nachhinein Nomi Sunriders Haare gekürzt wurden, um mit Johnstons Darstellung übereinzustimmen.

Tony Akins bewegte sich in seinen Heften auf klassischen Pfaden. Den Gräbern auf Onderon verlieh er ein koptisches und römisches Flair. Daneben schuf er die ausgestellten Sith-Artefakte im Museum auf Coruscant und den „Proto-Vader“ Warb Null, der Freedon Nadds Gruft bewacht. „Die große Schlacht, in der die Jedi die Belagerung durchbrechen, war ein absoluter Höhepunkt für mich“, erzählte er später, ebenso wie „die schwer bemannten Belagerungsmaschinen und der einhändige Kampf von Nomi Sunrider auf den Zinnen gegen einen Trupp konventionell bewaffneter Pikeniere.“

Sein liebster Beitrag zu Star Wars war allerdings die Erfindung einer neuen Verwendung für ein Lichtschwert: Er war der erste Künstler, der zeigte, wie sich Jedi damit durch eine schwere Metalltür arbeiten.

Für Dave Dorman stellte Tales of the Jedi die zweite Zusammenarbeit mit Tom Veitch nach Dark Empire dar. Die Herangehensweise an seine Titelillustrationen unterschied sich diesmal allerdings deutlich.

„Bei diesem Projekt hatte ich viel mehr Freiheiten”, so Dorman später. „Zunächst einmal mussten wir uns keine Gedanken darüber machen, dass die Bilder den Schauspielern möglichst ähnlich wären, weil ja keine der Originalfiguren beteiligt war. Außerdem spielten die Geschichten Tausende von Jahren vor Dark Empire, sodass der Stand der Technik relativ primitiv und die Zivilisation eher barbarisch war. Deshalb habe ich versucht, etwas lockerer, ursprünglicher und dramatischer zu sein und große und eher einfache Bildkompositionen gewählt.“


Christoph

Als SWUler der 2. Generation ist Christoph seit Sommer 2001 auf Star Wars Union aktiv und übernimmt inzwischen eher Aufgaben hinter den Kulissen. Seine Liebe gehört der Lucas-Saga, dem Dunklen Imperium, der New-Jedi-Order-Buchreihe, der Entstehungsgeschichte des Kriegs der Sterne sowie Jyn Erso.

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1 Kommentar

  1. Snakeshit

    Toller Artikel, ich habe mich in den letzten Wochen auch sehr für diese Comicreihe interessiert, in Anbetracht des Mangold Films, der irgendwann mal (vielleicht) erscheinen soll, wollte ich mal sehen, was die Legends damals sich eigentlich für die Ursprünge des Jediordens gedacht hatten.

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