In Andor begegnet Titelfigur Cassian Andor vielen Persönlichkeiten, doch keine ist aus Sicht von Andor-Darsteller Diego Luna für die Entwicklung seiner Figur wichtiger als seine Ziehmutter Maarva, die in der Serie von Fiona Shaw gespielt wird. Die in Irland geborene Schauspielerin hat in den Harry-Potter-Filmen Harrys feindselige Tante und in Killing Eve eine eiskalte MI6-Agentin gespielt und ist nun in einer für sie ungewohnten Rolle zu sehen: Die einer warmherzigen, unerschütterlichen Präsenz im Leben eines Kindes, das zum Manne reift. Für den kleinen Cassian ist sie ein Fels in der Brandung, und wenn wir ihr wieder begegnen, als Cassian ein junger Mann ist, ist ihre Geduld mit dem Imperium fast erschöpft.

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„Ich kann natürlich alles erzählen, was ich über Maarva weiß, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das sollte“, meint Fiona Shaw im Interview. „Für mich ist es sehr interessant, eine ältere Figur zu spielen, denn damit schlüpfe ich in die Rolle einer Person, die ihre Werte auf das reduziert hat, was ihrer Meinung nach wirklich wichtig ist.” Maarva Andor ist von einer unglaublichen Klarheit geprägt und übernimmt in der Geschichte gleich mehrere Rollen: Sie ist eine Mutter, eine Witwe und eine Anführerin, um nur einige zu nennen.
„Maarva beginnt, die Welt [anders] zu sehen, auch die Unterdrückung, die sie in sich aufgenommen hat, denn das Imperium unterdrückt sie alle, und die Menschen schämen sich dafür, dass sie das bislang hingenommen haben. Maarvas Ehemann wurde vom Imperium getötet und auf dem Marktplatz aufgehängt. Sie musste also im Laufe der Jahre viel Stolz herunterschlucken. Und wir treffen sie an einem Punkt in ihrem Leben, an dem das für sie unerträglich wird.“
Als angesehenes Mitglied der Töchter von Ferrix hat sich Maarva ihren Platz in dieser Gemeinschaft fleißiger Arbeiter auf dem Industrieplaneten, den sie ihr Zuhause nennt, verdient. „Sie ist eine ungewöhnliche Person, aber auch eine sehr praxisorientierte Person. Die Menschen dort arbeiten sehr hart und haben ein ungeheures Gefühl für die Gemeinschaft, in der sie leben. Diese Gemeinschaft gewinnt im Laufe der Serie immer mehr an Wert.“
Ferrix ist eine Welt, in der die Menschen aufeinander aufpassen und das Wenige, das sie haben, miteinander teilen. „Das finde ich sehr interessant. Es geht nicht darum, anzugeben oder gut dazustehen oder im kapitalistischen Sinne Erfolg zu haben, sondern darum, dass alle Anteil haben an dem Wenigen, was es in dieser Gemeinschaft gibt. Und sie wird in der Stadt natürlich verehrt. Sie ist nicht engstirnig und hat ein großes Herz. Wir treffen sie allerdings zu einem Zeitpunkt, als sie schon sehr alt ist und sehr krank.“

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Shaw selbst steht altersmäßig zwischen den beiden Versionen ihrer Figur, der jüngeren Maarva, die auf Kenari Kassa begegnet, und der älteren Maarva, die eine Art Dorfälteste auf Ferrix ist. Shaw hat die Entwicklung ihrer Figur zur Adoptivmutter in Zusammenarbeit mit Antonio Viña, der den jungen Kassa spielt, und Diego Luna als Cassian ausgestaltet. „Es war wunderbar, diese Szenen auf Kenari zu spielen. Wie bei all diesen Beziehungen hat man das Gefühl, dass Maarva zwar einerseits diesen Jungen rettet, der Junge im Gegenzug aber auch ein Rettungsanker für Maarva wird. Er gibt ihr neuen Sinn im Leben. Er gibt ihr Liebe. Er gibt ihr jemanden, um den sie sich sorgen kann und dem sie die nächsten 10 oder 20 Jahre widmet, in denen er aufwächst.“
Genau diese Familiendynamik hat Shaw in die Geschichte hineingesogen. „Diese Komplexität des Familienlebens ist bemerkenswert und aus meiner Sicht eine sehr wertvolle Art zu leben“, sagt sie. Maarvas Familie umfasst natürlich auch den Hausdroiden B2EMO, den Shaw mit einem Haustier vergleich. „Ich hatte noch nie mit einem Droiden zusammengearbeitet, aber ich glaube, die meisten Hundebesitzer haben eine ähnliche Beziehung zu ihrem Tier”, meint sie kichernd. „Vor allem, wenn der Hund schon älter ist, und B2 ist ziemlich alt. Aber er ist eben mit Maarva zusammen alt geworden, und das finde ich großartig. Sie hat ihn behalten. Man bekommt das Gefühl, dass Droiden zu diesem Zeitpunkt in der Lage sind, all diese Informationen, die sie über die Jahre erhalten haben, zu nutzen und daraus eine Art künstliche Zuneigung zu entwickeln. Sie mögen ihre Herren. Sie sollten einfach nur Computer sein, aber das sind sie in Wahrheit nicht. Und sie entwickeln sich genauso wie das Menschen tun, und sie verfallen mit der Zeit wie Menschen. Ich finde das sehr charmant.”
Die zentrale Beziehung im Leben von Maarva ist aber natürlich die zu ihrem Ziehsohn, und wie Shaw sagt, ist es eine komplizierte, aber auch eine sehr gute Beziehung. Aufgrund der Covid-19-Pandemie liefen die Begegnungen mit Diego Luna während der Proben mit Masken ab, aber selbst so habe sie in ihm seine unglaubliche Wärme und sein Einfühlungsvermögen gespürt „Diego hat eine wunderbare, offenherzige Beziehung zur Welt. Wir haben uns hauptsächlich mit Maske getroffen, aber er war immer unglaublich freundlich und sympathisch.“
Eine der ersten Szenen, die sie zusammen drehten, war eine Auseinandersetzung im Haus der Familie auf Ferrix. „Wir hatten diese sehr schwierige Szene zu meistern, einen richtigen Streit, der am Anfang unserer Beziehung und unserer Dreharbeiten stand“, so Shaw. „Es ist immer wieder phantastisch, wenn Schauspieler, die einander nicht kennen, in so eine Situation geworfen werden und dann sehr komplexe Gefühle miteinander teilen. So etwas funktioniert nur, wenn man einander als Darsteller vertraut. Und natürlich ist es sehr einfach, Diego zu vertrauen.“

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Selbst als Cassian auf eigene Faust loszieht und sich mit seinen hart verdienten Credits auf Niamos versteckt, nachdem er seine Schulden beglichen hat, sehen wir die Wirkung von Maarva auf ihn, die er während der gesamten Serie und in seinem späteren Leben in Rogue One: A Star Wars Story mit sich herumträgt. „Das ist etwas, die wir [nicht] über Cassian wussten: Wie wichtig seine Beziehung zu seiner Mutter für ihn war und was sie ihm bedeutet, bzw. wofür sie steht“, so Luna.
„Vorbilder prägen einen, sie können einen Menschen retten. Und sie ist dieses große Vorbild für ihn. Er sieht, was sie zu tun bereit ist. Sie trifft die Entscheidung, [auf Ferrix] zu bleiben und ein aktiver Teil ihrer Gemeinschaft zu sein. Sie beschließt, zu kämpfen, wo sie sich am sinnvollsten einbringen kann. Und sie beschließt, dass es für sie nichts Wichtigeres gibt, keine höhere Priorität, als die Freiheit und die Gerechtigkeit. Für die Geschichte von Cassian bedeutet das unglaublich viel.”
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