Diego, erinnern Sie sich an Ihren ersten Tag als Cassian Andor in Rogue One?

Diego Luna: Ja, das tue ich. Ich trug eine sehr dicke Jacke – eine fantastische, blaue, gigantische Jacke mit Kragen. Sie wissen schon, die Jacke. Ich habe sieben Monate lang probiert, sie an mich anzupassen und dies und das mit ihr zu machen. Eine Zeit lang dachte ich, ich hätte den Job tatsächlich nur bekommen, weil ich in die Jacke passte. (Lacht) Der erste Drehtag war in Jordanien und ich sollte die Jacke bei 48 Grad tragen. Die Jacke hat sich einfach gegen mich gewandt. Es war wie: „Verdammt! Die Jacke! Was für eine schlechte Idee!“
Tony, wie sah Ihr erster Tag mit Diego bei Rogue One aus?
Tony Gilroy: Das werde ich Ihnen garantiert nicht verraten! Aber guter Versuch, Sie haben versucht, diesen kleinen, investigativen Versuch hier unterzubringen, aber ich werde nicht darauf eingehen.
Ich wollte so investigativ gar nicht sein.
Gilroy: Ich sage nur so viel: Die Charaktere in [Rogue One] mussten klarer gezeichnet werden. Sie mussten vereinfacht werden. Sie brauchten Leidenschaft für etwas. Sie brauchten Ziele. Und [diese Besetzung] hat es einem unglaublich einfach gemacht – ich habe [Diego] schon damals beobachtet und gedacht: „Wenn dieser Typ kein Arschloch ist, wird das großartig, denn er ist ein großartiger Schauspieler.“ Wissen Sie was, ich bin … Nein, Sie bringen mich da in Schwierigkeiten. Mehr sage ich nicht!
Okay. Wie war Ihr letzter Tag bei Andor, Staffel 2?
Gilroy: Wir waren zusammen dort. Es war nach dem Streik. Wir kamen zurück, um einige Nachdrehs zu machen, Dinge, über die ich nicht wirklich sprechen kann. Wir waren in Pinewood und die Kinder im Schneideraum haben einen zehnminütigen Best-of-Master-Cut der zweiten Staffel zusammengestellt. Wir gingen alle ins Studio, holten uns etwas zu trinken, hielten einige Reden und schauten [es] uns an. Es war so emotional, wie man es sich nur vorstellen kann. Da zogen fünfeinhalb Jahre Arbeit an unseren Augen vorüber.
Luna: Beide [Staffeln] waren etwas ganz Besonderes. In Staffel 1 war die letzte Einstellung der Sprung [bei der Gefängnisflucht im Wasser] in„One way out!“ Wir sind wirklich gesprungen, und dann (ahmt eine Filmklappe nach). Und das war in der Zeit von Covid, also waren nur wir da, und Tony war per [Video-]Schalte dabei.
Für uns fühlte sich die Flucht [der Narkina-5-Gefangenen] aus dem Gefängnis wie eine Metapher dafür an, dass wir nach acht Monaten Covid-Dreharbeiten aus Pinewood herauskamen, wo wir ja mit niemandem hatten interagieren können. Es fühlte sich [an wie] eine Art Gefängnis. Wir haben uns wohlgemerkt bewusst für das Gefängnis entschieden. Aber wir fühlten uns ziemlich allein gelassen. Bei dieser Staffel konnten wir nun genau das machen, was wir bei der ersten alles nicht erleben konnten, und dann war es ein Abschied. Das war sehr bewegend. Die Energie am Ende war wie der Abschluss eines Films, wie: „Verdammt, was mache ich morgen?“


Staffel 2 hat ein definitives Ende, das direkt in Rogue One übergeht. Wie fühlen Sie sich jetzt, da Sie Cassian Andors Geschichte in ihrer Gesamtheit erzählt haben? Diego, Sie sind seit zehn Jahren mit Cassian zusammen.
Luna: Ich glaube nicht, dass ich seit zehn Jahren mit derselben Figur zusammen bin. Ich habe die Figur über zehn Jahre hinweg entdeckt. Ich wusste am Anfang, was ich wissen musste, um die Geschichte in Rogue One zu erzählen. Aber die Figur hat sich für mich vor meinen Augen entwickelt. Es ist nur so, dass wir die Geschichte rückwärts erzählt haben.
Das Schöne daran ist, dass die Reise von Cassian [in Andors Staffel 2] Rogue One neu interpretieren wird. Das Publikum wird Rogue One nicht aus derselben Perspektive sehen können, aus der es den Film [2016] gesehen haben. Jede Zeile Dialog, die Cassian in Rogue One spricht, wird eine neue Bedeutung gewinnen. Die Leute werden ihn in diese Gasse gehen sehen, mit dieser Jacke, und wissen, was er alles zurückgelassen hat. Das ist sehr cool und interessant für einen Film, der fast zehn Jahre alt ist.
Was verstehen Sie jetzt über Cassian, was Sie bei Rogue One noch nicht wussten?
Gilroy: Wir haben 24 Stunden damit verbracht zu zeigen, was anders ist! Genau das macht ja unsere Serie!
Luna: Die einfache [Antwort] lautet: Wenn man genau weiß, welches Opfer er bringt, ist es eine andere Geschichte. Erinnern Sie sich an die Szene in Rogue One, wo er diese Rede hält? Jetzt werden Sie Bilder im Kopf haben, wenn er das sagt.
In Staffel 1 ging es um den industriellen Gefängnisapparat, um Kontrollen und Durchsuchungen, um die Ausbeutung von Ressourcen im Rahmen einer Kolonialisierung und um die finanziellen Kosten einer Rebellion. Können Sie schon etwas über die Themen von Staffel 2 verraten?
Gilroy: Es hat eine ganze Staffel gebraucht, um Cassian von einem desinteressierten Wurm in den Typen zu verwandeln, der sagt: Mann, ich bin dabei. Tötet mich oder nehmt mich. Ich bin voll dabei. Jetzt haben wir vier Jahre, in denen wir uns ansehen können, was nötig ist, um ihn zu diesem Super-Alleskönner, Spionagekriegs-Kämpfer zu machen. [Stellan Skarsgärds] Luthen ist ein sehr guter Talentscout, und sein Versuch, Cassian zu fördern, zieht sich wie ein roter Faden durch die zweite Staffel.
Es ist wie bei einem Startup-Unternehmen, bei dem [Luthen] diese Revolution zu Hause 15 Jahre lang aufgebaut hat. Jetzt geht er damit plötzlich an die Öffentlichkeit. Was tut man, wenn man voll auf Privatsphäre und Geheimhaltung gesetzt hat und jedes Scheitern den Tod bedeuten würde?
Wie können man unter diesen Bedingungen wachsen? Wie kann man mit anderen Gruppen zusammenarbeiten? Wie kommen all die unterschiedlichen Teile der Rebellion in [der Rebellenbasis von] Yavin zusammen?
Vor allem: Wie wirkt sich die Zeit – die drückende, schmerzende Zeit – auf ganz normale Menschen aus, die einem hoffentlich sehr am Herzen liegen? Was passiert mit den Liebsten? Den Beziehungen zu anderen Menschen? Der Heimat? Den Kindern? Was passiert mit allem um einen herum, wenn man in diesen Schraubstock der Revolution gerät? Das sind die großen tektonischen Bewegungen der zweiten Staffel.


Glauben Sie, eine Serie wie Andor würde produziert werden, wenn es keine Star-Wars-Serie wäre? In der aktuellen Unterhaltungslandschaft, bzw. in dieser politischen Lage?
Gilroy: Niemand würde einem erlauben, diese Geldbeträge auszugeben, das ist sicher! Wenn man sich im Moment nicht über irgendeine etablierte Marke ins Spiel bringt, wie will man dann die nötigen Zuschauerzahlen gewinnen? Das wäre unmöglich.
Luna: Wir hatten einfach großes Glück. Ich glaube nicht, dass so etwas noch einmal passieren wird.
Gilroy: Das wird nie wieder passieren. Und man hat auf der ganzen Linie die Hand über uns gehalten. Kathy Kennedyl hat das getan, Lucasfilm hat es getan, [Disney-CEO] Bob Iger hat es getan, und am Ende auch das Publikum. Auch The Mandalorian hat uns diesen Schutz geboten. Wir hatten all diese Leute, die uns unterstützt haben.
Und dann haben wir unsere Arbeit geheimgehalten, unseren Job gemacht und unser Ding durchgezogen, und dann wurde die Serie so groß, dass die Leute nicht mehr wussten, was sie tun sollten … Wir hatten viel Schutz und die ultimative Freiheit. Das wird nicht noch einmal passieren – nicht, weil wir so toll sind, sondern weil niemand jemals wieder eine Serie in dieser Größenordnung freigeben, sie real drehen lassen und über die Ressourcen und den Schutzraum verfügen wird, um so etwas zu machen.
Sie sagen, dass diese Show von The Mandalorian geschützt wurde. Was meinen Sie damit?
Gilroy: Nun, der Erfolg von The Mandalorian hat die Grundlagen bereitet, auf denen wir aufbauen konnten. Ihr Erfolg ist es, der die ganze Sache befeuert hat. Ich meine, ohne Baby Yoda gäbe es auch keinen Andor. Im Ernst. Und glauben Sie ja nicht, dass wir das nicht wüssten. Online versuchen die Leute ständig, einen Keil zwischen uns und [die anderen aktuellen Star-Wars-Schöpfer] [Jon] Favreau und [Dave] Filoni zu treiben. Es ist schrecklich, was die Leute sagen da; es ist einfach furchtbar. Und die Wahrheit ist, dass wir ohne sie keine Serie hätten. Sie haben uns den nötigen Rückhalt gegeben.
In Staffel 1 hatten Sie volle erzählerische Freiheit, da Rogue One noch fünf Jahre entfernt lag. In Staffel 2 bewegen Sie sich weiter in den etablierten Kanon hinein – nicht nur hin zu Rogue One, sondern es gibt auch eine Folge der Trickserie Star Wars: Rebels, in der Mon Mothma aus dem Senat flieht, was sich sehr nach der Geschichte von Andor anfühlt. Es wird spannend sein zu sehen, wie Sie diese kanonischen Einschränkungen überwinden.
Gilroy: Ha! Nun, Sie werden umso faszinierter sein, wenn Sie es sehen. Ich meine, die Höhepunkte [des Star-Wars-Kanon] stehen ja nun einmal fest. Aber nach zehn Jahren haben wir weitaus mehr Kanon erfunden, als wir jemals [einhalten] mussten. Als wir mit Rogue begannen, gab es Dinge, die wir überhaupt nicht machen konnten. Wir konnten keine Toiletten zeigen! Dann hatten sie eine Toilette in Mandalorian. Ja, Moment mal, wir wollten doch in Rogue eine Toilettenszene machen! Wie können die das jetzt?!
Es gibt bestimmte Dinge [im Kanon], denen wir verpflichtet sind, und andere], die wirklich großartige Gelegenheiten für uns bieten [Das Massaker von] Ghorman ist eine große Chance für uns. Jeder weiß, dass Mon Mothma wegen Ghorman den Senat verlässt. Gleichzeitig gibt es nichts, was schon über Ghorman geschrieben worden ist. Ghorman ist ein unbeschriebenes Blatt. In den Legends war man sich darüber nicht ganz einig, und innerhalb des Kanons selbst gibt es viele Unstimmigkeiten. Wir halten uns also an die zeitlichen Vorgaben und haben unsere Entscheidungen getroffen. Einige sind etwas hinterrücks, andere kühn, wieder andere sehr direkt. Jeder bei Lucasfilm weiß, was wir getan haben, wir hatten da keine Streitigkeiten. Wir haben einige Dinge klarer gemacht, hoffe ich zumindest.


Diego, Sie haben sich eine Hintergrundgeschichte für Cassian Andor in Rogue One ausgedacht. Konnten Sie etwas davon in Andor einbringen?
Gilroy: Ich will nicht wissen, was Du Dir da ausgedacht hattest! Diese Frage interessiert mich nicht! (Lacht)
Luna: Nein, nein! Nichts von dem, was ich entschieden hatte… Ich meine, auch Rogue One war ein Prozess. [Aber] als wir Rogue One fertig hatten, ergab nichts – nicht eine einzige Entscheidung, die ich damals getroffen hatte – keinen Sinn mehr für die Geschichte, die wir erzählten. Ich musste mir nicht sagen: Oh verdammt, oh Gott, wie soll ich das nur in meinem Kopf verarbeiten? Weil ich doch angenommen hatte, dass…
Aber nein, alles ergab vollkommen Sinn.
Waren Sie sich beide jemals uneinig, was Cassian Andor betrifft?
Luna: Uneinigkeiten? So bin ich nicht.
Gilroy: Ich bin so! (Lacht) Wir mussten einige komplizierte Dinge erledigen, aber ich glaube nicht, dass wir uns jemals uneinig waren. Was eigentlich wirklich seltsam ist! Ich hoffe, wir können noch einmal an einem anderen Projekt zusammenarbeiten. Dann sehen wir, ob wir uns nicht doch noch streiten. Das wäre toll.
Luna: Wenn wir, keine Ahnung, zusammen ein Haus bauen müssten, würden wir uns wahrscheinlich streiten. Jeder, der mit Tonys Material gearbeitet hat, kann bestätigen, dass es genug Stoff gibt, um sich als Schauspieler darin zu verlieren. Es ist so spezifisch, so vielschichtig. Es ist sehr reichhaltig.
Es gibt so viele Höhepunkte in der ersten Staffel – Nemiks Manifest, Maarva Andors Botschaft bei der Beerdigung, Luthen Raels Monolog. Gibt es etwas in der zweiten Staffel, von dem Sie glauben, dass es das Publikum auf diesem Niveau beeindrucken wird?
Gilroy: Gott, ich hoffe es.
Luna: Mehre Dinge.
Gilroy: Mehrere, ja. Ich meine, wir wissen, was wir zu tun haben. Es gab nie einen Moment [nach Staffel 1], wo wir nachgelassen haben. Wir alle wussten, dass wir nicht zu selbstsicher sein durften. Und wir wussten auch, dass wir, wenn alles [in Staffel 1] funktioniert, wir in der zweiten Staffel besser noch mehr liefern sollten. Wir wussten, dass wir uns ins Zeug legen mussten. Und genau das versuchen wir auch. Ich meine, ja, verdammt, ja! Es gibt hoffentlich viele solcher Momente.
Luna: Und das nicht nur in der [zweiten] Staffel, möchte ich anfügen. Selbst in Rogue One wird man sich bei einer erneuten Betrachtung einige Zeilen anhören und (keucht kehlig). Früher hat man sie einfach übergangen. Jetzt sind das Schläge in die Magengrube.
Andor wurde unglaublich positiv aufgenommen. Gibt es in Ihnen einen Teil, der sich wünscht, Sie hätten doch 5 Staffeln gemacht?
Gilroy: (Lacht schallend) Ernsthaft? Ist das eine ernst gemeinte Frage? Wir machen das jetzt seit fast sechs Jahren! Sehen Sie uns an! Sehen Sie, was mit uns passiert ist! Wir waren jung und stark, als wir angefangen haben!
Luna: Wir haben dreieinhalb Jahre dafür gebraucht, nur um es zu drehen und zu produzieren. Und dann muss man es bewerben, und … Fünf Staffeln zu machen, hätte bedeutet, es in der Hälfte der Zeit zu drehen und zwar doppelt so viel davon.Das ist einfach unmöglich. Man bräuchte zwei Tony Gilroys.
Haben Sie schon darüber gesprochen, gemeinsam an einem weiteren Projekt zu arbeiten, das nicht Star Wars ist?
Gilroy: Das würde ich sehr gerne.
Luna: Ich auch.
Gilroy: Ich würde einfach gerne mit ihm kochen. Ich schaue ihm einfach gerne beim Kochen zu. Ich bin gerne sein Souschef.


Tony, sind Sie inzwischen eigentlich zum Star-Wars-Fan geworden?
Gilroy: Ich glaube, ich bin mehr als ein Fan! Ich habe 27 Stunden Kanon-Material produziert, Mann!
Ich habe da draußen inzwischen ein ziemlich großes Star-Wars-Territorium definiert. Es ist wahrscheinlich das Wichtigste, was ich in meiner Karriere je tun werde. Es ist die wichtigste Arbeit, die ich je machen werde. Das ist wirklich mein Gemütszustand und ganz sicher meine Realität als Autor. Bei allem Misstrauen gegenüber meiner Motivation von Seiten der [Fangemeinde] oder was auch immer, bin ich zum jetzigen Zeitpunkt einfach mal ein Star Wars OG.
Das ist zweifellos so. Diego, können Sie sich vorstellen, noch einmal Cassian Andor zu spielen? In Star Wars ist das Ende ja nie unbedingt das Ende …
Luna: Ich kann [mit] derselben Antwort antworten, die ich gegeben hätte, als Rogue One herauskam: Doch, natürlich ist das das Ende.
Gilroy: Was für eine gute Antwort! (Zu Empire) Ich hoffe, Sie haben verstanden, was er gesagt hat.
Die Bilder haben aber auch was. Das Kind mit der AT-ST Marionette; die Detailaufnahme von dem Tie im Kornfeld (ich hoffe niemand kommt jetzt auf die Idee und generiert ein Lied daraus); Mons Kleid der Kragenschnitt zusammen mit dem Umhang und dann dies Band darüber – gefällt mir sehr und so viel Leichtigkeit in der betonfesten Frisur- mega wäre ja wenn sie passend dazu auf der anderen Seite einen deutlich kürzeren Ohrring tragen würde; rührselig wird man bei Cassian und (dem sehr vom Einsätzen gezeichneten) K2 zurück im Cockpit und zum Schluss noch die Straßenszene mit Syril irgendwie Star Wars trifft Frankreich Mitte des 19ten Jahrhunderts.