Etwas über eine Woche vor dem Start von Staffel 2 von Andor widmete der Guardian Varada Sethu dieses Porträt.
Rebellische Anfänge
Die meisten Teenager rebellieren im Kleinen gegen ihre Eltern: Sie schleichen sich heimlich raus, stehlen einen Schluck Cointreau oder kommen nach der festgelegten Zeit nach Hause. Nicht so Varada Sethu, die in Newcastle aufgewachsene Schauspielerin, die in der kommenden Staffel von Doctor Who als neue Begleiterin Belinda Chandra auf den Fernsehschirmen zu sehen sein wird. Ihre Rebellion verlief nach dem Motto „Alles oder nichts“, die zu einem zukünftigen Filmstar passte: Mit 18 nahm sie am Schönheitswettbewerb Miss Newcastle teil und gewann ihn.
„Oh Gott, ich dachte, das wäre irgendwo tief verbuddelt!“, ruft sie aus, als das Thema zur Sprache kommt. Die ganze Sache sei „so eine Art Unfall“ gewesen, erklärt sie: „Meine Schwester und ich waren im Einkaufszentrum Eldon Square bummeln, und wir wurden gefragt, ob wir nicht teilnehmen wollten. Ich dachte mir: Klar, ich werde es versuchen – weil ich annahm, es würde meine Eltern vielleicht ein bisschen verärgern!“
Die Entscheidung, teilzunehmen, sorgte definitiv für „ein bisschen Reibung”, aber Sethus Eltern ließen sich nicht unterkriegen. „Am Tag der Proben rief ich meine Mutter an und bat sie: Ich will das nicht machen, kannst Du mich bitte nach Hause fahren? Meine Mutter meinte nur: Du hast Dich dafür angemeldet, also machst Du das auch”, erinnert sie sich. „Keiner von uns hat erwartet, dass ich gewinne – für mich war das Ganze ein ziemliches Schlamassel!“.
Auf in den Weltraum
Heute, mit 32 Jahren, passe die Welt der Schönheitswettbewerbe nicht mehr wirklich in Sethus Wertesystem, und ihr Berufswunsch ist meilenweit – eigentlich galaktisch – von dieser Welt der Diademe und besonderen Talentdarbietungen entfernt. In den letzten Jahren wurde sie dank einer Hauptrolle in der gefeierten Star-Wars-Serie Andor und ihrer bevorstehenden Rolle als Belinda sowie einer Rolle in der BBC-Dramaserie Hard Sun (2018) als britische Sci-Fi-Schauspielerin bekannt.
„Man sieht nicht oft dunkelhäutige Menschen im Weltraum – nun, man sieht sie häufiger als in anderen Genres, weil sie futuristisch sind – aber ich glaube nicht, dass ich mich unbedingt als Teil der Science-Fiction-Welt gesehen habe“, meint sie. „Ich weiß also nicht genau, wie ich hier gelandet bin, aber ich liebe es und bin sehr, sehr glücklich, hier zu sein.“
Der Weg zur Schauspielerei
Sethu wurde im indischen Kerala geboren und zog im Alter von sechs Jahren mit ihren Eltern und ihrer Zwillingsschwester nach Newcastle upon Tyne. Ihre gesamte Familie ist künstlerisch veranlagt – ihr Vater singt und ihre Mutter ist Tänzerin –, aber „jeder macht das als Hobby“. Als sie sich als Teenager beim National Youth Theatre mit dem Schauspielvirus infizierte, bestanden ihre Eltern darauf, dass sie parallel auch ein Veterinärstudium aufnahm. Doch schon nach wenigen Monaten als angehende Tierärztin war sie bereit, das Studium abzubrechen.
„[Eines Tages] fragte mich mein Vater direkt: Bist Du eigentlich glücklich? Da brach ich völlig zusammen. Ich war ehrlich und sagte: Nein, das ist nicht das, was ich tun möchte – ich möchte meinen Träumen folgen, ich möchte Schauspielerin werden”, erzählt sie weiter. „Meine Mutter dachte, es sei eine impulsive Entscheidung – sie meinte wohl, dass ich die Uni ziemlich schwierig fand und ich nicht mehr weitermachen wollte, was vielleicht sogar richtig ist – ich bin sehr impulsiv!“
Nachdem Sethu einige Jobs an Land gezogen hatte – unter anderem in Russell T Davies‘ TV-Adaption von Ein Sommernachtstraum aus dem Jahr 2016 – sah ihre Mutter die Sache dann anders. „Als sie sah, dass ich meinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, änderte sich [ihre Meinung]“, erzählt sie. „Sie ist jetzt voll und ganz dabei, da sie weiß, dass ich liebe, was ich tue, und dass ich einen Weg finden werde, um damit Geld zu verdienen.“
Durchbruch mit Andor

Sethus Durchbruch kam 2022, als sie die Rolle der Sanitäterin Cinta Kaz in Andor übernahm, einem Prequel des gefeierten Star-Wars-Stand-Alone-Films Rogue One aus dem Jahr 2016. Andor wurde als eine der besten Star-Wars-Produktionen seit vielen Jahren gelobt – das Franchise generell war in letzter Zeit von einer Flut nur mäßig erfolgreicher Streaming-Serien geprägt –, und Sethu meint, sie „wusste, dass es gut ankommen würde, weil es so gut geschrieben ist, so durchdacht und vielschichtig und komplex“.
In der Serie ist Sethus Figur in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung, was in Mainstream-Franchises immer noch eine Seltenheit ist. „Das hat mir viel bedeutet – ich glaube, das Beste an dieser Rolle war, dass es keine große Sache war, sondern einfach normalisiert wurde, ohne dass jemand mit der Wimper zuckte“, meint sie.
„Ich glaube, so sollte es auch sein. Leider gibt es bestimmte Teile der Welt, in denen es illegal ist, schwul oder in irgendeiner Weise queer zu sein. Es ist ein grundlegender Teil eines Menschen, aber es ist auch so zufällig, und leider bleibt noch ein weiter Weg zu gehen. Deshalb unterstütze ich alles, was darauf abzielt zu zeigen, wie völlig normal und in Ordnung es ist, queer zu sein. Es bedeutete mir viel, auch in der Star-Wars-Welt vertreten zu sein – als erste, so wurde es uns gesagt, offen queere Beziehung [in Star Wars].“
An der Seite des Doktors
Obwohl die Serien sehr unterschiedlich sind, konnte Sethu bei Andor Erfahrung damit sammeln, ein riesiges, beliebtes Universum zu schultern, was ihr half, als sie zur Serie Doctor Who kam, von der sie vor ihrem Auftritt noch kein Fan war. Im Jahr 2023 übernahm sie in der Folge „Boom“ einen Gastauftritt als Soldatin, die dem Fünfzehnten Doktor (Ncuti Gatwa) zu Hilfe kommt. Später in jenem Jahr wurde sie dann eingeladen, Gatwas neue Begleiterin zu werden.
„Ich hatte nicht damit gerechnet, zurückzukommen“, erzählt sie. „Es war toll, wieder dabei sein zu können, und es war großartig, weil es sich nicht wie der erste Schultag anfühlte, an dem man niemanden kennt – ich hatte bereits einen kleinen Vorgeschmack darauf bekommen und alle kannten mich.“
Obwohl Sethu nicht zu viel über Belindas Handlungsstrang in dieser Staffel verraten darf, gefiel ihr, dass „sie auf eigenen Beinen stehen konnte und sich sehr wie die Hauptfigur in ihrer eigenen Geschichte fühlte“, meint sie. „Sie fühlt sich sehr unabhängig vom Doktor – es fühlt sich wirklich so an, als wären sie Gleichgestellte.“
Die Zusammenarbeit mit Gatwa, dessen Rolle als erster nicht-weißer Doktor begeisterte Kritiken erhielt, war ein wahr gewordener Traum. „Er ist so talentiert, und wenn man ihm jeden Tag zusieht, muss man mit dieser Energie erst einmal mithalten. Das war für mich das Tolle an uns – wenn einer von uns sich schlapp fühlte oder was auch immer, wurde er vom anderen unterstützt. Ich habe nie genug davon bekommen, [ihn spielen zu sehen] und habe es immer so empfunden, dass ich es gar nicht glauben konnte, dafür bezahlt zu werden, einem der besten Schauspieler unserer Zeit dabei zuzusehen, wie er dieses großartige Stück vor mir aufführt.’“
Science-Fiction-Fans sind dafür berüchtigt, nicht-weiße Schauspieler, die in ihre Lieblingswelten eintreten, abzulehnen oder zu mobben, aber Sethu sagt, dass sie bisher davon verschont geblieben ist. „Ich versuche, mich auf die Dankbarkeit und die Freude zu konzentrieren, die wir empfinden, wenn wir Geschichten mit den Menschen teilen, die sich dafür entscheiden, offen und positiv auf uns zu reagieren“, meint sie sie. „Ich meine, in Doctor Who geht es um einen Außerirdischen, der alle paar Jahre seine Haut wechselt, also warum sollte [die Hautfarbe] etwas bedeuten?“
Was die Gerüchte betrifft, dass Gatwa in dieser Staffel der Serie letztmals zu sehen sein wird, weil in den USA größere Rollenangebote warten, äußert sich Sethu zurückhaltend. „[Gatwa und ich] sprechen über alle möglichen Dinge, aber ich denke, es ist letztendlich … Ich habe das Gefühl, dass die Entscheidungen von Leuten über uns getroffen werden, nicht wahr?“ sagt sie. „Ob jemand bleibt oder geht oder was auch immer, das ist eine Kragenweite zu groß für mich.“
Mehr Action bei Andor
Doch egal ob Sethu für eine weitere Staffel unterschreibt oder nicht, wird sie dank Doctor Who und der neuen Staffel von Andor sicher sehr bald sehr gefragt sein. „Ich kann nicht viel darüber sagen, genauso wie ich nicht viel über Doctor Who sagen kann, aber in der zweiten Staffel von Andor gibt es definitiv mehr Action“, berichtet sie. „Ich durfte einige sehr, sehr coole Stunts machen. Aber ich möchte nicht zu viel verraten!“
In der Zwischenzeit hofft Sethu, auch Rollen außerhalb der Science-Fiction-Nische zu bekommen, für die sie bekannt ist. „Ich bin hungrig nach mehr von allem – Drama, Komödie, Tragödie, alles. Ich würde gerne etwas Albernes machen, eine lustige romantische Komödie zum Beispiel oder ein sehr, sehr ernstes Drama“, erklärt sie. „Der Grund, warum ich mich für die Schauspielerei entschieden habe, oder was ich am meisten an der Schauspielerei liebe, ist, dass man dadurch das gesamte Spektrum des menschlichen Daseins erleben kann – und manchmal auch mehr als das. Ich liebe es, dass ich den Weltraum erkunden konnte, ohne tatsächlich dorthin reisen zu müssen!“
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