Quelle: New York Times, 12. September 1976
„Im Moment denke ich über den Ruhestand nach“, erklärte George Lucas. Ein höfliches Lachen schien die beste Reaktion auf diese Aussage zu sein, denn angesichts des überwältigenden Erfolgs von American Graffiti, seinem ebenso komischen wie berührenden Porträt der Teenager der 50er Jahre, das allen noch in lebhafter Erinnerung sein dürfte, und mitten in den Dreharbeiten zu Krieg der Sterne, einem 6,5 Millionen Dollar teuren Weltraum-Spektakel für Twentieth Century-Fox, schien die Vorstellung, dass einer der gefragtesten Regisseure Amerikas mit 32 Jahren auf Ruhm und Reichtum verzichten wollte, nun ja, skurril.
Aber er meinte es ernst. „Ich habe nicht den großen Ehrgeiz, ein zweiter John Ford zu werden und im Laufe meiner Karriere 80 Filme zu drehen“, sagte er und rückte seine Brille zurecht. (Mit Brille sieht er aus wie ein Einser-Psychologiestudent, ohne Brille wie Warren Beatty.) „Einen Film zu drehen ist tatsächlich eine furchtbar schmerzhafte Erfahrung.“
Er runzelte die Stirn und blickte zur Schar von Technikern hinüber, die auf dem neuesten seiner rund 30 Sets herumwuselten, welche er in den britischen Elstree Studios gebaut hatte, um Aussehen und Ausstattung der Science-Fiction mit den alten romantischen Phantasien fahrender Ritter und von Damen in Not zu vereinen. „Ich wollte einmal einen großen Hollywood-Film mit Stars und Studio-Sets drehen – all dieser Kram –, nur um zu sehen, wie das so ist. In der Realität ist es meiner Arbeitsweise sehr fremd. Ich bin viel mehr Filmemacher als Filmregisseur. Deshalb möchte ich mich wirklich zur Ruhe setzen und viel experimentelle Arbeit mit Filmen machen, die wahrscheinlich niemand jemals sehen wird.“
Obwohl Krieg der Sterne sowohl hinsichtlich seines Themas, als auch in Stil und Umfang Lichtjahre von American Graffiti entfernt ist, ist es für Lucas weniger eine Abkehr als vielmehr eine Abwandlung eines Themas, das er bereits 1969 mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm THX 1138 etabliert hat. Da er schon immer von der Raumfahrt fasziniert war, schrieb er das Drehbuch lange vor Hollywoods aktueller Science-Fiction-Begeisterung, wobei die Idee auf seine Kindheitsleidenschaft für Flash Gordon zurückgeht. Krieg der Sterne sei keine Science-Fiction, sondern eine Weltraumoper, betont er. Und obwohl die Sets für Besucher geschlossen wurden, um die Spezialeffekte vor möglicher Piraterie zu schützen, ist Lucas bereit, ein wenig von der Handlung zu verraten.
Chewbacca ist ein Wooky.
George Lucas
Es war einmal in einer fernen Zukunft, in einer anderen Galaxis, da lebte ein junger Mann namens Luke Skywalker (gespielt von Mark Hamill) auf einem Wüstenplaneten (der stark an Tunesien erinnert) zusammen mit zwei liebenswürdigen Robotern und Alec Guinness – als Kenobi, einer wohlwollenden Mischung aus dem Zauberer Merlin und einem Samurai-Krieger. Leider wurde ihr Planet von einem bösen Imperator annektiert, dessen lokaler Vizekönig, Gouverneur Tarkin (Peter Cushing), die schöne Prinzessin Leia (Carrie Fisher), Anführerin der Widerstandskräfte, gefangen genommen hat. Entschlossen, die Prinzessin zu retten, machen sich Kenobe [sic!] und Luke in dem ramponierten alten Raumschiff von Han Solo (Harrison Ford), einem nichtsnutzigen, draufgängerischen Piraten mit einem Herzen aus Gold, und seinem ersten Offizier Chewbacca auf den Weg zur Rebellenfestung.
„Chewbacca ist ein Wooky [sic!]“, sagte Lucas. „Das ist eine Kreuzung zwischen einem großen Bären, einem Hund und einem Affen. Und er ist sehr freundlich, bis man ihn verärgert.“ (Das Gleiche könnte man von Peter Mayhew sagen, der die Rolle bekam, weil er der einzige verfügbare Schauspieler war, der in seiner Wooky-Haut über 2 Meter groß war.)
Unweigerlich geraten die Abenteurer in Konflikt mit Gouverneur Tarkin und seinem Todesstern, einer riesigen Raumstation von der Größe eines kleinen Mondes, auf der die Prinzessin gefangen gehalten wird. Und ebenso unweigerlich wird am Ende alles gut: Die Geheimwaffe des Imperators wird zerstört, die Prinzessin wird gerettet und die Mächte des Bösen werden in einem finalen Raumschiff-Luftkampf nach dem Vorbild des Zweiten Weltkriegs vernichtet. Der finstere Schwarze Ritter (Dave Prowse) darf jedoch davonkommen, um an einem anderen Tag erneut Intrigen zu schmieden, wodurch die Tür für eine mögliche Fortsetzung offen bleibt.
„Es geht um Spaß – das ist das Wort, das diesen Film beschreibt“, sagte Lucas. „Er zielt auf junge Leute ab. Graffiti war für 16-Jährige, dieser Film ist für 14-Jährige. Junge Leute haben kein Phantasieleben mehr, nicht so wie wir es hatten. Alles, was sie haben, sind Kojak und Dirty Harry. so laufen da draußen all diese Kinder herum und wollen Killer-Cops sein.“
Es ist schwer vorstellbar, dass jemand weniger geeignet wäre, Killer-Cop-Spiele zu spielen, als George Lucas. Gekleidet in der typischen Woody-Allen-Montur – schmuddelige Turnschuhe, zerschlissene Jeans und ein sackartiger Shetlandpullover – wirkt er auf einem Filmset fehl am Platz. Aber er bekommt, was er will. An einer Stelle müssen Luke, Han Solo und Prinzessin Leia einen Müllschacht hinunter in eine Abfallpresskammer fallen, die zur Hälfte mit schmutzig aussehendem Wasser und einem Wirrwarr aus schwarzem Schrott-„Metall“ (kunstvoll aus hartem Kunststoffschaum hergestellt) gefüllt ist. Die Szene war vorbereitet, ein rotes Licht ging an, eine Glocke läutete, und 200 Menschen verstummten, als die Kamera zu laufen begann. Dann versprach sich Harrison Ford als Han Solo bei seiner ersten Zeile.
Mit einem schuldbewussten Blick auf Lucas, der mit dem Ellbogen auf dem Knie und dem Kinn in der Hand auf einer umgedrehten Kiste neben dem Kameramann saß, hob Ford ein großes Stück „Eisenschrott“ auf und steckte es reumütig in den Mund. Mark Hamill ließ sich auf das Spiel ein, wählte ein Stück „Metallstange“ aus, biss ein großes Stück davon ab und kaute es mit sichtlichem Genuss.
Lucas nickte geduldig und rief dann zu einem weiteren Take. Diesmal lief alles gut. Luke wurde gewaltsam unter das schmutzige Wasser gezogen – angeblich von einem Tintenfischtentakel, in Wirklichkeit jedoch von einem untergetauchten Tauchter – und Han rettete ihn in letzter Sekunde. Nachdem die Aufnahme im Kasten war, schauten die Schauspieler erwartungsvoll zu Lucas, in der Hoffnung, zum Mittagessen gehen zu können. Aber ob nun, um eine fast unsichtbare Verfeinerung in der Komposition vorzunehmen oder um ihre frühere Leichtfertigkeit zu tadeln, Lucas ließ die enttäuschten Darsteller trocknen und die Szene noch einmal drehen.
„Ich werde als machiavellistischer Regisseur beschrieben“, gab er zu. „Ich bekomme, was ich will, aber oft bekomme ich es auf indirekte Weise, indem ich Menschen in Situationen bringe, in denen es einfach passiert.“
Für Lucas wäre es beinahe nicht dazu gekommen. Er wurde 1944 geboren und wuchs auf einer Walnussfarm im kalifornischen Modesto auf. Zuerst wollte er Künstler werden, aber sein Vater erlaubte es ihm nicht, dann wollte er Rennfahrer werden, aber er hatte einen Unfall. Durch einen glücklicheren Zufall lernte er den Kameramann Haskell Wexler kennen, der ihm half, an der Filmschule der Universität von Südkalifornien aufgenommen zu werden, wo er noch vor seinem 20. Lebensjahr acht Kurzfilme drehte.
Niemand außer Disney macht noch Filme für junge Leute.
George Lucas
Ein Jahr später drehte er THX 1138: 4EH, einen Science-Fiction-Kurzfilm, und 1967 gewann er ein Stipendium von Warner Brothers, um Francis Ford Coppola bei der Regie von Der goldene Regenbogen zuzusehen. „Francis zwang mich, Drehbuchautor zu werden und über andere Dinge als abstrakte Filme und Dokumentarfilme nachzudenken.“
Eines der Dinge, über die er nachdenken musste, war die Erweiterung von THX 1138 zu einem abendfüllenden Spielfilm, den er 1969 für Warner unter der Produktion von Coppola drehte. Der Film wurde gemischt aufgenommen und verschaffte Lucas einen Kultstatus, aber sonst nicht viel. Dann kam 1973 der große Durchbruch mit American Graffiti, der nicht nur viel Geld einspielte, sondern auch fünf Oscar-Nominierungen erhielt.
Rückblickend ist Lucas überzeugt, dass Graffiti erfolgreich war, weil er den Film auf ein ganz bestimmtes Publikum ausgerichtet hatte, genau wie er es nun mit Krieg der Sterne tut. „Niemand außer Disney macht noch Filme für junge Leute“, sagte er.
„Ich möchte ihnen das gesamte Universum eröffnen. Science-Fiction ist okay, aber es hat sich so sehr mit der Wissenschaft beschäftigt, dass es den Sinn für Abenteuer vergessen hat. Ich möchte, dass Krieg der Sterne die jungen Leute dazu bringt, über Dinge nachzudenken, die passieren könnten. Ich möchte, dass sie sagen: Mensch, wäre es nicht toll, wenn wir auf dem Mars herumlaufen könnten? Die Kinder von heute scheinen mir eine sehr langweilige Kindheit zu haben. Das habe ich mit Graffiti bewiesen. Teenager hatten einfach keinen Film, den sie als ihren eigenen bezeichnen konnten, bei dem sie sagen konnten: Das handelt von mir. Also haben sie ihn sich zueigen gemacht. Jetzt hoffe ich, dass sie das Gleiche mit Krieg der Sterne tun. Kinder sind heute vielleicht viel weltgewandter als früher, aber ich glaube immer noch, dass sie sich etwas Ehrliches, Sauberes wünschen …“
Er verstummte, plötzlich verlegen. „Ich meine, sie sollten ins Kino gehen und etwas sehen können. Der Grund, warum ich Krieg der Sterne mache, ist, dass ich jungen Menschen eine Art fernes, exotisches Umfeld bieten möchte, in dem sie ihrer Phantasie freien Lauf lassen können. Ich habe ein starkes Bedürfnis, Kinder für die Weltraumforschung zu begeistern. Ich möchte, dass sie sich dafür begeistern. Ich möchte, dass sie über die grundlegenden Dummheiten des Augenblicks hinausdenken und darüber nachdenken, die Venus und den Mars zu kolonisieren. Und das kann nur geschehen, wenn ein dummes Kind davon träumt – wenn es sich seine Strahlenkanone schnappt, in sein Raumschiff springt und mit diesem Wooky in den Weltraum fliegt. In gewisser Weise ist das unsere einzige Hoffnung.“
Damit entschuldigte sich George Lucas und kehrte zum Set zurück, um sich einer weiteren Runde Laserstrahlen, arabischen Rittern und intergalaktischer Realitätsflucht zu widmen.
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