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Eine neue Hoffnung // Artikel

Zeitreise 1977: Star Wars ist verspielt, phantastisch, verzaubernd

Roger Eberts Filmkritik zum 40. Geburtstag von Krieg der Sterne

Nicht mehr oft finden wir aktuell Zeit, in Form neuer Zeitreisen in die alten Tage aufzubrechen, doch zum 40. Geburtstag der Saga, die am 25. Mai 1977 ihren Siegeszug antrat, wollen wir wieder einmal zurückblicken auf die ersten Reaktionen auf Krieg der Sterne. Mit den besten Glückwünschen für George Lucas‘ zeitloses Meisterwerk hier die damalige, hingerissene Filmkritik von Roger Ebert:

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Ab und an erlebe ich beim Ansehen eines Films eine Art außerkörperliche Erfahrung. Wenn Leute mit paranormalen Vorlieben so einen Satz verwenden, meinen sie für gewöhnlich das Gefühl, mit dem Geist ihren Körper hinter sich zu lassen und nach China, Peoria oder in eine weit, weit entfernte Galaxis zu reisen. In meinem Fall meine ich damit nur, dass meine Phantasie vergessen hat, dass ich in einem Kinosaal sitze und sich stattdessen dort oben auf der Leinwand bewegt. Auf seltsame Weise fühlen sich die Ereignisse des Films real an, und ich fühle mich als Teil davon.

Genau so funktioniert Krieg der Sterne. Die Liste meiner anderen Filme mit außerkörperlichem Potential ist sehr kurz und reicht von künstlerischen Produktionen wie Bonnie und Clyde oder Schreie und Flüstern über den gekonnten Kommerzialismus von Der Weiße Hai bis zur brutalen Kraft von Taxi Driver. All diesen Filmen ist gemein, dass es ihnen gelingt, mich auf irgendeiner Ebene – und manchmal weiß ich selbst nicht, welcher genau – so unmittelbar und machtvoll zu treffen, dass ich darüber jede Distanz oder analytische Reserviertheit verliere. Der Film geschieht einfach, er widerfährt mir geradezu.

Was das Krieg-der-Sterne-Erlebnis dabei allerdings einzigartig macht, ist, dass dies auf einer so unschuldigen, freundlichen Ebene geschieht. Normalerweise zieht mich die Darstellung von Gewalt in Filme hinein, egal ob das die psychischen Qualen einer Bergman-Figur sind oder das instinktgetriebene Knacken der Kiefer des Weißen Hais. Vielleicht wird unsere Vorstellungskraft von Filmen, die uns erschrecken können, ja grundsätzlich direkter angesprochen. In Krieg der Sterne gibt es hingegen kaum Gewalt, und wo es sie gibt, wird sie im Kern auf unblutig abenteuerfilmartige Weise präsentiert. Stattdessen finden wir hier eine so direkte und einfache Art von Unterhaltung, dass die Komplikationen moderner Filme darüber zu verblassen scheinen.

Krieg der Sterne ist ein Märchen, eine Phantasiegeschichte, eine Legende, deren Wurzeln zu einigen unserer vertrautesten Erzählungen zurückreichen. Der goldene Roboter, der löwengesichtige Raumpilot, der unsichere kleine Computer auf Rädern sind sicherlich vom Blechmann, dem feigen Löwen und der Vogelscheuche im Zauberer von Oz inspiriert. Die Reise von einem Ende der Galaxis zum anderen entstammt einer der zigtausend Weltraumopern. Die Raumschiffe und Waffen sind Flash Gordon oder 2001: Odyssee im Weltraum entlehnt, die Darstellung von Ritterlichkeit Robin Hood, die Helden kommen aus Western, die Schurken sind eine Mischung aus Nazis und Zauberern. Krieg der Sterne spricht die zahllosen Groschenphantasiewelten an, die in unserer Erinnerung vergraben liegen, und weil der Film so brillant umgesetzt ist, gelingt es ihm, all jene Momente der Begeisterung, der Furcht und des Rausches wiederzubeleben, die wir glaubten, mit unserer letzten Ausgabe von Amazing Stories verloren zu haben.

Der Film funktioniert aus mehreren Gründen so gut, und nicht alle davon hängen mit den spektakulären Spezialeffekten zusammen. Ja, die Effekte sind gut, aber bei Filmen wie Lautlos im Weltraum und Flucht ins 23. Jahrhundert waren großartige Effekte nicht genug, um neue Kassenrekorde aufzustellen. Nein, ich glaube, der Schlüssel zu Krieg der Sterne liegt anderswo begraben.

Die Stärke des Films beruht darauf, dass er das Potential des reinsten, einfachsten dem Menschen bekannten Erzähltypus ausschöpft, der Reise. Die besten Geschichten unserer Kindheit gründen darauf, handelten sie doch von Helden, die sich auf den Weg machten und Straßen verfolgten, auf denen große Gefahren lauerten, um am Ende ihrer Reise einen Schatz zu finden oder einen Akt wahren Heldentums zu wagen. In Krieg der Sterne führt George Lucas diese einfache und grundsolide Rahmenhandlung im Weltraum weiter, und das ist ein inspirierter Gedanke, denn auf unserer Erde gibt es keine Karten mehr, die an ihrem Rand vor Drachen warnen. Konnte Kolumbus noch vom Rand der Welt herunterfallen, haben wir diese Ungewissheit verloren und mit ihr die Hoffnung, neue Kontinente voller prähistorischer Ungeheuer zu finden oder verlorene Stämme, die von unsterblichen Göttinnen beherrscht werden. Die Erde bietet all das nicht mehr, doch der Weltraum macht es noch immer möglich, und so stößt Lucas in seine Tiefen vor, um uns so gut wie alles zu zeigen.

Schnell finden wir uns mitten in der Handlung wieder, weil die Figuren von Krieg der Sterne so stark und einfach gezeichnet sind und so viele kleine Schwächen und große, törichte Hoffnungen in sich tragen, mit denen wir uns identifizieren können. Und dann tut Lucas etwas interessantes: Er sendet seine Helden auf eine Reise durch das Universum, um die Truppen von Darth Vader, das böse Imperium und den übermächtigen Todesstern zu bekämpfen, und ja, er gibt uns viele Spezialeffekte – Schiffe, die in den Hyperraum springen, fremde Welten, ein unendliches Sternenmeer -, aber vor allem zeigt er uns fremde Lebewesen, denn Lucas ahnt völlig zurecht, dass wir sie interessanter finden werden, als sein umfangreiches Sortiment intergalaktischer Eisenwaren.

Die für mich faszinierendste Szene spielte in einem bizarren Saloon auf dem Planeten Tatooine. Eine unglaubliche Ansammlung außerirdischer Alkoholiker und käferäugiger Martini-Schlürfer stand am Tresen, und während Lucas sie clever eigentlich menschliche Eigenarten zur Schau stellen ließ, stellte ich fest, wie beeindruckt und begeistert ich davon war. Krieg der Sterne hatte mich mitten in eine wirklich magische Filmschöpfung hineingetragen: Ein buntes Potpourri aus Verspieltheit und Phantasie, einfacher Verzauberung und ruhig komplexer Erzählkunst.

Als Stanley Kubrick Ende der 1960er 2001 drehte, zog er alle Spezialeffektregister, um seine Weltraumszenen umzusetzen. Gleichzeitig beschloss er aber, keine Außerirdischen zu zeigen, weil er es nicht für möglich hielt, sie glaubhaft umzusetzen. Wie Krieg der Sterne beweist, ist das aber doch möglich, und die Lust, mit der der Film mögliche außerirdische Lebensformen präsentiert, ist mindestens so unterhaltsam wie die Kämpfe zwischen den Raumkreuzern des Imperiums und der Rebellen.

Und das erklärt vielleicht auch die eine Schwäche des Films, den Angriff auf den Todesstern, der einfach zu lange dauert. Vielleicht konnte es Lucas, nach all dem Geld und dem Schweiß, der in die Spezialeffekte geflossen war, nicht ertragen, hier irgendwelche Kürzungen vorzunehmen. Doch die Spezialeffekte geben der Magie von Krieg der Sterne nur Form, das Herz des Films sind seine liebenswerten menschlichen (und nichtmenschlichen) Figuren.


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Seit dem 1. Mai 2000 sind wir auf Star Wars Union auf einer schier endlosen Mission: SWU zu Deinem Portal für unsere Saga zu machen und – nach Möglichkeit – tagesaktuell über das Neueste aus der weit, weit entfernten Galaxis zu berichten.

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13 Kommentare

  1. TiiN

    Robert Ebert ist ein sehr toller Filmkritiker, welche seine Kritiken auch in meinen Augen immer gut zu begründen weiß. Leider ist der Mann bereits 2013 gestorben, schön aber, dass sämtliche seiner Kritiken (und das sind viele) nochc im Internet einsehbar sind. Also für Filmfreunde, ruhig mal auf robertebert.com gehen und etwas stöbern, es lohnt sich.
    Man muss mit Kritikern nicht immer (gerne auch nie) einer Meinung sein. Aber wenn sie ihre Meinungen begründen und gut schreiben können, dann macht es Spaß, diese zu lesen.

    Danke für diese kleine Zeitreise 🙂

  2. MaYo

    "Auf seltsame Weise fühlen sich die Ereignisse des Films real an, und ich fühle mich als Teil davon. "

    Das fasst es für mich perfekt zusammen! 🙂 Eine tolle Filmkritik. Vor allem der Part mit dem Eskapismus und den fremden Welten. Ja, so ist wohl auch das Fantasygenre entstanden, nachdem unsere Welt kartografiert und auf ihr alles bekannt war.

  3. George Lucas

    "Doch die Spezialeffekte geben der Magie von Krieg der Sterne nur Form, das Herz des Films sind seine liebenswerten menschlichen (und nichtmenschlichen) Figuren."

  4. Darth HLT

    Fun Fact DAS MIR gerade WIRKLICH, ECHT passiert ist:

    Ich habe mir den Artikel, also die Filmbewertung durchgelesen und dann die Kommentare. Und ich habe natürlich schon von dem Filmkritiker gehört, wusste nur nicht das er inzwischen verstorben ist. Wie dem auch sei, ich war neugierig und wollte mehr über ihn wissen.

    Also wolle ich ihn googlen, aber plötzlich war ich mir nicht mehr sicher über seinen Namen. Hieß er Eberts oder Ebert ohne S oder gar Eigerts oder wie war das nochmal? Kennt ihr das auch, du weißt einen Namen aber plötzlich ist man dann unsicher? Wenn’s darauf ankommt vergisst man ihn wieder. So als ob man sich urplötzlich fragt, heißt Christopher Lees Charakter aus SW, Count Dooku oder Count Doku?

    Jedenfalls habe ich raufgescrollt um nochmals den Namen durchgelesen und habe ihn dann gegoogelt aber nichts über den Filmkritiker gefunden. Überhaupt nichts. Wie kann das sein, dachte ich? Kein einziger Wikipedia Artikel? Keine Zeitung bzw. Internet Artikel über ihn? Bis mir auffielt das TiiN den Falschen Namen zitiert hat. Der Mann hieß gar nicht Robert Ebert sondern Roger Ebert. Na ja, also deshalb fand ich nichts über ihn. NA JEDENFALLS… Tja, also ich fand das was mir gerade passiert ist zum Schmunzeln. Positive Schmunzeln, nicht negative.

    @ TiiN: Auch ich habe schon sehr oft Namen verwechselt kann jeden passieren.

    Ps.: Ich lache nicht über jemanden, höchstens mit jemanden. Und wenn lache ich nur über da was mir gerade passiert ist, obwohl lachen ist falsch, eher schmunzle ich darüber.

  5. TiiN

    Tatsache 😀 Da stand ich neben mir 🙂 Danke für den Hinweis.
    Seine Seite ist demzufolge:

    http://rogerebert.com

    Und einen Klick wert! Die Seite wird immer noch von Kollegen weiterbetrieben.

  6. Darth HLT

    @ TiiN: Ich werde bei Gelegenheit mal reinschauen. Wenn ich mehr Zeit habe.

    @ MaYo: Wusste ich gar nicht, interessant, sehr interessant der verlinke Artikel. DANKE!!!!
    DANKE DAFÜR!!!!

    Aber nun würde ich sagen, back to Topic / also zurück zum Thema…

    Sage ich schon danke? Falls nicht, nochmals DANKE! 😉

  7. MaYo

    @TiiN

    Nun ist alles Roger! 😉
    Link ist gespeichert.

    @DarthHLT

    😆 Du bist echt lustig! Aber "Danke" sagen könntest du trotzdem mal. 😀

  8. DerAlteBen

    Ich finde es sehr bemerkenswert, dass Roger Ebert die Qualität von ANH in erster Linie an den gelungenen Figuren misst und nicht – wie so oft bei anderen Kritikern – an den Spezialeffekten. Sein Vergleich mit "Silent Running" macht dies besonders deutlich, der trotz seiner Effekte deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb.

    Interessant finde ich hingegen, dass ihn die Cantina-Szene am meisten fasziniert hat, der Angriff auf den Todesstern ihm aber zu lang erschien. Beim Publikum und bei anderen SciFi-Regisseuren dürfte es genau umgekehrt gewesen sein. Der Trench Run gilt bis heute als mustergültiger Meilenstein in der Filmgeschichte, der bis heute noch gerne zitiert wird (siehe Abrams), die Cantina-Szene gefiel seinerzeit nicht einmal den Hauptdarstellern selbst.

  9. MaYo

    @DerAlteBen

    " Sein Vergleich mit "Silent Running" macht dies besonders deutlich, der trotz seiner Effekte deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. "

    Da vergleicht er aber schon Äpfel mit Birnen. 😉 Silent Running fährt schon ein paar Weltraum Szenen auf, die bei weitem nicht an jene aus ANH heranreichen. Dann das riesige Gewächshaus. Silent runnung lebt aus meiner Sicht sogar mehr von seine(m)n Charakter(en). Es ist stellenweise eine Robinsonade.

  10. TiiN
  11. DerAlteBen

    @TiiN:

    Ebert war einer der wenigen Kritiker, bei denen TPM noch ganz gut abgeschnitten hatte. In seinem Resümee gelangte er zu der Auffassung, dass Episode I gefeiert worden wäre, wenn es der allererste SW-Film gewesen wäre. So betrachtet, kam für Lucas die CGI-Technologie zu spät, um das Publikum anstelle der schwächelnden Figuren und Handlung beeindrucken zu können.

  12. Skytalker

    Der Trailer hier oben war auch im Vorspann der ersten CBS/FOX VHS-Edition von Ep. V und VI zu sehen.

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