Im Jahr 1983 bedeutete das Ende der klassischen Trilogie mit Die Rückkehr der Jedi-Ritter nicht nur ein – wie sich Jahrzehnte später herausstellen sollte – vorläufiges Happy End für die Helden des Kriegs der Sterne, sondern auch ein ernsthaftes Problem für all jene Unternehmen, die an der popkulturellen Dominanz von Star Wars gut verdient hatten. Doch nur weil von Lucasfilm auf absehbare Zeit keine neuen Vorlagen für Comics, Spielzeug oder andere Produkte zu erwarten waren, waren Lizenznehmer wie Marvel oder Kenner nicht bereit, ihre erfolgreichen Star-Wars-Produktlinien einfach auf Eis zu legen.
Beide Firmen entwickelten daher im Kern ähnliche, wenn auch voneinander unabhängige Lösungsansätze für ihr Angebotsproblem: Neue Bösewichte mussten her, die den auf Endor so siegreichen Helden der Rebellenallianz Paroli bieten konnten. Für Marvel übernahm die dunkle Lady Lumiya die zentrale Schurkenrolle. Als ehemalige Schülerin von Darth Vader war sie ideal positioniert, um in den Comics der 80er Jahre nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter prägende Auftritte hinzulegen. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr großes Duell gegen Luke Skywalker, bei dem sie ihre Lichtschwertpeitsche einsetzte. Lumiya machte als Dunkle Lady eine so gute Figur und blieb so stark in Erinnerung, dass sie Anfang der 2000er Jahre im Erweiterten Star-Wars-Universum erneut eine Hauptrolle spielen sollte.
Auf neue Figuren und Konflikte wollte man auch beim Actionfigurenhersteller Kenner setzen, und das dort 1984 entwickelte Konzept für eine Star-Wars-Zukunft ohne neue Kinofilme mit dem Titel The Epic Continues ist ein faszinierender Einblick in jenes Jahrzehnt, das gerne als das dunkelste der Star-Wars-Geschichte bezeichnet wird.
Im Mittelpunkt des geplanten Spielzeugsortiments, das 1986 – also im üblichen Abstand von drei Jahren nach dem letzten Kinofilm – in die Läden kommen sollte, stand eine neue Geschichte um einen Bösewicht namens Atha Prime, einen meisterhaften Kloner, der die Galaxis mit einem neuen Klonkrieg zu überziehen droht, oder wie Kenner es in seinem Konzept formulierte:
Ein mächtiges Wesen, das lange Zeit in einem entlegenen Randgebiet der Galaxis im Exil leben musste, ist durch den Tod des Imperators entfesselt worden. Es breitet sich nun wie eine Seuche aus, sichert sich die Kontrolle über die zerschlagenen Überreste des Imperiums und versklavt gerade erst befreite Welten aufs Neue: Atha Prime, Meister der Genetik, Herrscher der dunklen Welten und Architekt der Klonkriege, ist wieder auf freiem Fuß. Seine moderne Armee aus Kampfklonen hat bereits die Außenposten der Rebellen entlang der galaktischen Grenze dezimiert. Sein Ziel ist es, die Rebellenallianz für immer zu zerschlagen und die Galaxie zu kontrollieren.
Ähnlich wie Snoke Jahrzehnte später sollte auch dieser Atha Prime ein riesiges Raumschiff als Basis nutzen, die Annihilator.

Es handelte sich dabei um eine Art Doppeldecker-Sternenzerstörer, in dessen oberem Brückenturm das persönliche Schiff von Atha Prime, der Apex Invader, Platz gefunden hätte.

Schon an diesen beiden Schiffen lässt sich die generelle Herangehensweise von Kenner zur Zeit der klassischen Trilogie erkennen: „Wir haben uns von den Fahrzeugen und Raumschiffen aus den Filmen inspirieren lassen und diese als Spielzeuge entwickelt”, beschrieb Mark Boudreaux, einer der zentralen Mitarbeiter der Star-Wars-Arbeitsgruppe bei Kenner, 1995 den Ansatz. „Aber wir mussten auch bestimmte Preiskategorien abdecken, was bedeutet, dass Eltern beim Kauf einer Actionfigur auch ein günstiges Fahrzeug dazukaufen konnten. Lucasfilm erlaubte uns also, einige unserer eigenen Fahrzeuge zu entwerfen, die in ein Szenario passten, welches wiederum zu den Filmen passen würde. Die Idee war, dass es sich dabei faktisch um echte Fahrzeuge handelte, die es aber nicht in die Endfassung des Films geschafft hatten.”
Aus diesem Geist der Weiterentwicklung auf der Basis von Bestehendem entstanden nun auch für The Epic Continues neue, aber nicht wirklich revolutionär neue Spielzeugideen.
„Oft haben wir damals Einzelteile aus Sets genommen und damit gespielt, sie zerschnitten und Teile anderer Spielzeuge verwendet, um neue Modelle zu bauen“, so Boudreaux weiter. „Wir haben die Motoren von X-Flüglern abgeschnitten, die Cockpits herausgenommen oder ein Fahrwerk genommen, um viele unserer Prototypen zu bauen. Das wurde gewissermaßen zu unserem eigenen Star-Wars-Hobby.”


So wurden für The Epic Continues einerseits Konzeptzeichnungen wie die der Annihilator entwickelt, aber ebenso oft stellten die Kenner-Entwickler direkt die möglichen neuen Sets zusammen. So entstanden offensichtliche Weiterentwicklungen von Han Solo, der nun etwas weniger schäbige Kleidung trug, oder Luke Skywalker in einer Art Jedi-Ausbildungsrüstung. Eine Figur namens Mongo Beefhead Tribesman, deren Volk als „eine fast ausgestorbene, freundliche Eingeborenengruppe vom Planeten Tatooine“ beschrieben wird, trägt den Kopf von Jabbas Mitarbeiter Tessek, in Sammlerkreisen damals noch als Squid Head bekannt, dem der Hals abgeschnitten worden war, bevor man ihm den Kopf kopfüber aufsetzte.
Die größte wirkliche Neuerung neben Atha Prime waren die so genannten Klonkrieger, „Wesen, die von Atha Prime speziell für den Kampf entworfen und genetisch gezüchtet wurden, um als seine Elitetruppen zu dienen”.

Neben Atha Prime und den Rebellen sah das Konzept auch das Fortbestehen des Imperiums vor. Doch dessen Lage ist alles andere als rosig, wie ein Spielset-Konzept für einen Imperialen Außenposten verdeutlicht: „Seit dem Zusammenbruch des Imperiums sind diese einst mächtigen Festungen zu isolierten Außenposten verkommen, die in der ganzen Galaxis verstreut sind und als Zufluchtsort für die verbliebenen imperialen Streitkräfte dienen.”

Wer das Rest-Imperium anführen sollte, stand auch schon fest: Gouverneur Tarkin, der laut Konzept nur knapp der Zerstörung des Todessterns entkommen wäre. Hintergrund des plötzlichen Auftauchens von Tarkin war, dass Kenner bis dahin keine Tarkin-Figur im Sortiment hatte, da man – ähnlich wie bei Owen und Beru Lars – nach Eine neue Hoffnung davon ausgegangen war, dass Kinder sich nicht für eine Figur interessieren würden, die im Film stirbt oder zu sterben scheint. Als Anführer der imperialen Streitkräfte nach dem Tod des Imperators sollte Tarkin nun also doch noch eine wichtige und langlebige Hauptrolle spielen.

Neben neuen oder modifizierten Charakteren entwickelten die Kenner-Designer auch eine Reihe neuer Droiden, darunter ein schwarzer imperialer Wachdroide, eine Figur namens Blue-Four, die als Atha Primes Begleiter und Pilot des Apex Invader dienen sollte, sowie imperiale Angriffsdroiden, die mit Waffen und Raketen bestückt waren, um Infanterieangriffe anzuführen und das Schlachtfeld zu patrouillieren.

Zu den neuen Raumschiffen und Fahrzeugen des Konzepts gehörten ein X-Flügler mit Doppelcockpit, wie man dies Jahrzehnte später in Star Wars: Episode III in Form des Raumjägers ARC-170 sehen sollte, ein neuer Landgleiter, ein neuer Schneegleiter, ein Aufklärungs- und Rettungsschiff für die Rebellen sowie eine neue Variante des AT-AT, im Konzept AT-IC genannt, dessen Heckaufbau durch eine riesige Ionenkanone ersetzt worden war.
Am Ende nahm das Kenner-Team seine Fotos und Skizzen und hielt eine Präsentation für Lucasfilm. „Der Gedanke dahinter war dabei nicht: Hey, Mr. Lucas, wir können Star Wars genauso gut machen wie Sie”, erinnerte sich Boudreaux später, „sondern eher: Wir würden wirklich gerne weiter mit Ihnen zusammenarbeiten, um das Ganze am Laufen zu halten.”
Lucasfilm fand all das zwar an sich gut, war aber ein Jahr nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter noch nicht bereit für so viel Fortschritt: „Sie reagierten sehr positiv”, erzählte Boudreaux später. „Sie sagten, dass die neuen Charaktere und Fahrzeuge alle sehr nach Star Wars aussahen und dass sie es wirklich zu schätzen wussten, dass wir das Ganze am Laufen halten wollten. Aber sie waren einfach nicht bereit, auf diese Weise vorzugehen.“
Nach dem kommerziellen Misserfolg der Spielzeuge zu den beiden 80er-Trickserien Ewoks und Droids wurden die Star-Wars-Produkte von Kenner 1986 komplett eingestellt. Kleinere Happy Ends für The Epic Continues gab es dann aber doch noch: Die Konzeptzeichnungen für Palpatines Garde, die Nilo Rodis-Jameros für Die Rückkehr der Jedi-Ritter angefertigt hatte und die Kenner als Vorlage für Atha Prime verwendet hatte, dienten im Comic-Epos Das dunkle Imperium Anfang der 90er Jahre als Vorlage für die Garde des Klon-Imperators. Auch verschiedene Droiden- und Schiffsdesigns aus dem Konzept tauchten in Comics wie Crimson Empire II wieder auf, und viele Ideen wurden auch in Rollenspielbüchern verwendet.
Vor allem aber lebte der Geist des „Es muss weitergehen” unter den Star-Wars-Schöpfern weiter und führte Anfang der 1990er Jahre auch ohne Kinofilm zu einer regelrechten Renaissance der Saga in Form der Thrawn-Trilogie und von Das dunkle Imperium, die beide durch das von ihnen begründete Erweiterte Star-Wars-Universum auch zu neuen Actionfiguren und Produktlinien beitrugen. Das Epos wurde in diesem Sinne letztlich also wirklich fortgesetzt.
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